Wyzima - Straßen und Gassen

Wyzima war die Hauptstadt von Temerien und einst Herrschersitz von König Foltest. Von hohen Stadtmauern umgeben, liegt sie an den Ufern des Wyzimasees; die Ismena fließt durch Wyzima und mündet in diesen. Das Bier "Wyzimas Gold" wird hier gebraut.
Nach der Ermordung des König streiten nun Herzoge und Barone um de Herrschaft.
Zeitweise war Wyzima der Sitze var Emreis, denn Temerien ist von Nilfgard besetzt.
in Wyzima ist der Orden der Flammenrose strak, inoffiziell regiert hier der Orden.
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Jarel Moore
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Lebenslauf: Jarel

Es geschah auch etwas anderes als das, womit er gerechnet hatte.
Statt zumindest etwas klarer zu werden, wurde der ältere von einem Hustenanfall besonderer Güte durchgeschüttelt.
Erst als der Anfall vorbei war und Jarel jappste wie ein Fisch auf dem trockenen, wurde er eine Spur klarer.
"Ich würd mich gern ne kleine Weile setzen."
Jakob hielt Jarel während des fürchterlichen Hustenanfalls so fest er konnte an seine Seite gepresst. Scheiße, was sollte er nun mit ihm machen? Beide Tempel kamen nicht in Frage - er konnte nicht zulassen, dass irgendwen ihn so sah. Kein Ritter und schon gar nicht Iola. Er überlegte fieberhaft, während Jarel scheinbar etwas zu sich kam.
Setzen? Auf keinen Fall - dann bekam er ihn sicher nie wieder hoch. Ein erneutes Deja-vu rollte durch seinen Kopf: Jade, die im Drogenrausch genau so über seiner Schulter hing und keinen Meter mehr gehen wollte. Selbst dieses Persönchen zu bewegen, war ein Kraftakt gewesen.
"Komm, erstmal noch ein Stück weg hier." Damit ging er los und hoffte einfach.
Tatsächlich folge der schwere Klotz, fast wie in Trance, Eine leere, verstandsbefreite, willenlose Hülle, deren Schritte immer unsicherer und weicher in den Knien wurden.
"Ich will nach Hause.", nuschelte der Brocken. "Ins Lamm. Zu meiner Schwester. Da hab ich noch gereicht... "
"Meine Kinder wiedersehen.", murrte er nach einer langen Pause. "Ila...sogar meinen Vater vermisse ich. Auch wenn unser Verhältnis nach Mutters Tod echt am Arsch war."
Ganz offensichtlich wurde der Ritter redselig, wenn er besoffen war.
Jakob biss die Zähne aufeinander und zog Jarel einfach vorwärts, so weit dieser mitlief, allerdings hatte er den Eindruck, der Mann wurde zusehends schwerer. Der Knappe begann zu schwitzen.
"Wie war dein Vater so?", versuchte er Jarel wach zu halten, während sie die Mauer erreichten und das Tor passierten. In Alt-Wyzima wurde das nicht mehr bewacht, man wachte nur über die Insel, entsprechend war das Klientel auf dem Festland. Jakob war vor ein paar Tagen von dieser Seite gekommen, daher hatte er nun ein Ziel vor Augen: eine verlassene Fischerhütte, in der er genächtigt hatte.
"Streng.", antwortete der tatsächlich immer schwerer werdende Klotz zunächst.
"Streng, aber gerecht. Hat nicht viel geredet. Dafür war Mutter zuständig. Von ihm hab ich das Kochen gelernt... und das Schweigen."
Nicht nur Ritter wurde immer schwerer, auch Stimme und Stimmung zog es abwärts.
Er ließ den Kopf hängen, starrte vor sich und tauchte spürbar immer tiefer in Erinnerung und Melancholie ein.

"Meiner auch. Streng, aber meistens fair. Manchmal vermisse ich ihn auch." Er sortierte sich unter Jarels Gewicht etwas um, packte das Handgelenk des Ritters fester und mit der anderen Hand einfach den Hosenbund der Lederhose.
"Mutter hatte allerdings das bessere Händchen für Strafen." Er klang gepresst. So weit war ihm der Weg bis zur Hütte gar nicht vorgekommen.
"Von den Kindern musst du mir mehr erzählen. Ich werde... Tipps brauchen." Verflucht, so würde das nichts werden.

