Das Rücker Anwesen

Velen ist die nordwestlichste Landschaft der Königreichs Temerien im Mündungsgebiet des Pontar. Sie grenzt, durch den Pontar getrennt, im Norden an das Königreich Redanien und im Westen an das Nördliche Meer. Zudem ist Velen durch zwei große Brücken mit Oxenfurt und Novigrad verbunden und ist daher ein wichtiger Handelsdurchgang zwischen Temerien und Redanien.
Velen wurde von Krähenfels aus regiert - Krähenfels ist eine Palisadenfestung im Herzen Velens mit ungefähr 50 Einwohnern. Der Blutige Baron, der in Krähenfels regierte, ist allerdings für unbekannt Zeit verreist.
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Alexej nahm ihm Miriam weg, entwand sie seinem Griff und zog sie hinter sich. Miriam oder doch Noelle, mit ihrem immerzu anzüglichen Lächeln, das ihn verspotten wollte, weil er seinem Gelübde treu war. Ganz im Gegensatz zu dem Mann, dem er sein Schwert angeschworen hatte, weil er es musste. Das Schwert war wieder in seiner Hand und er würde sich Alexej damit stellen und wenn er sein Leben dabei verlöre, was nicht unwahrscheinlich war.
...du bist nicht gut genug... Nein, vielleicht nicht, aber wahnsinnig genug es zu versuchen allemal. Einen Überschuss an Mut gepaart mit einer guten Portion Selbstüberschätzung und Kopflosigkeit war schon immer die Mischung für viele Probleme gewesen, in die Jakob sich zu manövrieren pflegte. Wieso also nicht mit dem Schwert auf einen überlegenen Gegner wie den viel erfahreneren Ritter los gehen? Immerhin blieb doch meistens eine kleine Chance. Das in der Zwischenzeit auch weitere Zuschauer und ein Zwerg mit einer Armbrust der Auseinandersetzung beiwohnten, ließ der Geist für Jakobs Augen außen vor. Er sah und hörte nur noch, was er sehen und hören sollte: Alexej und Miriam.
Entsprechend bemerkte der Knappe den Hexer nicht, der sich mit zügigen Schritten an ihn an schlich und ihn ohne viel Aufhebens nieder schlug. Sterne explodierten vor seinen Augen, dann fiel er schon auf die Knie und ins nasse Gras.
Dunkelheit.

"Wieso muss ich immer die Prinzessin sein und du der Ritter?"
"Weil du ein Mädchen bist und ich mal Ritter werde!"
"Mädchen können auch Ritter werden! Silvia ist Ritter!"
"Aber wir können nicht beide Ritter sein. Und ich will keine Prinzessin sein."
"Dann bist du eben ein Prinz."
"Prinzen sind doch auch immer Ritter."
"Hm. Stimmt. Dann bist du eben ein Drache und ich komme, um dich zu erschlagen."
"Ha! Ich werde dich fressen, kleine Ritterin! Waaaaargh!"
Quietschendes Gelächter füllte seine Ohren, ließ ihn ebenfalls lachen. Er fühlte Teppiche unter den nackten Füßen, rannte eine Treppe hinauf und Flure hinunter...

Schnitt.

Dunkelheit.
Ein warmes Bett, aber er war nicht allein unter der Decke.
"Erzähl mir deinen Alptraum, Vögelchen."
"Nenn' mich nicht so."
"Erzähl."
Sie erzählte, während er sie in den Armen hielt, ihre Wärme durch ihre Nachthemden fühlend. Ihr Kopf ruhte an seiner Schulter, ihre Stimme war schläfrig - sie würde bald wieder einschlafen und er würde für den Rest der Nacht kein Auge zu tun.

Schnitt.

"Bist du nicht langsam zu alt dafür, in mein Bett zu kriechen, Vögelchen?"
"Nenn' mich nicht so."
"Doch, werde ich, wenn du dich wie ein Kind benimmst."
"Tue ich nicht."
"Was dann?"
"Ich will bei dir sein."
"Hör auf."
"Ich will bei dir sein, Jakob und ich weiß, dass du auch bei mir sein willst."
"Hör auf. Und sei leiser. Das ist falsch."
"Wieso?"
"Geh bitte. Geh schon!"
Sie war nicht gegangen. Nicht gleich.

Der Geist lachte bissig, zeigte ihm Bilder eines verbotenen Kusses, zerrte an der Schuld darin, die immer tiefer wog, denn es war jene Nacht gewesen, die alles verändert hatte. Jene Nacht, in der er sie fort geschickt hatte, in ihr Zimmer, das später eine Falle aus Feuer und Rauch geworden war. Anders als seines. Inmitten des flammenden Chaos, inmitten seiner egoistischen Angst, die ihn sich erst verkriechen ließ, bis es nicht mehr anders ging. Dann war er durch die alte Komturei geirrt, hatte weder seinen Vater noch seine Schwester retten können. Wieso war er nicht auch verbrannt?

Gott hat dich gezeichnet - hat dir deine Schuld auf die Haut gemalt, damit du dich ewig erinnerst.
Er hat euch für die Sünde bestraft. Er hat seine schützende Hand von euch genommen - es ist alles deine Schuld.
Komm, mach dem ein Ende. Du bist es nicht wert, weiter auf dieser Welt zu wandeln. Geh sie suchen, deine Schuld, deine Sünde, tilge sie vom Angesicht der Erde und dann dich selbst...


