Stadtteil | Platz des Hierarchen
Verfasst: Mittwoch 15. Juni 2022, 10:37
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von/nach: Verlorenes Dorf südlich der Stadt -> Nowigrad
Datum: September 1275
betrifft: Silas
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Gebunden mit Dimeritium fühlte Emyja sich wie blind und taub, die Welt zu einem farblosen Brei zerflossen, dem ihre Augen nur bedingt Form geben konnten. Doch viel schlimmer war, dass gebunden mit diesen Ketten auch all ihre magischen Abschirmungen ungreifbar waren und ihre Gabe bloß und roh dalag. Die Emotionen ihrer Begleiter verursachten ein schreckliches Chaos in ihrer Brust, pressten sich ungewollt gegen ihre Seele und rieben sie auf. All die Angst und Abscheu, die Wut und auch die Wollust. Ohne den Schutz der magischen Komponente ihrer Talente war sie dem hilflos ausgeliefert, konnte nur ertragen oder spiegeln was die Ritter und Knechte über ihr ausgossen. Und in all dem Durcheinander lag auch ihre eigene Angst vergraben - ihre Angst vor dem, was kommen mochte. Vor der, für ihre Begriffe, riesigen Stadt mit all diesen hassenden Menschen, die sie brennen sehen wollten. Wieso tat man ihr das an? Wieso hatte sie nicht einfach mit Pavrina sterben dürfen? Mit jeder Stunde, die sie in diesen Fesseln lag, rieb sich ihr Innerstes mehr auf und ebenso schnell sickerte die magische Kraft aus ihr heraus, durch nichts mehr gehalten. Ihre Haut begann von innen zu schmerzen, ihre Gedanken zu kreisen.
Sie verbrachte den Ritt im Sattel vor einem Ritter und die Nächte wie ein Bündel Last zwischen Sätteln und Packtaschen. Entgegen der lauten Bekundungen und anzüglichen Bemerkungen, wagte keiner der Männer, sie anzurühren. Die Angst vor einer Hexe wie ihr war größer als jede Lust auf eine nächtliche Erleichterung und sie schürte diese Angst weiter, zu ihrem eigenen Schutz. Drohte ihnen mit ihrer vom fremden Akzent gefärbten Version der Gemeinsprache, dass ihnen die Schwänze abfaulen und die Samen vertrocknen würden, legte man auch nur unziemlich Hand an sie. Hunde waren sie. Nichts als triebgesteuerte Hunde, die dann doch den Schwanz einzogen, wenn das Opfer ihnen die Zähne zeigte und sich nicht sogleich unterwürfig auf den Rücken drehte. So und so ähnlich beschimpfte sie die Männer, bis es dem Anführer zu bunt mit ihr wurde und er ihr den eisenbeschlagenen Handschuh um die Ohren sausen ließ. Emyja fühlte noch ihre Lippe platzen, als ein scharfer Schmerz durch ihren Schädel zuckte und Dunkelheit sie einhüllte.
Als sie wieder erwachte, lag sie bäuchlings auf der Kruppe eines Pferdes. Ihr Kopf schmerzte, doch das war auch alles. Man hatte sie trotz ihrer Bewusstlosigkeit in Ruhe gelassen, fürchtete wohl ihren Fluch, obwohl sie so gebunden nicht einmal eine Fliege zum Absturz bringen könnte. Die Bewegungen des Pferdes unter ihr ließen ihren Kopf wippen und der sengende Schmerz darin, wollte den Schädel zum Bersten bringen. Nicht einmal Linderung konnte sie sich verschaffen. Unter ihr zog eine befestigte Straße dahin, ein Indiz dafür, dass sie die Stadt bald erreichen würden. Und auch die Gefühle, die von dem Reiter vor ihr auf sie nieder strömten, sprachen dafür. Freudige Erwartung, Erleichterung - vermutlich darüber, sie endlich los zu werden. Als sie bemerkten, dass sie wach war, setzte man sie wieder auf und in raschem Trab ging es weiter. Emyja fühlte getrocknetes Blut in ihrem Gesicht und Strähnen ihrer roten Locken klebten darin fest, doch niemand machte sich die Mühe, es fort zu wischen.
