Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Dienstag 20. Dezember 2022, 07:23
Dunkel. Es war endlich dunkel.
Wie sehr die ständig brennende Schale im Raum an seinen Nerven gekratzt hatte, merkte er erst wirklich, als sie endlich erloschen war. Und auch wenn es noch lange dauerte, bis er sein aufgewühltes Inneres beruhigt hatte, so fiel er doch das erste Mal hier drin wirklich in tiefen Schlaf. Nicht lang, doch weit effektiver, als alles vorher. Als er erwachte, brauchte er einen Moment, um sich zu orientieren und seine Gedanken zu sortieren. Die Erinnerung war schnell wieder da, doch diesmal konnte er ihr etwas ruhiger begegnen. Mit der gleichen stoischen Ruhe, begann er sich das Leinen, das die Wunden sauber und die Salbe an Ort und Stelle hielt, von seinem Rücken zu schälen, wobei er wie so oft recht gnadenlos mit sich umging. Seine Gedanken kreisten um das gestrige Gespräch, seine Hände zogen und zerrten, rissen Schorf und Hautfetzen mit klebrigen Salbenresten ab. Das schmutzige Tuch knüllte er zusammen und warf es grob in eine Richtung, in der er eine Ecke erahnte. Dann rutschte er von dem schmalen, harten Bett und legte sich ungeachtet von Ölresten und Apfelsaft in Büßerhaltung auf den kühlen Boden. Erst murmelte er Gebete, manche aus dem Christentum, andere von diesem seinem neuen Glauben, dann verfiel er irgendwann in Schweigen.
Kalt war es von unten.
Das war gut. Das hielt ihn wach. Hielt ihn am Denken.
Was war vorhin passiert? Er versuchte sich Jarels Worte in Erinnerung zu rufen, doch immer, wenn er glaubte, soweit zu sein, sah er wieder die Narbe vor sich - frisch verheilt und genau an der Stelle, in die er im Traum ein Messer gerammt hatte. Ein traum, der nur zum Teil einer war. Dann presste er die Lider fester aufeinander und begann von vorn. Er kannte Jarels Vergangenheit, wusste um viele blutige Details aus dem Leben des ehemaligen Schattenläufers, doch beim Feuer, er hatte sich vorgemacht, Jarel habe damit abgeschlossen. Mit dem Krieg, mit dem Meucheln. Sei hier im Orden zu etwas anderem geworden, etwas oder besser jemand, zu dem man aufsehen konnte. Konnte er das jetzt noch? Wieder das Gefühl der Klinge. Wieder von vorn.
Jemand klopfte. Rief. Rüttelte an der Tür. Jakob ignorierte ihn und begann von neuem die Gesprächsfetzen durchzugehen, die ihm im Gedächtnis geblieben waren. Eine Verbindung, der Schatten, der Traum. Eine Verbindung, die sich richtig angefühlt hatte, die er aber nun nicht mehr finden konnte. Und wenn er sie je wiederfand, wie konnte er wissen, was Wahrheit war und was Täuschung? Und wenn er sie fand, den Weg, den zu gehen er sich entschlossen hatte weiter ging... entschieden, bevor er wusste... wusste... Doch konnte man die Waffe verurteilen für das, was die Hand, die sie führte damit anrichtete? Ein Küchenmesser konnte zum Kochen benutzt werden oder zum Morden. Und die Schatten? Weiter.... weiter... Nilfgaard. Es waren Nilfgaarder gewesen, hatte Jarel gesagt. Ein Vorposten, der die Stadttore öffnen sollte - wie auch immer. Das Leben von wenigen gegen das Leben von vielen. Diskussionen, die er zur Genüge kannte, Entscheidung, die er gottlob niemals hatte fällen müssen. Gut, er konnte die Entscheidung akzeptieren. Doch wieso so, wieso nicht offen und wie es hier nun einmal üblich war, Mann gegen Mann? Schwert gegen Schild? Wieso am Lagerfeuer und aus dem Nichts heraus? Warum nicht am Besten noch beim Scheißen?
Schnitt.