Er hatte die Augen schon eine Weile halb geöffnet, doch sie starrten trüb ins Leere. Erst ganz langsam kehrte sein Bewusstsein aus der Vergangenheit zurück und wieder spürte er Feuchtigkeit in sein Shirt kriechen. Seine Brust und sein Bauch waren eiskalt, das Leder seiner Hosen klamm. Der Hym ließ sich in einem Winkel seines Verstandes nieder und hockte dort wie eine fette, schwarze Spinne, bereit ihn weiter mit Trugbildern und Einflüsterungen zu malträtieren.
Jakob blinzelte einmal.
Es war still. Der Sturm war abgeflaut, der Regen hatte aufgehört und das Licht wirkte seltsam normal. Keine Stimmen, keine Geräusche. Nicht einmal ein Vogelzwitschern. War er allein? Hatten sie ihn zurück gelassen?
Man hat dich mal wieder aufgegeben..., knisterte der Hym.
Jakob stemmte sich auf die Ellenbogen hoch, den schmerzenden Kopf auf die Fäuste gestützt. Er presste die Augen zusammen, denn ihm schwirrte immer noch der Kopf von dem Schlag. Ein Schlag? Was für ein Schlag eigentlich? Er war verwirrt, schob sich schließlich auf die Knie und setzt sich dann auf die Fersen, rieb sich den schmerzenden Nacken, blinzelte wieder, sah sich um.
Sein Blick blieb an dem Mann mit dem seltsamen Auge hängen, glitt dann zu seinem Schwert in dessen Hand. Als müsse er es verifizieren, griff Jakob nach der Schwertscheide an seiner Seite, die selbstredend leer war.
Der Tempelritter gibt sein Schwert nur aus der toten Hand, Jakob. Zu was taugst du eigentlich?
Leicht zuckte Jakobs Kopf, als versuche er mit der Bewegung eine lästige Fliege zu vertreiben.
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Reuven von Sorokin
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Lebenslauf: Reuven