Der Gesichtsausdruck des Ritter geriet auf unheimliche Weise leer und abwesend. Es wirkte, als sei etwas auf eine endgültige unumkehrbare Art zerbrochen.
"Clay..." Er seufzte.
"Ilarion und ich haben uns sehr unterschieden. Nicht nur, weil wir verschiedenen Rassen abstammen.", begann der Ältere einen lallenden Monolog.
"Er war ein unglaublich hübscher Kerl, wickelte das Weibsvolk reihenweise um den Finger. Hatte jeden Abend mindestens eine andere." Jarel atmete tief durch. Seltsam…das schmerzte sogar jetzt noch.
"In einer Nacht zogen wir gemeinsam los. Er hatte eine besondere Nacht mit zwei rassigen Sin'Dorei organisiert. Erinnern kann ich mich kaum. Drogen... Alkohol.. Zehn Monate später wurde mir ein Säugling in die Arme gedrückt. Die zweite Hure. Sie behauptete, ihre Kollegin sei bei der Geburt gestorben und ich solle mich um das verfluchte Halblings- Kind, das sie trotz Verhütung empfangen habe selber kümmern. "
Und kleine Weile verstummte Jarel. "So wurde ich schlagartig Vater. Es hat etwas gedauert, aber ich habe ihn lieben gelernt."
Der Alkohol, der seinen Verstand benebelte, das Selbstmitleid in dem er gerade badete und die Sehnsucht nach der Heimat verklärten seine Erinnerungen, wie es so oft war, wenn man alt wurde, ganz nach dem Motto 'Früher war alles besser'.
"Mit Alystin erging es uns ähnlich. Allerdings war die Mutter keine Hure, sondern eine seiner zahlreichen Affären. Die Kleine verdreht jetzt sicher mit ihrer Schönheit den Männern den Kopf."
Fast hätte er vergessen, warum Jakob die Frage überhaupt vorgeschoben hätte. Aber nur fast.
"Tipps kann ich dir nur zwei geben. Hör auf dein Bauchgefühl. Und lass dir nicht reinreden. Du wirst es richtig machen. Du bist ein schlauer und guter Junge. Der Rest kommt von allein."
"Seine anderen Kinder wuchsen bei ihren Müttern auf. Einmal hat er Drillinge mit der Mutter eines Bekannten und ein Mädchen mit dessen Ehefrau gezeugt. Elfen sind da...recht frei. Monogamie ist da nicht angesagt."

Er redete. Gut, dann blieb er wach und bewegte sich vorwärts. Darauf, wirklich Antworten zu bekommen, spekuliert der Knappe eigentlich nicht. Umso überraschender, dass Jarel tatsächlich geistig noch so weit bei ihm war, dass er die Frage aufgenommen hatte.
Bauchgefühl.
Nicht rein quatschen lassen.
Gut, das waren zwei Dinge, denen er ohnehin oft folgte, nur ersteres ignorierte er gern. Ebenso gern hätte er nun das ungute Gefühl ignoriert, das in seinen Eingeweiden Platz beanspruchte, denn je mehr Jarel vor sich hin lallte, desto klarer wurde dem "guten Jungen", dass sein Rittervater nicht nur ein Bier gehabt hatte. Der Vergleich zu Jade drängte sich ihm auf und damit kam die Angst, dass irgendwas Furchtbares passieren würde, dem er nicht Herr würde. Jakob fiel in Schweigen, stapfte durch die dunkle Morgenstunde nordwärts, bis im Schein des Mondes und der fernen Leuchtfeuer Wyzimas die kleine Hütte auftauchte.
"Warte hier." Er setzte Jarel an einen Baum, warf ihm seinen eigenen Mantel um die Schultern - verdammt, das hätte er längst tun sollen! - und schlich zur Hütte, um sich zu vergewissern, dass dort keine böse Überraschung lauerte.