War er weg gedämmert? Seine Muskeln waren kalt und steif, seine Haut klamm, doch er blieb liegen. Er kannte das. Kirchenböden waren nicht weniger kalt, dafür härter. Er murmelte das nächste Gebet, fing dann wieder an zu Grübeln, doch weit kam er nicht mit seinen Gedanken, da klopfte es erneut. Bereit auch diesmal wieder alles zu ignorieren, was von draußen herein drang, fokussierte er sich nach innen...
"Jakob? He, Jakob, mach die Tür auf!"
War das Henselt? Wieso zum Geier lungerte der vor seiner Tür rum und wieso durfte der überhaupt schon wieder raus? Jakob biss die Zähne aufeinander und schwieg.
"Jakob!!" Es klopfte und klopfte.
"Verschwinde!", bellte Jakob schließlich nach schier endlosem Rufen und Klopfen zurück. Seine Stimme war rau als hätte er gezecht und schmerzte in der Kehle. Dabei konnte er sich nicht erinnern viel herum geschrien zu haben. Aber so war es manchmal. An besonders schlimme Ausbrüche erinnerte er sich nur bruchstückhaft.
"Erst, wenn du die Tür aufmachst!", antwortete Henselt prompt.
"Nein, hau ab. Du störst meine Meditation.", war das Letzte, was Henselt vorerst von Jakob hören sollte. Der verfiel wieder in Grübeleien, diesmal über den Sinn seines Daseins. Die Frage, was der HERR oder auch das Feuer mit ihm vorhatten. Über den Weg, den zu gehen man für ihn vorgesehen hatte und wieso er scheinbar immer die falschen Abzweige wählte. Ihre Prüfungen, die er nicht verstand und wohl nie verstehen würde. Er versuchte seine Ziele neu zu definieren und während all dem rief und redete Henselt, bis er schließlich irgendwann proklamierte, sich jetzt hier vor die Tür zu setzen und nicht eher zu gehen, bevor Jakob nicht aufmachte. Dieser antwortete weiterhin nicht, sondern lag im Dunkel und taumelte zwischen Trance und Wachsein.
Ein Geräusch weckte ihn. Ein Geräusch, dass ihm wie immer bis ins Mark stieß und dafür sorgte, dass er sich fluchend auf die Füße kämpfte: das Knirschen und Knacken von Zähnen. Hektisch zerrte er an dem Stuhlbein herum, das unter die Tür geklemmt war und für dessen Herauslösen er eine gefühlte Ewigkeit brauchte. Dann war die Tür endlich frei und er riss sie auf...
...nur um sich einem grinsenden Henselt mit einer Kerze gegenüber zu sehen, der den überraschten Jakob einfach rückwärts in seine Zelle drängte und die Tür wieder schloss.
"Bastard.", war das einzige, was Jakob hervor brachte - wütend, darauf herein gefallen zu sein.
"Oh glaub mir, mein Freund, meine Ahnreihe ist tadellos. Es freut mich auch, dich wohlauf zu sehen. Dunkel hast du's hier. Bist du des Lichts unseres Ewigen Feuers überdrüssig?", plauderte Henselt munter drauf los.
Jakob schnaubte nur und setzte sich auf seine Pritsche. Die Kerze, die Henselt mitgebracht hatte, warf für seine seit Stunden an die Schwärze gewöhnten Augen, grelles Licht. Der andere Knappe sah sich um, entdeckte die von Jarel herein geschmuggelten Lebensmittel und stieß einen seltsam quietschenden Laut aus. "Schinken? Käse??"
"Bedien' dich, aber untersteh dich, hier rein zu kotzen.", murrte Jakob, der widerwillig eingestehen musste, dass er sich doch über die unverhoffte Gesellschaft freute. Henselt hockte sich zu Jakob auf die Pritsche und pickte eine Scheibe Schinken von dem Tuch. Seelig kaute er daran herum. "Warum hafft denn ffugeffperrt?"