Reuven saß auf der Treppe des Haupthauses, er hatte ein paar Dinge eingesammelt.
Zunächst hatte er sich nur auf dem Anwesen umgesehen um einen geeigneten Ort zu finden für den endgültigen Kampf, er würde Fackeln brauchen am besten einen großen Raum. Die Scheune schien ihm dazu ganz geeignet. Dabei fiel ihm die Jacke auf, die dort hing. Einen länglichen schwarzen Gegenstand, hatte er dann im Keller gefunden.
Er hatte es sich eine Weile angesehen, alle diese seltsamen Dinge.
Das längliche Teil aus dem Keller machte Licht, da war ein kleiner Knopf, und wenn man den drückte kam vorne Licht raus. Er hatte immer wieder gedrückt und dann daran herumgedreht und dann war es zerfallen und es gab kein Licht mehr. Ein kleiner metallener Zylinder fiel heraus, aber auch als er ihn wieder einsetzte (28/100) kam kein Licht mehr.
Als nächstes hatte er die Jacke untersucht, Leder, auf seltsame Weise gegerbt und sehr fein und präzise vernäht. So etwas brachten nur die besten Kürschner fertig.
Ein Zunftzeichen war draufgenäht, wie eine Tiermaske. Aber er war sich sicher, dass es zu keiner Hexer Schule gehörte.
Und der Verschluss gab ihm Rätsel auf. Keine Riemen und keine Schnallen.
Aber Taschen. Und darin noch ein komisches Medaillon.
Und bei der Jacke war diese seltsame Waffe in einem Holster. Er hatte das fremdartige Metall betrachtet. Er hatte auch in den Lauf gesehen war aber klug genug, nicht gleichzeitig den Auslöser zu drücken während er das tat. Er konnte mit einer Armbrust umgehen und er erkannte eine Waffe, wenn er sie sah.
Es war ihm gelungen, das zylindrische Ding auszubauen und nun betrachtete er die Bolzen, doch einmal zerlegt gelang es ihm auch hier nicht mehr, sie wieder zusammenzusetzen. (58/100) Aber ganz grob begriff er wie es funktionierte, nur dass dieser kleine Hebel mit der Feder genug Kraft haben sollte, den Bolzen vorne rauszuschicken... Aber vermutlich war es magisch.
Was ihn bei allem am meisten verwunderte waren die Silberbolzen, und so winzige. Und dazu das Silberschwert.
Dieses lag nun auf seinen Knien, den Rest der Ausrüstung hatte er auf den Boden fallen lassen.
Das Schwert hatte er noch genauer inspiziert.
Eine solche Schmiedearbeit war beachtlich, nur die besten elfischen Schmiede stellen solche Waffen her. War sicher teuer gewesen.
Und dann wurde der Junge wach. Er hatte sich schnell wieder erholt.
Und er hatte so viele Fragen, woher er kam, was ihn so zerfraß, dass ihn der Him ausgesucht hatte und nicht zuletzt wozu er ein Silberschwert brauchte.
"Das mit dem Brett tut mir leid. Das Schwert bekommst du wieder, wenn wir den Him erledigt haben. dann bring ich dich auch zu deinen Kameraden."
Er musste ihn zur Kooperation bringen, deshalb am besten gleich alle Karten auf den Tisch.
"Wie funktioniert... das alles da?"
Und er deutet auf die Einzelteile des Revolvers und der Taschenlampe, die vor ihm auf dem Boden lagen.
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Maximilian Garcia, der Großmeister der Tempelritter in den USA, saß auf der Treppe des Anwesens und begutachtete Jakobs Schwert. Er machte einen unzufriedenen Eindruck - war die Klinge unsauber? Flugrost? Nicht gut genug geschärft? Der Hym flüsterte aus seiner Ecke, dass selbst der ehrbare und geduldige Maximilian langsam den Glauben an den Knappen verlor. Jakob fragte sich, was eigentlich mit Knappen geschah, die der Aufgabe als nicht würdig genug befunden wurden. Hatte es das je gegeben? Wäre er der erste auf diesem ehrlosen Pfad? Als wissender Mensch konnten sie ihn nicht einfach so ziehen lassen - vielleicht würde er zeitlebens Badzimmer putzen. Oder die Autos in Schuss halten. Damit könnte er sich sogar anfreuden. Beim Fuhrpark trieb er sich ja jetzt schon in jeder freien Minute herum und ging dem Mechaniker dort zur Hand, einem Mann mit einem fürchterlichen Sprachfehler und nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte, aber mit einem Händchen für Technik. Sein 'schwarzer Daumen'. Die Erinnerung ließ einen von Jakobs Mundwinkeln zucken und der Hym hatte für einen langen Moment nichts, womit er ihn diesen Mann betreffend quälen konnte. Jakob schloss die Augen und stellte in diesem Moment fest, dass Maximilian nicht mit Maximilians Stimme sprach - wenn er die Augen geschlossen hatte und trotzdem das Bild vor sich sah, dann konnte es nicht echt sein und die Stimme Reuvens dazu, die so ganz anders war, festigte ihn in dieser Gewissheit. Ein Trugbild (79/100).
Er schlug die Augen wieder auf und sah den Hexer einen Moment lang an, dann die Dinge zu seinen Füßen, halb zerbaut. "So jedenfalls nicht mehr.", murmelte er. Das Brett - was für ein Brett. Achso, sein Nacken, der Schmerz in seinem Nacken. Fahrig rieb sich Jakob die Stelle. Kameraden sagte er oder zumindest klang das Wort so. Hatte er Kameraden? Er blinzelte, fühlte wieder den starken Drang, das er jemanden suchen und etwas beenden musste. Die Spinne knisterte in ihrem Netz. Unstet kehrte der Blick der hellgrünen Augen zu Reuven zurück und er krauste die Stirn, als versuche er etwas zu erfassen, was ihm sehr schwer fiel. Der Hym wollte ihn nicht verstehen lassen, dennoch versuchte er es, am Netz des Monsters vorbei, die Gedanken an die Kraft seiner Ausbildung hängend.
"Vielleicht war's das Brett... ich sehe doppelte Bilder. Ich sehe dich und ich sehe die Vergangenheit. Aber du bist der, den Aenye 'Hexer' nennt und nicht der Großmeister, oder?" Es kostete ihn alle Kraft und die Kontrolle währte nur einen Herzschlag. Er wollte ihn bitten, etwas zu tun. Ihn bitten, ihm zu helfen. Ihn bitten, ihn einfach zu erschlagen... Es reichte nur für einen hilfesuchenden Blick, bevor sich der Ausdruck in Jakobs Augen wieder änderte.
Schau ihn dir genau an..., krächzte es in seinem Kopf.
Und er schaute. (4/100)
Das Bild hatte sich verändert: Maximilian steckte nun im Kampfanzug, seine Rechte blutig gebissen, Blut auch in seinem Gesicht. Das Leder an vielen Stellen zerschunden von Klauen und Klingen. Die grauen Augen, die auf ihn gerichtet waren, trugen einen Ausdruck von Enttäuschung zur Schau.
"Närrische Kinder. Dieses Disaster ist nur deine Schuld."
"Wir haben Sie nicht mehr gehört.", schwor er auf Englisch.
"Und statt euch wie in so einem Fall befohlen zu einem Kommando zurück zu ziehen, marschiert ihr auf eigene Faust los? Was glaubst du, ist das hier? Ein Computerspiel?"
"Nila hat geschworen, sie hört Sie noch."
"Schieb' die Schuld nicht auf andere! Du trägst sie allein! Es war deine Prüfung! Jeder einzelne Tote dort drin lastet fortan auf deiner Seele!"
Er fühlte eisige Kälte in seiner Brust. Seine Prüfung. Endlich. Und er hatte versagt? Er ballte die Fäuste an den Seiten. Das konnte nicht echt sein. Maximilian war nicht grausam und er trug die Verantwortung für alles, was seine Ritter taten. Aber Jakob zweifelte. Zweifelte im Innersten schon so lange....
Plötzlich stand wieder alles hinter dem Mann auf den Stufen in Flammen und neben der sitzenden Gestalt stand die verbrannte Silhouette seines Vaters, der von den Flammen abgefressene Schädel ein totes Grinsen. Die von verkohltem Fleisch und verschmortem Plastik verklebte Hand hob sich und wies eine Richtung. Jakob drehte mechanisch den Kopf.
Auf dem Rand des Brunnens stand Miriam, klein und dunkel, nur im Nachthemd, an dem ein unsichtbarer Wind zerrte.
"Ich kann so nicht weitermachen, Jakob."
Der Knappe sprang auf. "Nein! Miriam!" Deutsch diesmal. Er rannte, doch sie tat bereits den Schritt rückwärts und verschwand. "NEIN!"
Mit einem wütenden Aufschrei griff er sich an den Kopf, drehte sich in einem irrwitzigen Taumel um sich selbst. "Du Satan! Das ist nie passiert!" Noch immer Deutsch, der Sprache seiner Väter. "Vade retro Satana!"
Doch der Hym lachte nur und ließ ihn nicht los (19/100).
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Reuven von Sorokin
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Lebenslauf: Reuven