Der degradierte Ritter war tatsächlich – zumindest für die Verhältnisse eines Mannes, der fast zwei Flaschen Rum geleert und sich dazu ‚sonst noch was‘ reingepfiffen hatte – erstaunlich klar.
Später würde es Jakob vielleicht dämmern: Der Mann war lange Zeit Alkoholiker und drogenabhängig gewesen. Und für so jemanden war es typisch, dass man ihm die Trunkenheit weniger anmerkte als einer Person, die sich das Leben nicht mit dieser Sucht versaut hatte.
Während Jakob in der Hütte nach dem Rechten sah, sank der Ritter immer weiter vorn über und somit auch zusammen. Trotzdem es eigentlich nicht kalt war, zitterte der Mann. Doch an dem Zittern war seltsam. Es waren keine kleinen, vibrierenden Bewegungen. Es war eher ein ausholendes Schlottern, das Jakob wahrscheinlich mehr an Parkinson als an eine frierende Person erinnerte.
Wenn die böse Überraschung nicht in der Hütte lauerte, dann eher unter dem Baum.
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Im Inneren der Hütte war alles so, wie er es verlassen hatte. Der Ritter draußen war allerdings nicht so, wie er ihn verlassen hatte. Jakob entfuhr ein Fluch, als er im Laufschritt auf ihn zu eilte und neben Jarel auf die Knie ging, um ihn wieder etwas aufzurichten. Erstaunlich, welche Kraft in Muskeln steckte, die sich unwillkürlich spannten... Plötzlich war die Angst wieder da, das Deja-vu.
"Vater? Hörst du mich?" Der Fehler fiel ihm, durcheinander wie ihn all das brachte, gar nicht auf und es machte im Grunde auch kaum einen Unterschied, denn es war einfach, was ihn inzwischen mit Jarel verband.
Der Ritter war nicht richtig da. Sein Blick huschte unstet umher, fasste keinen Fokus und auch Antwort bekam er nicht.
Jarel atmete verkrampft und schnappend und Schweißperlen rannen seine Schläfen hinab. Etwas kündigte sich mit einem geradezu donnernden Trommelwirbel an.
Das war nicht gut, definitiv nicht. Jakob verfluchte sich dafür, nicht zum Tempel gegangen zu sein, aber jetzt war es zu spät. Mehr schleifend als tragend brachte er Jarel in die Hütte, wo sogar sein Lager aus Moos und Reiß noch lag, kaum zusammen gefallen. Es war erst ein paar Tage her, dass er hier eine Regennacht verbracht hatte, ohne zu ahnen, wie nah er der Stadt war. Daher wusste er immerhin, dass das Dach noch gut dicht war.
Sie schafften es gemeinsam bis in die Hütte, wobei der Ritter mehr auf steifen Beinen taumelte als ging und eher auf das Lager stürzte statt sich auszustrecken.
Jakob behielt eine Hand auf Jarels Brust und starrte in das im Dämmerlicht bleiche Gesicht. Wenn er die Hand auf die Stirn des Älteren legte, fühlte er kalten Schweiß und das krampfhafte Atmen sorgte dafür, dass sich auch in Jakob alles zusammen zog.
So hatte es angefangen und wäre dieser verrückte Vampir nicht gewesen, wäre Jade einfach krepiert. Die Hand auf Jarels Brust zitterte.
Der Knappe mahnte sich zur Ruhe.
Jade war Diabetikern gewesen. Jarel war vieles, aber das - hoffentlich - nicht. Dennoch zog er den Dolch, packte allerdings die in der Scheide verborgene Klinge fest, nicht das Heft.
Es dauerte weniger als eine Minute bis genau das geschah, womit Jakob gerechnet hatte.
Der Ritter verschraubte die Augen nach oben, stellte das Atmen ein und knirschte mit den Zähnen.
Dann begann das Zucken und zappeln. Mit kleinen, ruckenden Bewegungen zog der Schattenläufer die Gliedmaßen an, versteifte sich in der Embryonalhaltung und machte den Eindruck, jemand würde ihm Elektroschocks verpassen. Der Anblick war grässlich und heftig, aber schnell wieder vorbei.
Auch wenn es sich wie eine Ewigkeit anfühlte, keine drei Minuten später verließ sämtliche Spannung den geschundenen Körper und mit einem lauten Japsen setze auch die Atmung wieder ein.
Nur wach wurde der Ältere nicht. Wäre da nicht der klebrige Schweiß und der langsam herabrinnende Schaum im Mundwinkel gewesen man könnte denken, er schliefe.
Atem und Puls beruhigten sich und auch der Gesichtsausdruck wirkte entspannt.
Die Gefahr war vorüber.
Jakob konnte dabei nur zusehen und versuchen zu verhindern, dass Jarel sich verletzte, wie er es bei Henselt tat. Das er nicht völlig die Nerven verlor, war wohl diesem zu verdanken. Nur zwischen die Zähne brachte er nur den schmalsten Teil der Scheide und hoffte einfach das Beste.