Jakob verdrehte die Augen. Seine Kinderstube beinhaltete das Kauen mit geschlossenem Mund und das Reden, wenn nichts zwischen den Zähnen einweichte. Hierzulande war das durchaus schon mal anders, aber er konnte es dennoch nicht leiden. Henselt wusste das, aber er provozierte gern. Da Jakob ihm allerdings nicht antwortete, sondern nur mit auf den Knien abgestützten Armen da saß und einen Punkt tief unter der Erde betrachtete, wurde auch der andere Knappe etwas ernster, schluckte und streckte die Beine aus. "Red' schon." Er knuffte ihn mit einem angedeuteten Tritt gegen den Oberschenkel.
"Ich war wütend."
"Klar. Auf was diesmal?" Als Jakob wieder nur schnaubte, hob Henselt die Hände. "Schon gut. Was also?"
Zögerlich und unter Auslassung vieler Details umriss Jakob knapp seine Ansicht, dass sein Ritter nicht all die Grundsätze des Ordens befolgte, indem er auch Menschen nicht verschonte und dabei äußerst hinterhältig vorging. Er blieb dabei sehr vage. Zwar vertraute er Henselt und würde seine Hand dafür ins Feuer legen, dass er nichts weiter erzählte, aber Jarel in Schwierigkeiten bringen wollte er auch nicht.
Henselt pickte unterdes weiter am Essen. "Sei doch froh, deiner nimmt wenigstens nur das Schwert aus Stahl für seine Umtriebigkeiten. Meiner kommt dauernd mit Liebesmalen aus der Stadt zurück und versucht sie mit Kragen und Kapuze zu verstecken. Als ob ich ihm nicht beim Ankleiden helfen müsste und nicht wüsste, was ich sehe. Sogar auf der Glatze!"
Jakob schwieg, denn genaugenommen trieb sich Jarel mit beiden Schwertern um, aber das würde er Henselt ganz sicher nicht auf die Nase binden.
"Ich hab mir wohl zu viel versprochen, von all der ehrenhaften Ritterschaft.", murmelte er stattdessen.
Henselt warf sich ein Stück Käse in den Mund, war so gnädig erst zu kauen und dann zu antworten: "Ach weißt du, ich seh's so - diese alten Männer sind dazu da, uns bis zum Ritterschlag zu bringen. Was wir dann aus dem Rittersein machen, liegt an uns. Nur weil Dampfhammer in der Stadt rumhurt, muss ich das ja nicht auch machen. Obwohl... Au!" Jakob hatte ihm einen Klaps auf den Hinterkopf versetzt. Aber er lächelte dabei schon fast wieder.
"Durchhalten bis zur Ritterschaft also?"
"Klar." Henselt grinste. "Und dann selbst die schönsten Mädchen... also für sie singen und so."
"Gedichte schreiben."
"Ja, ja ja, genau."
Plötzlich lachten sie. Jakob war nicht gerade bedeutend leichter ums Herz, aber mit Henselt ließ sich alles irgendwie anders sehen. Er wusste natürlich, dass die Beziehung von Tannenfels zu Henselt bei weitem nicht so eng war wie die zwischen Jarel und ihm, aber der Ansatz war ausbaufähig. Er musste sein Leben, seine Ideale von denen Jarels trennen, sonst würde er niemals weiter kommen, sondern immer hinter ihm her trotten. Seine eigenen Werte und seine Moral festigen, dabei die Waffen entgegen nehmen, die Jarel ihm geben konnte. Und sie klug gebrauchen - vielleicht klüger. Und vielleicht gehörte auch dazu, ihm die Stirn zu bieten, statt sich zurück zu ziehen wie er es im Grunde schon immer tat. Hinein in körperliche Ausbrüche gegen sich und die Welt, anstatt in Konfrontation. Bei Alexej war es so gewesen und nun im Grunde auch bei Jarel. Er hatte ihn raus geworfen und gewütet, anstatt in Diskurs zu gehen. Ob er das konnte? Es lernen konnte? Er konnte es nur versuchen. Entweder es eskalierte, weil er sich wieder nicht im Griff hatte oder es - wurde etwas daraus. Irgendetwas.
"Danke Henselt. Und jetzt verschwinde, bevor das Kalb hier auftaucht."
"Bruder Kebal?" Henselt verzog das Gesicht und immitierte Kebals Überbiss, was Jakob wieder zum Grinsen brachte. Dann sprang er auf, stahl den Rest Käse und verschwand.