"Großmeister? Hm... Ich bin ein Hexer. Ihr hattet Glück, dass ich zufällig in der Gegend war. Und der Großmeister bin ich nicht... dann bist du einer vom Orden?"
Er meinte die Flammenrose. Ihm war auch kein anderer Großmeister bekannt. Die Magier nannten sich nicht so, auch wenn sie sich fast noch mehr auf ihre Positionen einbildeten. Großmeister gab es nur im Orden... Und plötzlich machten eine Menge Dinge Sinn. Das Schwert, die Lederrüstung. Und vermutlich auch die Schuldgefühle. Waren nicht die Ritter vom Orden immer in Selbstkasteiung begriffen bis hin zu... Und dann stahl sich ein gemeines Grinsen in sein Gesicht als Him noch ein Aspekt einfiel. Aber dazu später.
"Doppelte Bilder sind Merkwürdig. Aber ich war selbst noch nie von einem Him besessen."
Und er konnte beinahe zusehen wie diese merkwürdigste aller Erscheinungen sich wieder ganz des Verstandes bemächtigte, den er gefangen hielt.
"Sowas ist mir aber auch neu..." murmelte er, ungeachtet der Tatsache, dass das einem anderen sicher kaum Mut machen würde, aber es galt auch nicht als die ausgesuchte Spezialität eines Hexer, Zuversicht zu verbreiten.
Aber er ging ohnehin davon aus, dass der junge Ordensbruder ihn nicht mehr hörte denn was er vor sich hin murmelte war keine Sprache, die er verstand.

Tatsächlich war dieser Him von der unüblichen Sorte.
Es gab im großen und ganzen zwar kein Standartvorgehen gegen diese Art von Erscheinung, es sollte schon Hexern gelungen sein, ihn auf sich selbst zu ziehen, von einem bestimmten erzählte man sich genau das, aber von dem erzählte man sich so manches. Hexer waren nicht geeignet, so einen Geist zu tragen, und wenn doch, dann war es kein Hexer, denn Schuldgefühle kannten sie nicht.
Wie bekämpfte man also einen Him? Die Lehrbücher kannten dazu drei wesentliche Schritte Schritte.
Zuerst eine Fokussierung. Man musste den Him dazu bringen, sich auf eine Person zu konzentrieren und alle anderen Nachrungsquellen und seien die noch so schwach, loszulassen. Das wäre schon einmal geschafft.
Dann beruhigte man diese Person mit Axii, bis der Him die Kontrolle verlor und wütend wurde und herauskam um um sich zu schlagen und neue Nahrung zu finden.
Das stand ihnen noch bevor.
Und dann lähmte man die Erscheinungen mit Mondstaub-Granaten, die Klinge sollte mit Geisteröl behandelt werden. So konnte man einen Him leicht erschlagen, denn für sich genommen war es kein starker Gegner, nur entkommen durfte er nicht wieder.
Alles ganz einfach.
Aber hier fingen die Probleme an.
Es war großes Glück, dass überhaupt ein Silberschwert hier war, deswegen hatte er überhaupt eine Chance. Aber auf das Öl und die Granaten würde er verzichten müssen. Vielleicht konnte er ihm noch mit den anderen Zeichen einheizen.
Versuchen musste er es.
Normalerweise, so heiß es in den Lehrbüchern, sollte man auch warten bis es dämmerte und Fackeln aufstellen, in deren Schatten trieb sich der Him dann herum und man konnte ihn gut erkennen. In diesem Fall aber vermutete Reuven, würde man ihn auch so erkennen. Dieses Biest hatte sich jahrelang von Schuld ernährt und wohl mehr als 8 Menschen in den Tod getrieben, der war stark genug, dass man ihn auch bei Tag sehen konnte. Die öligen schatte im Keller hatte er noch gut im Gedächtnis, und nun fraß er sich an dem Jungen satt.
Dann also los...
"Na gut... fangen wir mal an..."
Wieder schleuderte er dem Junge Axii entgegen, (41/100) es brauchte allerdings mehrere Anläufe und er verbrauchte gleich am Anfang viel Kraft. Der Him war wirklich stark und krallte sich im Verstand des Menschen fest wie kaum etwas anderes.
Wie eine Spinne im Netz war wohl eine treffende Metapher, aber Vergleiche aus dem Reich der Zoologie lagen Reuven nicht besonders, ihm fiel also kein passendes Bild ein, spielte ja auch keine Rollen um ihn zu besiegen.
(52/100) Noch ein paar weitere Angriffe mit dem Hexerzeichen später schien er endlich loszulassen.
Alles was er bisher tat war, den Jungen zu beruhigen, die Angst zu vertreiben, die Schuldgefühle. Die Magie des Hexerzeichen arbeitete hier gegen die Psyche des Menschen und gegen den Him, aber irgendwann gelang es doch, Jake würde ruhiger werden, zuversichtlicher.
Und dann begannen die schwarzen öligen Schatten sich am Boden unter dem Jungen zu verfestigen, als sickerten sie aus ihm heraus.
Reuven wartete noch, sah zu, noch war der Zeitpunkt nicht gekommen.
"Wenn du kannst bau deine Armbrust zusammen und dann schieß mit Silber auf das Ding... du wirst gleich sehen auf was."
Er zog Jake aus der Reichweite der Schatten, als genug davon aus ihm herausgeflossen war.
Und Yrden war immer eine gute Maßnahme, wenn es um Erscheinungen ging. (55/100) Es machte das Gespenst sichtbar, zwang es in eine Form, es wurde zu einer Spinne, ein Bild, dass es von Jake gelernt hatte, allerdings eine große Spinne mit haarigen Beinen, und je mehr der Schatten aus dem Menschen herausflossen umso größer wurde sie.
"Oha.. verfluchte Scheisse... in deinem Kopf will ich echt nicht stecken..." murmelte der Hexer, dann schleuderte er der Spinne erst Igni entgegen, das Vieh begann sofort zu brennen, und gab wütende Laute von sich. Ob Spinnen tatsächlich so klangen wußte er allerdings nicht. Doch es brannte nur kurz, denn dann ließ Yrden nach (42/100) und er musste schnell nachlegen ehe es sich wieder verflüssigen und zurückkriechen konnte.
Die Abstände zwischen Igni und Yrden wurden immer kürzer. Dieser Him war verdammt stark, und ehe Reuven das Schwert einsetzte wollte er ihn soweit schwächen, dass er auch eine Chance hatte ihn nur mit Silber und nur wenigen Schlägen zu erledigen.
Dann verpuffte der Bannkreis schon (34/100) kurz nachdem er dem Wesen einen Feuerball entgegen geschleudert hatte (24/100) und die Spinne flackerte im Fauer auch nur kurz auf. Noch einmal legte er alle Kraft ein einen Bannkreis (68/100) dann war auch seine Magie für's erste zuende. Er hatte keine Tränke, keine Öle, nicht den kleinsten Tropfen enes Absuds um sich schneller und stärker zu machen. Allerdings trug er auch noch an des Auswirkungen der letzten Vergiftung.
Yrden tat dieses Mal noch seine Wirkung (68/100).
Die Spinne blieb im Kreis, hob drohend die Vorderbeine und versuchte zu attackieren. Nun musste der Hexer nahe genug heran um mit dem Schwert zuzuschlagen, also auch in die Reichweite der Klauen.
"Nicht in den Kreis treten!" warnte er den Menschen.
Unter dem ersten Hieb duckte er sich hinweg, rollte ab, denn war er selbst in dem Bannkreis. Sein eigenes Zeichen würde ihm nicht schaden, bei jedem anderen lebenden Wesen konnte es schon anders aussehen.
Er wich den schnellen Bewegungen der gigantischen Spinne aus, sie hatte sich aufgeblasen bis sie fast die Größe eines Bären erreicht hatte, sehr viel mehr ging nicht, denn das Bannzeichen ließ es nicht entkommen, und nun war das Wesen so groß, dass es sich darin kaum hin und her bewegen konnte, er hatte sich selbst gefangen indem er die Angst übersteigerte. Him's waren einfach nicht hochintelligent.