Als es vorbei war, schälte Jakob sich aus all seinen Sachen bis auf Hose und Fußlappen. Das Hemd stopfte er unter Jarels Kopf, den leichten Überwurf in braun und rostrot warf er wie eine Decke über den Oberkörper des anderen.
Doch das würde nicht reichen. Feuer. Er musste Feuer machen. Der Gedanke erzeugte direkt die nächste Welle der Übelkeit, aber er suchte Holz zusammen, schälte draußen am Ufer eine Birke.
Das hatte stets jemand anderes getan. Immer. Er war nur Zuschauer gewesen. Immer.
Die Theorie war klar, er hatte sogar alles in den Taschen seines Pilgermantels, aber es brauchte Minuten und viele Blicke zu Jarel, bis er mit dem Funken schlagen begann. Beim Füttern der kleinen Flamme zitterte er so heftig, dass er zweimal von vorn beginnen musste. Dann knackte endlich das erste Holz und er zog sich etwas zurück. Nun war auch er Schweiß überzogen.
Sie waren schon ein Pärchen...
Jakob blickte in das vom winzigen Feuer erleuchtete Gesicht Jarels und erhob sich dann. Auf einem Sims hatte er eine Schale abgelegt, die er während des Regens geschnitzt hatte und oh wunder, sie war nicht gesprungen. Also Wasser holen, dann zurück. Mit frischem Moos als Ersatz für einen Schwamm tupfte er Jarels Gesicht ab, versuchte ihm auch etwas Wasser einzuflößen.
Diese dumpfe Ruhe machte ihm Sorgen, doch noch mehr sorgte er sich vor dem Erwachen. Jade hatte er gut unter Kontrolle gehabt, wenn sie ihre Ausbruchsversuche startete. Sie wog locker zwanzig Kilo weniger als er.
Aber Jarel... Jakob hatte mit Alkoholsucht keine Erfahrung, aber er kannte die Kraft, die sein Rittervater hatte. Und dann waren da die locker dreißig Kilo mehr.
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Jarel Moore
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Lange geschah nichts. Und auch nach Stunden waren die einzigen Veränderungen, dass der Ritter von der Bewustlosigkeit in einen tiefen Schlaf hinüber glitt. Nun murmelte er gelegentlich etwas, rührte sich, streckte die Glieder aus, schmatzte gelegentlich und grunzte von Zeit zu Zeit.
Die einzig von den leise ans Ufer schlagenden Wellen des Sees unterbrochene Stille war beinahe so drückend wie die Dunkelheit draußen, einzig zurückgehalten vom Feuer in der Mitte der Hütte.
Eine einschläfernde, sinnleerende Stille.
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Jakob von Nagall
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Sinnleere Stille, in der Jakobs aufgepeitschtes Gemüt allerdings keine Ruhe fand. Er quälte sich fast schon lustvoll mit Selbstvorwürfen. Die ganze Situation ging zu einem Gutteil auf sein Konto, denn er hatte seinen Emotionen wider besseren Wissens freien Lauf gelassen. Seiner Wut und seiner Enttäuschung Luft gemacht, obwohl er wusste, dass Jarel nach dieser ganzen Geschichte mental nicht auf der Höhe war und gerade er - Jakob - ihn hart verletzen konnte. Und genau das war geschehen. Die Konsequenz sah er nun vor sich und er machte sich schwere Vorwürfe deswegen, sodass es ihm den Schlaf raubte.
Mal ging er nach draußen, blickte über das Wasser, dann wanderte er in der Nähe herum. Das Mondlicht reichte zur Orientierung und im ersten Morgendämmern fand er Heidelbeeren und sammelte sie in der Schale, an einem anderen Busch wuchsen Brombeeren. Herbstboten wie die ersten raschelnden Blätter unter seinen Sohlen.
Dann kehrte er zurück, setzte sich zu Jarel, fütterte das Feuer. Grübelte. Wäre es anders gekommen, wenn er gemäßigter reagiert hätte? Hätte er darauf bestehen sollen, dass Jarel gerade gestern nicht allein blieb? Hätte er es verhindern können, irgendwie? Der Knappe suhlte sich geradezu in seiner Schuld, wie er es früher gern beim Thema Miriam getan hatte und heute zuweilen gern noch tat.
Während es draußen heller wurde, wurde es in ihm zunehmend düster.
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Jarel Moore
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Tatsächlich dauerte es bis zum Morgengrauen, bis Jarel die ersten Anzeichen des Erwachens zeigte. Er wurde unruhiger, stöhnte gepresst und seine Augenlieder begannen hektisch zu flattern.