Die Tür blockierte Jakob nicht wieder.
Wie sehr die ständig brennende Schale im Raum an seinen Nerven gekratzt hatte, merkte er erst wirklich, als sie endlich erloschen war. Und auch wenn es noch lange dauerte, bis er sein aufgewühltes Inneres beruhigt hatte, so fiel er doch das erste Mal hier drin wirklich in tiefen Schlaf. Nicht lang, doch weit effektiver, als alles vorher. Als er erwachte, brauchte er einen Moment, um sich zu orientieren und seine Gedanken zu sortieren. Die Erinnerung war schnell wieder da, doch diesmal konnte er ihr etwas ruhiger begegnen. Mit der gleichen stoischen Ruhe, begann er sich das Leinen, das die Wunden sauber und die Salbe an Ort und Stelle hielt, von seinem Rücken zu schälen, wobei er wie so oft recht gnadenlos mit sich umging. Seine Gedanken kreisten um das gestrige Gespräch, seine Hände zogen und zerrten, rissen Schorf und Hautfetzen mit klebrigen Salbenresten ab. Das schmutzige Tuch knüllte er zusammen und warf es grob in eine Richtung, in der er eine Ecke erahnte. Dann rutschte er von dem schmalen, harten Bett und legte sich ungeachtet von Ölresten und Apfelsaft in Büßerhaltung auf den kühlen Boden. Erst murmelte er Gebete, manche aus dem Christentum, andere von diesem seinem neuen Glauben, dann verfiel er irgendwann in Schweigen.
Kalt war es von unten.
Das war gut. Das hielt ihn wach. Hielt ihn am Denken.
Was war vorhin passiert? Er versuchte sich Jarels Worte in Erinnerung zu rufen, doch immer, wenn er glaubte, soweit zu sein, sah er wieder die Narbe vor sich - frisch verheilt und genau an der Stelle, in die er im Traum ein Messer gerammt hatte. Ein traum, der nur zum Teil einer war. Dann presste er die Lider fester aufeinander und begann von vorn. Er kannte Jarels Vergangenheit, wusste um viele blutige Details aus dem Leben des ehemaligen Schattenläufers, doch beim Feuer, er hatte sich vorgemacht, Jarel habe damit abgeschlossen. Mit dem Krieg, mit dem Meucheln. Sei hier im Orden zu etwas anderem geworden, etwas oder besser jemand, zu dem man aufsehen konnte. Konnte er das jetzt noch? Wieder das Gefühl der Klinge. Wieder von vorn.
Jemand klopfte. Rief. Rüttelte an der Tür. Jakob ignorierte ihn und begann von neuem die Gesprächsfetzen durchzugehen, die ihm im Gedächtnis geblieben waren. Eine Verbindung, der Schatten, der Traum. Eine Verbindung, die sich richtig angefühlt hatte, die er aber nun nicht mehr finden konnte. Und wenn er sie je wiederfand, wie konnte er wissen, was Wahrheit war und was Täuschung? Und wenn er sie fand, den Weg, den zu gehen er sich entschlossen hatte weiter ging... entschieden, bevor er wusste... wusste... Doch konnte man die Waffe verurteilen für das, was die Hand, die sie führte damit anrichtete? Ein Küchenmesser konnte zum Kochen benutzt werden oder zum Morden. Und die Schatten? Weiter.... weiter... Nilfgaard. Es waren Nilfgaarder gewesen, hatte Jarel gesagt. Ein Vorposten, der die Stadttore öffnen sollte - wie auch immer. Das Leben von wenigen gegen das Leben von vielen. Diskussionen, die er zur Genüge kannte, Entscheidung, die er gottlob niemals hatte fällen müssen. Gut, er konnte die Entscheidung akzeptieren. Doch wieso so, wieso nicht offen und wie es hier nun einmal üblich war, Mann gegen Mann? Schwert gegen Schild? Wieso am Lagerfeuer und aus dem Nichts heraus? Warum nicht am Besten noch beim Scheißen?
Schnitt.