Am Brückenposten unweit des Stadttores hielt die Gruppe an, doch nur, um Emyja die Fesseln mit einem Seil zu verbinden und sie den Rest des Weges laufen zu lassen. Mitten durch die Stadt, bis zum Gefängnis. Sie ertrug es stoisch und mit stolz gerecktem Kinn - die Blicke und Rufe der zusammenlaufenden Menschen, die Flüche und Beteuerungen. Immerhin warf niemand etwas, dazu war der Umzug wohl zu spontan. Darauf durfte sie sich dann freuen, wenn es zum Scheiterhaufen ging, aber um ihren Stolz noch zu treffen, brauchte es mehr als dumme Beleidigungen und eine faule Tomate.
Doch auch das würden sie schaffen.
Im Gefängis zwang man sie zunächst, ihr Kleid abzulegen und ein zerschlissenes, langes Hemd über zu streifen - vor aller Augen. Die Fesseln nahm man ihr dafür nicht ab, statt dessen kam ein Messer zum Einsatz, welches nicht nur Stoff erwischte. Auch das ertrug sie irgendwie. In ihrem Kopf summten so viele Emotionen, dass sie sich ohnehin fühlte, als bestünde sie aus tausend Bildern, von denen jedes ein wenig verschoben auf dem darunter liegenden lag. Das Hemd war fleckig und bedeckte nur eine Schulter, während es auf der anderen einfach verknotet wurde. Der Stoff reichte ihre gerade bis zu den Knien und hatte mehr Löcher als das Gebiss ihres Henkers, der inzwischen hinzu gekommen war. Sie fragte sich nur sehr kurz, wieso, dann warf er sie grob auf die Knie, packte die langen, roten Locken und zog ein Messer. Emyja wehrte sich nur kurz, denn der Griff in ihr Haar war schmerzhaft und die Lust, die der Mann dabei empfand, ihr Leid zuzufügen, krallte sich ekelerregend fest in ihren Leib. Strähne um Strähne fiel die rote Lockenpracht dem Messer zum Opfer. Emyja konnte den Grund nur ahnen - Pavrina hatte ihr erzählt, dass die Zauberinnen ihr Haar offen trugen, zum Zeichen ihrer Freiheit und Unabhängigkeit. So hatten auch sie und Emyja es gehalten. Ihr nun dieses Haar zu nehmen, war ein Machtbeweis und Zugleich ein Zeichen, dass sie ihre Freiheit verwirkt hatte.
Als der Henker fertig war, kniete sie in einem Haufen aus rotem Haar, Bändern und Perlen. Ihre Kopfhaut brannte von Messerschnitten und eiskalte Tränen rannen über ihre Wangen.
Die Fahrt zum Platz des Hierarchen war die nächste Prüfung für die junge Frau, denn diesmal war die Menge bewaffnet mit faulem Gemüse und Eiern. Es musste sich herum gesprochen haben, dass heute eine wahre Teuflin brennen sollte und die Attraktion war entsprechend gut besucht. Emyja ballte die gefesselten Fäuste im Rücken und schluckte die zornigen Worte, die aufgepeitscht durch den sie flutenden Hass der Menge, auf ihrer Zunge brannten. Es würde nichts besser machen und auch nicht helfen. Mit saftigen Laut klatschte eine alte Tomate gegen ihren ohnehin schmerzenden Schädel.
Es war wie ein Volksfest. Wie nur konnten die Leute so schnell davon erfahren haben? Sie waren doch erst seit ein paar Stunden in der Stadt. Die Antwort lieferte ein städtischer Beamter, der bereits bei dem frisch errichteten Scheiterhaufen auf sie wartete und nun zu Emyja auf den Karren kletterte. Ihre grünen Augen richteten sich auf ihn, nagelten eisige Blicke auf sein Gesicht, doch er schien sich seiner Sache ganz sicher und von ihm ging weder Angst aus, noch sonst eine nennenswerte Emotion. Er wusste, dass sie ihm nichts tun konnte.