Er wich den Attacken der Klauen geschickt aus, tänzelte eine Weile um dass Bieste herum. Wenn die Erscheinung schon das Bild einer Spinne benutzte, dann war er vielleicht an den gleichen Stellen verwundbar, solange der Him selbst daran glaubte... So würde es sich selbst überlisten.
Zu lange durfte er sich nicht Zeit lassen um ihn zu erledigen, wenn Yrden nachließ...
Schnell gelangte er hinter und untern das Biest und hieb mit dem Schwert nach dessen Unterleib. (98/100) Erzielte ein paar gute Treffer und der Him wand sich.
Er hoffte, dass auch der Jungen ihn mit seiner Distanzwaffe unterstützte, in dem Fall würde es ein kurzer Kampf werden. Musste es aber auch, denn sehr viel länger konnte er nicht mehr durchhalten.
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Etwas traf ihn und es war Jakob, als lege sich eine große, schwere Hand in seine Halsbeuge. Ein warmer Ring drückte gegen seine Haut, ein Siegelring, den er als Kind stundenlang studiert hatte, wenn sein Vater ihn ihm zum Spielen überlassen hatte. Überhaupt hatte Jakob immer alles stundenlang studiert, was man ihm aus der Welt der Erwachsenen überlassen hatte. Spielzeuge waren immer da, aber diese besonderen Dinge - der Ring, eine Uhr, eine Kette mit einem Medaillon - hatten seine Aufmerksamkeit stets über alle Maßen fixiert. Er wollte verstehen, wieso die Zeiger tickten, wie man das Medaillon öffnete und der Ring hatte mit seinem Tatzenkreuzsiegel in schwerem Gold einfach immer Eindruck gemacht, wenn man ihn im Licht drehte. Der Mensch Jakob war älter geworden, doch das Kind suchte sich immer noch interessante Spielzeuge, um sie verstehen zu lernen.
Hättest du dich doch mehr auf das konzentriert, was man von dir erwartet hat...
So leicht gab der Hym nicht auf.
Eine weitere Hand legte sich auf Jakobs andere Schulter, weich und immer ein bisschen kühl. Charlotte von Nagall, geborene von Alvensleben, die gute Seele von Haus und Hof. Ihre Augen ein Spiegel seiner eigenen, ihr schwarzes Haar wie Rabenflügel und so wild gelockt wie Miriams. Der sanfte Druck ihrer Finger ließ Wärme durch seinen Magen sickern. Er war nicht schlecht und sie allein hatte das immer gewusst, ihn nie aufgegeben, auch wenn sie sich hatte von ihm trennen müssen, damit ihm jemand einen neuen Weg wies. Maximilian Garcia und seine Ritterschaft.
Die Hände, die scheinbar auf seinen Schultern zuliegen kamen, besänftigte letztlich sein aufgewühltes Innerstes. Markus von Nagall, Freiherr und Komtur, Fels in der Brandung und Charlotte, ewig sanft in ihrem Muttersein. Zuversicht sickerte in Jakob hinein, verdrängte die grausamen Schuldgefühle. Nein, ihn traf keine Schuld. Der Angriff auf die Komturei seines Ordens war von langer Hand geplant gewesen, die Zersetzung der europäischen Strukturen der Templer schon seit vielen Jahren in Gang und Deutschland war eine weitere Karte dieses Kartenhauses gewesen, die fallen musste, damit alles fiel. Sicher hatte Jakob sich nicht mit Heldenruhm bekleckert, aber der bittere Geschmack dieses Wissens verklang langsam. Ruhe kehrte ein. Er blieb stehen, den Blick gesenkt und sah zu, wie sich ein öliger Schatten um seine Füße zu sammeln begann.
Reuven zog ihn von den Schatten weg und Jakobs Kopf klärte sich fast augenblicklich. Armbrust? Was zum...? Sein Blick fiel auf den zerbauten Haufen, den der Hexer zurück gelassen hatte und er fluchte leise, setzte sich allerdings nun auch in Bewegung. Was genau der Hexer tat, versuchte er zunächst auszublenden und konzentrierte sich nur auf die Teile des Revolvers. Flink setzten seine Finger alles wieder zusammen, schoben Patronen in die Kammer, die mit einem beruhigenden Geräusch in ihre Fixierung einrastete. Jakob spannte den Hahn und wandte sich um.