War er weg gedämmert? Seine Muskeln waren kalt und steif, seine Haut klamm, doch er blieb liegen. Er kannte das. Kirchenböden waren nicht weniger kalt, dafür härter. Er murmelte das nächste Gebet, fing dann wieder an zu Grübeln, doch weit kam er nicht mit seinen Gedanken, da klopfte es erneut. Bereit auch diesmal wieder alles zu ignorieren, was von draußen herein drang, fokussierte er sich nach innen...
"Jakob? He, Jakob, mach die Tür auf!"
War das Henselt? Wieso zum Geier lungerte der vor seiner Tür rum und wieso durfte der überhaupt schon wieder raus? Jakob biss die Zähne aufeinander und schwieg.
"Jakob!!" Es klopfte und klopfte.
"Verschwinde!", bellte Jakob schließlich nach schier endlosem Rufen und Klopfen zurück. Seine Stimme war rau als hätte er gezecht und schmerzte in der Kehle. Dabei konnte er sich nicht erinnern viel herum geschrien zu haben. Aber so war es manchmal. An besonders schlimme Ausbrüche erinnerte er sich nur bruchstückhaft.
"Erst, wenn du die Tür aufmachst!", antwortete Henselt prompt.
"Nein, hau ab. Du störst meine Meditation.", war das Letzte, was Henselt vorerst von Jakob hören sollte. Der verfiel wieder in Grübeleien, diesmal über den Sinn seines Daseins. Die Frage, was der HERR oder auch das Feuer mit ihm vorhatten. Über den Weg, den zu gehen man für ihn vorgesehen hatte und wieso er scheinbar immer die falschen Abzweige wählte. Ihre Prüfungen, die er nicht verstand und wohl nie verstehen würde. Er versuchte seine Ziele neu zu definieren und während all dem rief und redete Henselt, bis er schließlich irgendwann proklamierte, sich jetzt hier vor die Tür zu setzen und nicht eher zu gehen, bevor Jakob nicht aufmachte. Dieser antwortete weiterhin nicht, sondern lag im Dunkel und taumelte zwischen Trance und Wachsein.
Ein Geräusch weckte ihn. Ein Geräusch, dass ihm wie immer bis ins Mark stieß und dafür sorgte, dass er sich fluchend auf die Füße kämpfte: das Knirschen und Knacken von Zähnen. Hektisch zerrte er an dem Stuhlbein herum, das unter die Tür geklemmt war und für dessen Herauslösen er eine gefühlte Ewigkeit brauchte. Dann war die Tür endlich frei und er riss sie auf...
...nur um sich einem grinsenden Henselt mit einer Kerze gegenüber zu sehen, der den überraschten Jakob einfach rückwärts in seine Zelle drängte und die Tür wieder schloss.
"Bastard.", war das einzige, was Jakob hervor brachte - wütend, darauf herein gefallen zu sein.
"Oh glaub mir, mein Freund, meine Ahnreihe ist tadellos. Es freut mich auch, dich wohlauf zu sehen. Dunkel hast du's hier. Bist du des Lichts unseres Ewigen Feuers überdrüssig?", plauderte Henselt munter drauf los.
Jakob schnaubte nur und setzte sich auf seine Pritsche. Die Kerze, die Henselt mitgebracht hatte, warf für seine seit Stunden an die Schwärze gewöhnten Augen, grelles Licht. Der andere Knappe sah sich um, entdeckte die von Jarel herein geschmuggelten Lebensmittel und stieß einen seltsam quietschenden Laut aus. "Schinken? Käse??"
"Bedien' dich, aber untersteh dich, hier rein zu kotzen.", murrte Jakob, der widerwillig eingestehen musste, dass er sich doch über die unverhoffte Gesellschaft freute. Henselt hockte sich zu Jakob auf die Pritsche und pickte eine Scheibe Schinken von dem Tuch. Seelig kaute er daran herum. "Warum hafft denn ffugeffperrt?"
Jakob verdrehte die Augen. Seine Kinderstube beinhaltete das Kauen mit geschlossenem Mund und das Reden, wenn nichts zwischen den Zähnen einweichte. Hierzulande war das durchaus schon mal anders, aber er konnte es dennoch nicht leiden. Henselt wusste das, aber er provozierte gern. Da Jakob ihm allerdings nicht antwortete, sondern nur mit auf den Knien abgestützten Armen da saß und einen Punkt tief unter der Erde betrachtete, wurde auch der andere Knappe etwas ernster, schluckte und streckte die Beine aus. "Red' schon." Er knuffte ihn mit einem angedeuteten Tritt gegen den Oberschenkel.