"Bürger!", rief er mit kräftiger Stimme. "Seine Heiligkeit hat die Ritter unserer Mutter Kirche zu Eurem Schutze entsandt, die Ungeheuer zu fangen und zu vernichten, die Eure Familien bedrohen, Eure Frauen unfruchtbar und Eure Kinder krank machen! HIER seht ihr eines davon! Die schreckliche Hexe, die mit ihren Flüchen ein ganzes Dorf in den Untergang gesandt hat!"
Es machte KLICK. "Es war eine Seuche, Narr.", presste Emyja zwischen den Zähnen hindurch.
"Wohl wahr! Eine Krankheit, die DU auf sie nieder gerufen hast, Hexe!", plusterte sich der Beamte auf und entrollte mit großer Geste ein Papier, um Anklage und Urteil zu verlesen. Emyja hörte nicht mehr zu. Daher also der Auflauf. Ihr Prozess war schon gelaufen, als sie noch auf dem Weg gewesen war und das Datum ihrer Hinrichtung bereits bekannt, als sie eintraf. Daher wusste die blutrünstige Meute natürlich Bescheid. Sie wandte den Kopf, blickte über die Köpfe der Menschen hinweg, die ihren Tod wollten und deren Emotionen ihre Sinne so heiß überfluteten, dass es fast schon wie die ersten Flammenzungen war.
Hass. Ekel. Gier.
Wut. Ehrliche Wut. Wut, die sich anders anfühlte und darum heraus stach.
Emyjas Augen glitten über Gesichter und blieben an einem hängen. Saphirblaue Augen. Leuchtend wie die einer Fee. Sie erinnerte sich an einen Patienten, der vor vielen Jahren bei ihr gewesen war, weil ein Tierbiss sich böse entzündet hatte. Seine Augen waren von ähnlich intensiver Farbe gewesen, nur hatte nicht solche eine unbändige Wut darin gestanden. Im ersten Moment bezog sie die Wut natürlich auf sich, denn alle hier waren scheinbar entweder wütend auf sie oder brannten darauf, den Tod zu sehen. Doch dann erkannte sie, dass diese Augen zwar zu ihrem Karren hin gerichtet waren, aber den Beamten fixierten, nicht sie. Es gab also auch Zuschauer, die nicht einverstanden waren. Aber was nutzte es ihr? Niemand war verrückt genug, Partei für eine zu Tode verurteilte Hexe zu ergreifen.
Langsam kehrte Emyjas Blick zu dem Beamten zurück, gerade als dieser damit endete, dass man sie aufgrund all dieser Vergehen nun auf dem Scheiterhaufen in der reinigenden Flamme läutern wolle. Und plötzlich wollte sie, dass auch er Angst hatte und hasste und zitterte. Ihre Lippen verzogen sich etwas, die spröde Haut sprang wieder auf und Blut färbte sie. "Ich werde dich verfolgen. Ich werde in deine Träume kommen. In dein Haus. Ich werde dein Glück fressen." Ihre Worte zeigten Wirkung: der Mann wich zurück und wäre fast vom Karren gestürzt. Sein Schreck brachte ihr ein wenig Genugtuung, doch es währte nur kurz. Der Befehl, sie auf das Holz zu stellen, wurde erteilt und man zerrte sie vom Karren. Unwillkürlich flog ihr Kopf herum und suchte noch einmal die blauen Augen, suchte die rechtschaffene Wut, um sich selbst daran zu stärken.
Man band sie an den Pfahl.