Jakob hatte sich beschäftigt: Die Beeren in provisorische Teller aus Rinde umgelagert, die Schale wieder mit Wasser befüllt, den Boden neben Jarel mit Pestwurz bedeckt... nur für den Fall.
Als der Älter leise stöhnte, war er gleich da, legte ihm die Hand auf den Arm, fest genug, dass Kontakt spürbar war.
"Jarel?" Der Tonfall war fast genauso wie bei jenem freudschen Versprecher am Abend.

"Uhm..." Der Ältere schlug die Augen auf und verzog gleich das Gesicht. "Wo...was...?" Und sogleich versuchte er hochzukommen. Er wollte raus, und das ganz dringend. Und die würgenden Laute, die er von sich gab waren ein eindeutiger Hinweis darauf, warum.
Jakob machte keine Anstalten, ihm aufzuhelfen. Er hatte Vorkehrungen getroffen und machte sich keine Illusionen, Jarel rechtzeitig hoch und raus zu bekommen. Zumal der sich wohl kaum selbst auf den Beinen halten konnte. Die Pestwurz konnte er gut wegräumen.
In einer Mischung aus demütigendem Kriechen, Wanken und Stolpern und nur beinahe bewundernswerter Sturheit schaffte der angeschlagene Ritter es raus aus der Fischerhütte und sogar bis zu einem der niedrigen, schlanken Bäume die in der Nähe des Ufers standen.
Was ihn die Nacht über gewärmt und vermutlich von noch schlimmer werdendem Husten geschützt hatte, lag unbeachtet auf der Bettstatt aus Moos und Reisig verteilt. Jarel nahm noch nicht viel wahr in diesem umwölkten Moment. Seine Welt bestand nur aus Schwindel, Übelkeit und furchtbaren - wohlverdienten - Kopfschmerzen, von den Kleinigkeiten wie dem geschwollenen Auge, dem Brennen in den Bronchien und dem geschundenen Rücken einmal angesehen.
Das alles war ihm nicht bewusst, während er sich geräusch- und gehaltvoll übergab, weit nach Vorn gebeugt und den sich biegenden Föhrenstamm als Halt nutzend.
Erst als sein Magen gänzlich leer war und die Übelkeit in den Hintergrund trat, richtete er sich auf und fuhr sich fahrig mit dem Handrücken über die Lippen.
Und erst danach richtete der Ritter sein Augenmerk auf den Knappen und starrte ihn einen langen Moment ratlos an.
“Jakob?” Er versuchte irgendwie Haltung anzunehmen, was nur teilweise gelang. “Wo..was…was ist passiert?”
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Jakob von Nagall
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Die Sturheit seines Rittervaters hatte immer wieder überraschende Dimensionen. Jakob folgte Jarel erst mit Blicken, dann erhob er sich, verschränkte die Hände im Rücken und schlenderte mit einem Schritt Abstand hinterher. Der lässige Schein täuschte allerdings - er war auf dem Sprung, Jarel zu schnappen, sollte er stürzen, aber so langsam machte die Beklommenheit einer gewissen Neutralität Platz. In Hamburg hatte es immer geheißen: wer saufen kann, kann auch laufen. Auch wenn er nie zu den Ausreißern gehört hatte, die sich auf der Reeperbahn voll laufen ließen. Seine jugendlichen Ausbruchsaktionen waren da eher anders verlaufen.