Aus dem Schatten war eine Spinne geworden, riesig und schwarz, eingekerkert in einen Kreis, vor dem Reuven ihn warnte, den der Mann aber selbst immer wieder betrat und verließ. Gut, sein Ding. Jakob würde sich diesem Biest aus Finsternis nicht freiwillig nähern, zumal der Hexer sein Schwert hatte. Einige Sekunden lang beobachtete er, wie virtuos der Mann damit umzugehen verstand, obwohl es eine für ihn fremde Waffe war. Er vollführte geradezu einen Tanz um das Monster, das den Kreis scheinbar nicht verlassen konnte. Ein Kreis, der vor Jakobs Augen allmählich zu verblassen schien.
Er riss sich los, rannte um die beiden kämpfenden herum. Wie war das mit Spinnen? Wo war das Kill? Vermutlich hinten, denn dorthin zielte auch Reuven, was den Mann wiederum ungünstig in Jakobs Schussfeld brachte. Er war ein guter Schütze, dennoch nicht vor Fehlern gefeit. Er sprang zur Seite, ein Knie am Boden, den Schleifer als solchen nutzend und ein Stück darauf schlitternd, während er beide Hände um den Revolver schloss und zielte. Die erste Kugel schlug von vorn in den hoch gewölbten Hinterleib ein, bohrte sich dort in die Schwärze, wo wirkliche Spinnen ihr Herz hatten (89/100). Die zweite traf den Vorderkörper. Die dritte war Rache. Er hatte ohnehin nicht mehr viele von den Patronen und über kurz oder lang würde sich entweder eine Möglichkeit finden müssen, neue anfertigen zu lassen oder eben eine andere Distanzwaffe her. Thorbens Armbrust war schließlich auch schick und mit Armbrüsten konnte Jakob ebenso umgehen wie mit Bögen und eben modernen Handfeuerwaffen. Es gab immer einen Weg.
Das schwarze Biest krümmte sich und zuckte, gab seltsame Laute von sich und wechselte die Form von Spinne zu etwas fast menschenähnlichen und zerfaserte schließlich mit einem letzten, gellenden Aufschrei.
Jakob blieb auf den Knien, senkte aber den Lauf der Waffe sogleich. Er hoffte nur, das Ding war körperlich genug gewesen, dass es die Kugeln aufgefangen hatte und er sich nun nicht auch noch damit belastet hatte, den Mann erschossen zu haben, der ihm geholfen hatte.
Nun da es weg war, fühlte Jakob sich seltsam leer, so als hätte er Hym einen Hohlraum in seinem Innersten geschaffen, um da zu wohnen und nun war dieses Loch noch immer da, nur lebte nichts mehr darin. Auch schwand langsam die Zuversicht, die letzten Endes nur ein Produkt des Hexerzeichens gewesen war.
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Reuven von Sorokin
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Lebenslauf: Reuven

Er war einigermaßen froh, dass er nicht mehr abbekommen hatte, nicht den kleinsten Kratzer, auch die merkwürdige Armbrust hatte ihn nicht erwischt. Ein wenig hatte er damit gerechnet, dass der Junge ihn erschießen würde, Menschen reagierten oft so kopflos, gerade auf Erscheinungen, aber der hier hatte einen erstaunlich kühlen Kopf bewahrt angesichts eines Him.
"Gute Arbeit übrigens." rang er sich deshalb ein Lob ab. Mehr war aber wirklich nicht zu erwarten.
"Ach ja... ist deins... Danke für's ausleihen."
Und er wollte ihm das Schwert schon reichen, mit dem Griff voran.
Eigentlich übergab man eine Waffe nicht, nicht so und erst recht nicht dem Feind und auch nicht dem Freund, wobei er so gut wie niemanden einen Freund nannte. Er erinnerte sich noch an die Schwertlektionen, wenn der Meister ihnen die klinge auf die bloßen Pfoten geschlagen hatte wenn ein Schüler beim Training auch nur aus Versehen so höflich war, dem Trainingspartner das Holzschwert in die Hand zu drücken. Wie oft hatte er blutige Finger gehabt und wie oft Gaetan.
Man legte es am Boden ab und trat zurück.
Er besann sich und machte es genau so.