"Ihr dummen Kinder! Ihr ängstlichen Menschen! Macht so weiter, verbrennt all jene, die im Stande sind, eure zerbrechlichen Körper und zerstörten Seelen zusammenzuflicken. Die, die sich selbst dann noch in eure von Seuchen zerfressenen Dörfer wagen, wenn die Ritter schon auf Befehl eures liebenden Herrschers ihre Fackeln entzünden! Ihr vernichtet euch selbst!" Worte, die heraus wollten, zusammen mit dem Zorn über so viel Unverstand.
von/nach: Verlorenes Dorf südlich der Stadt -> Nowigrad
Datum: September 1275
betrifft: Silas
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Gebunden mit Dimeritium fühlte Emyja sich wie blind und taub, die Welt zu einem farblosen Brei zerflossen, dem ihre Augen nur bedingt Form geben konnten. Doch viel schlimmer war, dass gebunden mit diesen Ketten auch all ihre magischen Abschirmungen ungreifbar waren und ihre Gabe bloß und roh dalag. Die Emotionen ihrer Begleiter verursachten ein schreckliches Chaos in ihrer Brust, pressten sich ungewollt gegen ihre Seele und rieben sie auf. All die Angst und Abscheu, die Wut und auch die Wollust. Ohne den Schutz der magischen Komponente ihrer Talente war sie dem hilflos ausgeliefert, konnte nur ertragen oder spiegeln was die Ritter und Knechte über ihr ausgossen. Und in all dem Durcheinander lag auch ihre eigene Angst vergraben - ihre Angst vor dem, was kommen mochte. Vor der, für ihre Begriffe, riesigen Stadt mit all diesen hassenden Menschen, die sie brennen sehen wollten. Wieso tat man ihr das an? Wieso hatte sie nicht einfach mit Pavrina sterben dürfen? Mit jeder Stunde, die sie in diesen Fesseln lag, rieb sich ihr Innerstes mehr auf und ebenso schnell sickerte die magische Kraft aus ihr heraus, durch nichts mehr gehalten. Ihre Haut begann von innen zu schmerzen, ihre Gedanken zu kreisen.
Sie verbrachte den Ritt im Sattel vor einem Ritter und die Nächte wie ein Bündel Last zwischen Sätteln und Packtaschen. Entgegen der lauten Bekundungen und anzüglichen Bemerkungen, wagte keiner der Männer, sie anzurühren. Die Angst vor einer Hexe wie ihr war größer als jede Lust auf eine nächtliche Erleichterung und sie schürte diese Angst weiter, zu ihrem eigenen Schutz. Drohte ihnen mit ihrer vom fremden Akzent gefärbten Version der Gemeinsprache, dass ihnen die Schwänze abfaulen und die Samen vertrocknen würden, legte man auch nur unziemlich Hand an sie. Hunde waren sie. Nichts als triebgesteuerte Hunde, die dann doch den Schwanz einzogen, wenn das Opfer ihnen die Zähne zeigte und sich nicht sogleich unterwürfig auf den Rücken drehte. So und so ähnlich beschimpfte sie die Männer, bis es dem Anführer zu bunt mit ihr wurde und er ihr den eisenbeschlagenen Handschuh um die Ohren sausen ließ. Emyja fühlte noch ihre Lippe platzen, als ein scharfer Schmerz durch ihren Schädel zuckte und Dunkelheit sie einhüllte.
Als sie wieder erwachte, lag sie bäuchlings auf der Kruppe eines Pferdes. Ihr Kopf schmerzte, doch das war auch alles. Man hatte sie trotz ihrer Bewusstlosigkeit in Ruhe gelassen, fürchtete wohl ihren Fluch, obwohl sie so gebunden nicht einmal eine Fliege zum Absturz bringen könnte. Die Bewegungen des Pferdes unter ihr ließen ihren Kopf wippen und der sengende Schmerz darin, wollte den Schädel zum Bersten bringen. Nicht einmal Linderung konnte sie sich verschaffen. Unter ihr zog eine befestigte Straße dahin, ein Indiz dafür, dass sie die Stadt bald erreichen würden. Und auch die Gefühle, die von dem Reiter vor ihr auf sie nieder strömten, sprachen dafür. Freudige Erwartung, Erleichterung - vermutlich darüber, sie endlich los zu werden. Als sie bemerkten, dass sie wach war, setzte man sie wieder auf und in raschem Trab ging es weiter. Emyja fühlte getrocknetes Blut in ihrem Gesicht und Strähnen ihrer roten Locken klebten darin fest, doch niemand machte sich die Mühe, es fort zu wischen.