Als Jarel seinen Mageninhalt am See deponierte, wandte der Knappe pietätvoll den Blick ab und sah erst wieder auf, als er seinen Namen hörte.
Im Morgenlicht wirkten die Augen des Jüngeren noch heller als sonst, fast wie dünn geschliffener Aventurin und sie musterten den Ritter eine ganze Weile.
"Ich hatte gehofft, du sagst es mir.", erwiderte Jakob ungewöhnlich ruhig.
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Jarel Moore
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Jarel verzog nur von sich selbst angewidert das Gesicht und schlug den Blick des nicht geschwollenen Auges zu Boden.
"Hab ich jemanden verletzt?", war seine nächste Frage, wonach er mit der Zungenspitze über seine Eckzähne fuhr.
Für Jakob eine unbekannte Geste, wollte Jarel damit prüfen, ob er sich in der Nacht verwandelt hatte.
Im nächsten Moment stach ihm selber die Unsinnigkeit dieser Annahme ins Auge
Hatte er sich verwandelt wäre er nackt aufgewacht, allein und unverletzt. Vermutlich sogar um Jahre verjüngt.
Nein. Das hier war ein gewöhnlicher Kater.
"Mist...", brummte er zwischen zwei tiefen Atemzügen, während er versuchte sich zu erinnern . "Völliger Filmriss."
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Jakob von Nagall
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Jakob lehnte sich seitlich an einen anderen Baum und betrachtete seinen Mentor noch einen weiteren Moment schweigend.
Filmriss.
Das Gefühl kannte er sogar inzwischen auch und er schwankte zwischen Mitgefühl und dem gleichen Unmut, den Jarel damals wohl gefühlt hatte. Wenn einem einfach Stunden fehlten und man keine Ahnung hatte, was man in der Zeit angerichtet hatte.
"Zumindest hast du niemanden umgebracht.", erwiderte der Knappe seufzend, zupfte ein Blatt ab und ließ es zwischen den Fingern kreiseln, den Blick darauf gerichtet.
"Meine Version.", begann er schließlich ohne aufzusehen. "Ich bin von einem dieser Träume aufgewacht, die mir zeigen, was du gerade erlebst. Der Inhalt war alarmierend, also bin ich los gezogen, dich zu suchen. Gefunden habe ich dich in einem Keller, in einem Boxring."
Erst jetzt hob er den Blick. "Betrunken." Aber das konnte sich Jarel anhand seines derzeitigen Zustandes wohl selbst zusammen reimen.
Jakob ließ das Blatt fallen und wies auf die Hütte. "Ich hab trinkbares Wasser da."
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Jarel Moore
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"Hrmpf..." Mit einer Mischung aus Verlegenheit und Erstaunen ließ Jarel diese Aussage in seinen Verstand sickern.
Sein Knappe konnte ihn empfangen. Das er in der Lage war Eindrücke und Gedanken zu übermitteln wusste er.
Das es Jakob war, zu dem er Kontakt aufnahm war auf den zweiten Blick durchaus verständlich.
Der Junge hatte feine Antennen und magische Begabung.

Jarel seufzte und richtete seinen Blick zum See.
"Trinken klingt gut... und ich sollte mich waschen."