"Ich war wütend."
"Klar. Auf was diesmal?" Als Jakob wieder nur schnaubte, hob Henselt die Hände. "Schon gut. Was also?"
Zögerlich und unter Auslassung vieler Details umriss Jakob knapp seine Ansicht, dass sein Ritter nicht all die Grundsätze des Ordens befolgte, indem er auch Menschen nicht verschonte und dabei äußerst hinterhältig vorging. Er blieb dabei sehr vage. Zwar vertraute er Henselt und würde seine Hand dafür ins Feuer legen, dass er nichts weiter erzählte, aber Jarel in Schwierigkeiten bringen wollte er auch nicht.
Henselt pickte unterdes weiter am Essen. "Sei doch froh, deiner nimmt wenigstens nur das Schwert aus Stahl für seine Umtriebigkeiten. Meiner kommt dauernd mit Liebesmalen aus der Stadt zurück und versucht sie mit Kragen und Kapuze zu verstecken. Als ob ich ihm nicht beim Ankleiden helfen müsste und nicht wüsste, was ich sehe. Sogar auf der Glatze!"
Jakob schwieg, denn genaugenommen trieb sich Jarel mit beiden Schwertern um, aber das würde er Henselt ganz sicher nicht auf die Nase binden.
"Ich hab mir wohl zu viel versprochen, von all der ehrenhaften Ritterschaft.", murmelte er stattdessen.
Henselt warf sich ein Stück Käse in den Mund, war so gnädig erst zu kauen und dann zu antworten: "Ach weißt du, ich seh's so - diese alten Männer sind dazu da, uns bis zum Ritterschlag zu bringen. Was wir dann aus dem Rittersein machen, liegt an uns. Nur weil Dampfhammer in der Stadt rumhurt, muss ich das ja nicht auch machen. Obwohl... Au!" Jakob hatte ihm einen Klaps auf den Hinterkopf versetzt. Aber er lächelte dabei schon fast wieder.
"Durchhalten bis zur Ritterschaft also?"
"Klar." Henselt grinste. "Und dann selbst die schönsten Mädchen... also für sie singen und so."
"Gedichte schreiben."
"Ja, ja ja, genau."
Plötzlich lachten sie. Jakob war nicht gerade bedeutend leichter ums Herz, aber mit Henselt ließ sich alles irgendwie anders sehen. Er wusste natürlich, dass die Beziehung von Tannenfels zu Henselt bei weitem nicht so eng war wie die zwischen Jarel und ihm, aber der Ansatz war ausbaufähig. Er musste sein Leben, seine Ideale von denen Jarels trennen, sonst würde er niemals weiter kommen, sondern immer hinter ihm her trotten. Seine eigenen Werte und seine Moral festigen, dabei die Waffen entgegen nehmen, die Jarel ihm geben konnte. Und sie klug gebrauchen - vielleicht klüger. Und vielleicht gehörte auch dazu, ihm die Stirn zu bieten, statt sich zurück zu ziehen wie er es im Grunde schon immer tat. Hinein in körperliche Ausbrüche gegen sich und die Welt, anstatt in Konfrontation. Bei Alexej war es so gewesen und nun im Grunde auch bei Jarel. Er hatte ihn raus geworfen und gewütet, anstatt in Diskurs zu gehen. Ob er das konnte? Es lernen konnte? Er konnte es nur versuchen. Entweder es eskalierte, weil er sich wieder nicht im Griff hatte oder es - wurde etwas daraus. Irgendetwas.
"Danke Henselt. Und jetzt verschwinde, bevor das Kalb hier auftaucht."
"Bruder Kebal?" Henselt verzog das Gesicht und immitierte Kebals Überbiss, was Jakob wieder zum Grinsen brachte. Dann sprang er auf, stahl den Rest Käse und verschwand.
Die Tür blockierte Jakob nicht wieder.