Am Brückenposten unweit des Stadttores hielt die Gruppe an, doch nur, um Emyja die Fesseln mit einem Seil zu verbinden und sie den Rest des Weges laufen zu lassen. Mitten durch die Stadt, bis zum Gefängnis. Sie ertrug es stoisch und mit stolz gerecktem Kinn - die Blicke und Rufe der zusammenlaufenden Menschen, die Flüche und Beteuerungen. Immerhin warf niemand etwas, dazu war der Umzug wohl zu spontan. Darauf durfte sie sich dann freuen, wenn es zum Scheiterhaufen ging, aber um ihren Stolz noch zu treffen, brauchte es mehr als dumme Beleidigungen und eine faule Tomate.
Doch auch das würden sie schaffen.
Im Gefängis zwang man sie zunächst, ihr Kleid abzulegen und ein zerschlissenes, langes Hemd über zu streifen - vor aller Augen. Die Fesseln nahm man ihr dafür nicht ab, statt dessen kam ein Messer zum Einsatz, welches nicht nur Stoff erwischte. Auch das ertrug sie irgendwie. In ihrem Kopf summten so viele Emotionen, dass sie sich ohnehin fühlte, als bestünde sie aus tausend Bildern, von denen jedes ein wenig verschoben auf dem darunter liegenden lag. Das Hemd war fleckig und bedeckte nur eine Schulter, während es auf der anderen einfach verknotet wurde. Der Stoff reichte ihre gerade bis zu den Knien und hatte mehr Löcher als das Gebiss ihres Henkers, der inzwischen hinzu gekommen war. Sie fragte sich nur sehr kurz, wieso, dann warf er sie grob auf die Knie, packte die langen, roten Locken und zog ein Messer. Emyja wehrte sich nur kurz, denn der Griff in ihr Haar war schmerzhaft und die Lust, die der Mann dabei empfand, ihr Leid zuzufügen, krallte sich ekelerregend fest in ihren Leib. Strähne um Strähne fiel die rote Lockenpracht dem Messer zum Opfer. Emyja konnte den Grund nur ahnen - Pavrina hatte ihr erzählt, dass die Zauberinnen ihr Haar offen trugen, zum Zeichen ihrer Freiheit und Unabhängigkeit. So hatten auch sie und Emyja es gehalten. Ihr nun dieses Haar zu nehmen, war ein Machtbeweis und Zugleich ein Zeichen, dass sie ihre Freiheit verwirkt hatte.
Als der Henker fertig war, kniete sie in einem Haufen aus rotem Haar, Bändern und Perlen. Ihre Kopfhaut brannte von Messerschnitten und eiskalte Tränen rannen über ihre Wangen.
Die Fahrt zum Platz des Hierarchen war die nächste Prüfung für die junge Frau, denn diesmal war die Menge bewaffnet mit faulem Gemüse und Eiern. Es musste sich herum gesprochen haben, dass heute eine wahre Teuflin brennen sollte und die Attraktion war entsprechend gut besucht. Emyja ballte die gefesselten Fäuste im Rücken und schluckte die zornigen Worte, die aufgepeitscht durch den sie flutenden Hass der Menge, auf ihrer Zunge brannten. Es würde nichts besser machen und auch nicht helfen. Mit saftigen Laut klatschte eine alte Tomate gegen ihren ohnehin schmerzenden Schädel.
Es war wie ein Volksfest. Wie nur konnten die Leute so schnell davon erfahren haben? Sie waren doch erst seit ein paar Stunden in der Stadt. Die Antwort lieferte ein städtischer Beamter, der bereits bei dem frisch errichteten Scheiterhaufen auf sie wartete und nun zu Emyja auf den Karren kletterte. Ihre grünen Augen richteten sich auf ihn, nagelten eisige Blicke auf sein Gesicht, doch er schien sich seiner Sache ganz sicher und von ihm ging weder Angst aus, noch sonst eine nennenswerte Emotion. Er wusste, dass sie ihm nichts tun konnte.