Doch zuerst einmal war es der Durst das dringendste Problem.
"Und du hast mich da raus geholt?", fragte der Ältere, während er mit beiden Händen die Schale zu den Lippen hob und gierig trank, sich selbstverständlich vor Gier verschluckte und bellend und rollend hustete.
Er glaubte Jakob sofort und ohne die Spur eines Zweifels.
Zum einen würde sein Junge ihn nicht belügen, zum anderen schrie jede Faser seines Körpers die Wahrheit heraus.
Er war rückfällig geworden.
Verdammt.
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Jakob war Jarel erneut gefolgt wie an einem Bändchen gezogen und stand nun in der Tür, während sein Mentor das Wasser buchstäblich einatmete. Auf das Husten hin, kam er heran und klopfte Jarel auf den Rücken, auch wenn die Geste nicht viel mehr war als das: eine Geste. Er war da und er suchte zumindest nicht aktiv die Distanz, wie sonst so oft. Die Schuldgefühle plagten ihn noch immer.
Seine Hand blieb auf Jarels zerschundenem Rücken liegen. Den Mantel hatte er verloren, als er so überstürzt nach draußen gekrochen war. Nun zog Jakob ihn wieder heran und legte ihn um Jarels Schultern. Sein eigenes Hemd zog er ebenfalls wieder an.
"Du bist zum Glück mitgekommen.", erwiderte er. "Nachdem ein Zwerg dich k.o. gehaun hat."
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Der Ritter rang sich ein Lächeln ab und langsam schlich sich Schuldbewusstsein in seinen Blick.
Was sollte er sagen? Ohne Jakob wäre es vielleicht noch viel schlimmer gekommen.
"Danke...", war das einzige, was er heraus bekam, bevor er sich abermals mit schmerzerfülltem Gesicht streckte.
"Ich muss mich waschen.", erklärte er.
Er fror zwar - obwohl es im Grunde nicht kalt war - aber bei all dem, was ihm am Körper klebte und auch an seiner Seele, war es unumgänglich sich zu waschen, auch wenn er keine Seife bei sich trug.

Es sah etwas seltsam aus, aber Jakob begann in dem Mantel zu kramen, den Jarel nun trug und zog einen kleinen Beutel heraus. Viel hatte er auf seiner Pilgerfahrt nicht transportiert, aber bei dem Meister hatte der Schüler natürlich ein kleines Hygieneset dabei. Er drückte Jarel den ihm bekannten Beutel in die Hand - schließlich hatte er das Kleinod von ihm.
"Ich bleib in der Nähe. Oder brauchst du Hilfe?"

Auf Jarels Pranke wirkte das aus dem Beutel hervor gekramte Döschen noch kleiner als es eigentlich war. Etwas ungläubig starrte der Ritter darauf, hob dann den Blick und sah den Knappen seltsam an, bevor ein Rück durch seine Gestalt ging und er etwas tat, dass am Anfang der seltsamen Beziehung der beiden niemals funktioniert hätte.
Jarel zog Jakob in die Arme und legte seine Stirn auf der Schulter des Knappen ab.

Jakob ließ es geschehen, auch wenn er sich bei solchen Gesten noch immer unbeholfen fühlte. Iola hatte ihm viele Berührungsängste genommen und Jarel nahm sowieso eine besonderen Stelle ein.
Der Knappe hob eine Hand und legte sie seinem Rittervater zwischen die Schulterblätter. Er neigte sogar den Kopf leicht, sodass seine Wange ganz leicht Jarels neue Frisur berührte.
So saßen sie einen Moment, bis Jakob leise sagte: "Ist schon gut, Dad, wir haben bisher alles noch irgendwie hin gekriegt." Er verwendete diesmal den amerikanischen Begriff, fast wie ein Kosewort. Woher er all die Ruhe und Zuversicht nahm, hätte er selbst nicht erklären können.

Nur langsam sickerte die Tatsache, daß ihn Jake mit einem Kosenamen belegt hatte in Jarels Bewußtsein. Allein den Begriff kannte er nicht.
Nach einer kleinen Weile löste er sich von seinem Knappen und sah ihn mit einem leisen Lächeln fragend an.
"Was bedeutet 'Däd'?", lautete seine Frage, während er versuchte sich auf die Beine zu stemmen.
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