Dann stand er einen Augenblick ein wenig ratlos herum. Eine wichtige Frage lag ihm auf der Zunge, aber gleichzeitig fiel ihm auch ein dass er, selbst wenn die Antwort so ausfiel, wie gehofft nicht einmal etwas zum auffangen der Tränen hatte... vorausgesetzt er konnte ihn zum Weinen bringen.
Und noch etwas fiel ihm ein... Der Him war Geschichte, es blieb nur ein Häufchen Asche. Zumindest sah es so aus. Jedes auch noch so substanzlose Wesen schleppte über die Jahre irgendetwas mit sich, Staub, Partikel, verschieden Substanzen. Durchaus wertvoll im Falle der meisten Erscheinungen.
Am besten wären seine Dosen gewesen, aber die waren zusammen mit seiner Tasche verschwunden. Wie er es hasste, ohne ordentliches Werkzeug arbeiten zu müssen.
Er kniete also neben der 'Asche' hin und noch etwas fiel ihm auf.
Er hatte es ja knallen gehört, die metallene Armbrust machte ordentlich Lärm. Soetwas würde sich nie durchsetzen, das war ihm klar.
Er fischte vorsichtig, um das Material nicht zu sehr zu verteilen eine der Patronen nach der anderen heraus, wog sie kurz in der Hand, betrachtete sie. Sie waren leicht verformt und viel kürzer als zuvor. Er hatte sie ja gesehen. leichte Rillen waren eingeritzt. War das der Him gewesen? Irgendeine magische Spur?
Pfeile konnte man in der Regel wiederverwenden, ebenso Armbrustbolzen. Aber das hier? Diese Bolzen waren eindeutig kaputt.
"Brauchst du die noch?"
Es war Silber, er würde sie nur zu gern behalten, einschmelzen lassen. Aber die gehörte dem Menschen, wenigstens fragen musste er.

Dann betrachtete das Häufchen nachdenklich...
Schließlich sah er sich dann noch nach einem Behältnis um.
Im Haus fand er eine Dose. Nichts wertvolles, nur dicht. Aus Birkenrinde. Das musste reichen. Dorthinein klaubte er die Reste. Etwas vom Dreck vom Boden kam auch mit, das konnte man aber später aussieben. Er hatte auch eine kleines Glasfläschchen gefunden. Darin war wohl einmal Parfum gewesen, er roch immer noch die Reste, ein wenig wie Flieder.
"Du hast vorhin etwas von Großmeister gesagt... bist du beim Orden?"
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Gute Arbeit. Jakob nickte abwesend, sah dem Hexer dann dabei zu, wie er sein Schwert am Boden zwischen ihnen ablegte und davon zurück trat. Seine Lippen zuckten kurz. Die Schwertmeister aller Welten wurden scheinbar nach der gleichen Blaupause erstellt, genau wie Ausbilder mit russischem Akzent. Auch seine Handflächen trugen die Zeichen von zu viel Nettigkeit, die gleichbedeutend mit fataler Dummheit war. Aber die Geste hatte etwas tröstliches und brachte Jakob dazu, sich aufzurappeln, den Revolver in den Hosenbund zu stecken und dann das Schwert mit der Fußspitze einen geschickten Impuls zu verpassen, sodass er nur nach dem Griff fassen brauchte. In der gleichen Bewegung verschwand es in der Scheide an Jakobs Seite. Ein Schweigen war entstanden, dass anderen Menschen vielleicht unangenehm gewesen wäre, aber Jakob verbrachte so viel Zeit schweigend, dass er dieses Gefühl inzwischen aus dem ohnehin schmalen Katalog an brauchbaren Emotionen gestrichen hatte. Aber hinter seiner Stirn arbeitete es - so viele Fragen über dieses Wesen, was ihn da besetzt hatte, über Reuven und wo er ein Schwert so zu führen gelernt hatte, über die Gesten und ihre Effekte. All das stachelte seine Neugier auf, doch als der Moment gekommen war, da er seine Gedanken endlich sortiert hatte und sich bereit sah, diese auch in das seltsame Kauderwelsch zu verpacken, was sie hier 'Ältere Rede' nannten, hatte Reuven sich abgewandt und stocherte in dem Häuflein Asche herum, dass der Geist hinterlassen hatte.
Jakob trat näher, als der Hexer ihm die drei Patronen auf der offenen Handfläche präsentierte und fragte, ob er die noch brauchte. Jakob nahm sich eine. Falls er jemanden fand, der ihm tatsächlich eine solche Legierung herstellen könnte, brauchte er nicht eine der intakten Patronen als Muster zu verschwenden. "Behalte Rest als Danke. Aber ist nicht Silber rein... ist...", er stockte. Wie erklärte man eine Legierung? "Rein zu weich, darum noch andere Metalle drin. Das auch." Er tappte mit der freien Hand auf die Schwertscheide, ließ dann die deformierte Patrone in einer kleinen Tasche vorn an seiner Hose verschwinden.
Reuven schloss die Finger um die übrigen zwei und verschwand kurz im Haus, um mit einer hölzernen Dose zurück zu kehren. Interessiert beobachtete Jakob, wie er die Asche hinein fegte. Wollte er den auch noch bestatten? Während er weg gewesen war, hatte Jakob die Gräber unweit unter ein paar Bäumen entdeckt. Wie lange musste er in diesen Trugbildern gefangen gewesen sein, dass die anderen Zeit gehabt hatten, Gräber zu schaufeln und all die Toten darin zu bestatten? Er atmete tief durch, wandte sich ab und ging zu den frischen Grabstätten. Vermutlich hatten die anderen schon irgendwas huldreiches gesagt und vermutlich war in dieser Welt ohnehin alles ganz anders, der Glaube, die Götter, die Rituale. Dennoch. Er hatte dort in diesem Keller gespürt, dass die Seelen der toten Männer noch immer zwischen ihnen gefangen gewesen waren, gequält und unfähig dorthin zu verschwinden, wohin sie hier eben normalerweise gingen. Das Begräbnis sollte diese Bann gebrochen haben, oder? Er schlug dennoch ein Kreuz über den frischen Hügeln, warf etwas Erde.
Erde zu Erde, Asche zu Asche und Staub zu Staub.