"Bürger!", rief er mit kräftiger Stimme. "Seine Heiligkeit hat die Ritter unserer Mutter Kirche zu Eurem Schutze entsandt, die Ungeheuer zu fangen und zu vernichten, die Eure Familien bedrohen, Eure Frauen unfruchtbar und Eure Kinder krank machen! HIER seht ihr eines davon! Die schreckliche Hexe, die mit ihren Flüchen ein ganzes Dorf in den Untergang gesandt hat!"
Es machte KLICK. "Es war eine Seuche, Narr.", presste Emyja zwischen den Zähnen hindurch.
"Wohl wahr! Eine Krankheit, die DU auf sie nieder gerufen hast, Hexe!", plusterte sich der Beamte auf und entrollte mit großer Geste ein Papier, um Anklage und Urteil zu verlesen. Emyja hörte nicht mehr zu. Daher also der Auflauf. Ihr Prozess war schon gelaufen, als sie noch auf dem Weg gewesen war und das Datum ihrer Hinrichtung bereits bekannt, als sie eintraf. Daher wusste die blutrünstige Meute natürlich Bescheid. Sie wandte den Kopf, blickte über die Köpfe der Menschen hinweg, die ihren Tod wollten und deren Emotionen ihre Sinne so heiß überfluteten, dass es fast schon wie die ersten Flammenzungen war.
Hass. Ekel. Gier.
Wut. Ehrliche Wut. Wut, die sich anders anfühlte und darum heraus stach.
Emyjas Augen glitten über Gesichter und blieben an einem hängen. Saphirblaue Augen. Leuchtend wie die einer Fee. Sie erinnerte sich an einen Patienten, der vor vielen Jahren bei ihr gewesen war, weil ein Tierbiss sich böse entzündet hatte. Seine Augen waren von ähnlich intensiver Farbe gewesen, nur hatte nicht solche eine unbändige Wut darin gestanden. Im ersten Moment bezog sie die Wut natürlich auf sich, denn alle hier waren scheinbar entweder wütend auf sie oder brannten darauf, den Tod zu sehen. Doch dann erkannte sie, dass diese Augen zwar zu ihrem Karren hin gerichtet waren, aber den Beamten fixierten, nicht sie. Es gab also auch Zuschauer, die nicht einverstanden waren. Aber was nutzte es ihr? Niemand war verrückt genug, Partei für eine zu Tode verurteilte Hexe zu ergreifen.
Langsam kehrte Emyjas Blick zu dem Beamten zurück, gerade als dieser damit endete, dass man sie aufgrund all dieser Vergehen nun auf dem Scheiterhaufen in der reinigenden Flamme läutern wolle. Und plötzlich wollte sie, dass auch er Angst hatte und hasste und zitterte. Ihre Lippen verzogen sich etwas, die spröde Haut sprang wieder auf und Blut färbte sie. "Ich werde dich verfolgen. Ich werde in deine Träume kommen. In dein Haus. Ich werde dein Glück fressen." Ihre Worte zeigten Wirkung: der Mann wich zurück und wäre fast vom Karren gestürzt. Sein Schreck brachte ihr ein wenig Genugtuung, doch es währte nur kurz. Der Befehl, sie auf das Holz zu stellen, wurde erteilt und man zerrte sie vom Karren. Unwillkürlich flog ihr Kopf herum und suchte noch einmal die blauen Augen, suchte die rechtschaffene Wut, um sich selbst daran zu stärken.
Man band sie an den Pfahl.
"Ihr dummen Kinder! Ihr ängstlichen Menschen! Macht so weiter, verbrennt all jene, die im Stande sind, eure zerbrechlichen Körper und zerstörten Seelen zusammenzuflicken. Die, die sich selbst dann noch in eure von Seuchen zerfressenen Dörfer wagen, wenn die Ritter schon auf Befehl eures liebenden Herrschers ihre Fackeln entzünden! Ihr vernichtet euch selbst!" Worte, die heraus wollten, zusammen mit dem Zorn über so viel Unverstand.