Reuven war ihm gefolgt und fragte nach dem Großmeister, dem Orden. Jakob blickte ihn über die Schulter hinweg an. Was hatte er in seinem Wahnsinn alles Preis gegeben? Bisher hatte er nur Slava seine Wahrheit anvertraut, aber dieser Mann sprach nun von einem Orden, als sei es etwas, was auch in dieser Welt existierte. Nur leider fehlten Jakob die Worte, um es vorsichtig zu hinterfragen. Also nahm er das Schwert bei der Seite und zeigte dem Hexer den Knauf mit dem eingelegten Tatzenkreuz. Wenn ihm das Symbol etwas sagte, dann würde er das an seiner Reaktion wohl irgendwie merken und wenn nicht, dann wusste Jakob zumindest, dass Reuven von einem anderen Orden sprach, der allerdings auch von einem Großmeister geführt wurde. Vielleicht ab es noch andere Parallelen?

Der Wind frischte wieder etwas auf und erinnerte ihn daran, dass er völlig durchnässt und durchgefroren war. Irgendwo war seine Jacke liegen geblieben und auch wenn sie nicht wirklich konstruiert war, um warm zu halten, so wäre sie doch wenigstens halbwegs trocken. Außerdem machte sich langsam brennender Durst bemerkbar, aber aus diesem Brunnen würde er nicht trinken und wenn er daneben verdursten musste.
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Reuven von Sorokin
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Lebenslauf: Reuven

Reuven grinste bei der Erklärung. "Klar... eine Legierung. Unsere Schmiede haben damals Meteoritenerz genommen... In Mahakam machen sie richtig gute Klingen... die sind aber auch verflucht teuer..." Und wenn er jetzt daran dachte... wobei es auch immer Lange dauerte bis sie geschmiedet waren... eigentlich konnte er sie jetzt schon bestellen, bis er das Geld zusammen hatte waren sie auch fertig. Aber das würde bedeuten, dass er wohl über Jahre nicht mehr seinem eigentlichen Handwerk nachgehen konnte, es sei denn er konnte sich noch einmal ein Schwert leihen. Er mußte seine Klingen wiederfinden.

Er ließ ihn die übrigen Patronen behalten. Zufrieden wickelte er sie in einem Fetzen seines ohnehin zerschlissenen Hemdes ein und verstaute sie in der Hose. Er brauchte auch wieder ordentliche Kleidung. Eine stabile aber elastische Lederhose, ein Wams, Beinschienen, Armschienen... im Grund alles.
Es war noch ein ein wenig schlimmer wie damals als sie ihn losgeschickt hatten. Ein junger frisch ausgebildeter Hexer, begierig darauf Monster zu töten, nur mäßig gut ausgerüstet, aber wenigstens hatten sie ihm ein paar Tränke und Schwerter mitgegeben. Was er heute voraus hatte war allein die Erfahrung.
Denn beim ersten Auftrag wurde er gleich hereingelegt.
Das war das in Sodden gewesen, im Dorf Grotehof, er würde das nie mehr vergessen.
ein Auftrag für ein Nekker Nest. Er erledigte den Auftrag und brachte dem Schulzen auch brav den Kopf des Nekkerkönigs. Der lachte nur und behauptete, so sehe kein Nekker aus, die seien nicht so bunt bemalt, es gäbe keine Belohnung, nur wenn er ihm wirklich alle Nekkerköpfe brächte.
Als junger naiver Hexer nickte er brav holte die übrigen Köpfe, aber der Schulze lachte wieder und meinte, die wären schon so alt, die habe er doch nur irgendwo gefunden und er wolle sich wohl mit anderer Leute Federn schmücken.
Er gab ihm zum Spaß ein halbes Kupferstück und jagte ihn davon.
Und ähnliches sollte ihm noch öfter passieren.
Und es wurde nicht leichter. Wie es dazu gekommen war ahnte er nicht, aber nach und nach stellte er fest, wie schlecht der Leumund seiner Schule inzwischen geworden war.
Und es konnte nicht allein Brehen gewesen sein, auch wenn alle ihm die Schuld gaben.

"Da sind wertvolle Substanzen drin." erklärte er nur knapp zu dem Staub. Und er brauchte wieder einen Grundstock an Substanzen für Klingenöle und Tränke. Zumindest wenn er nun noch einmal einer Erscheinung gegenüber stand hätte er wieder einen Vorteil. Vorausgesetzt er fand ein Alchemistisches Labor.
Er streckte sich, mittlerweile war alles irgendwie demoliert, er musste sich dringend ausruhen, meditieren. Aber da wartete ein Werwolf auf ihn.
Erst einmal folgte dann dem Jungen zu den Gräbern. Seine Andacht teilte er nicht, seine Überlegung war eine andere. Er hoffte, dass sie tief genug lagen und dass nicht in ein paar Tagen Nekrophagen sie wieder herausholten. Aber dazu würde er jetzt nichts sagen. vielleicht wäre es wirklich gut, das Anwesen komplett niederzubrennen.
Der Mensch beantwortete die Frage nur indirekt, aber die Antwort reichte Reuven.
"Sieht aus wie das Wappen von Brugge... Stammst du von dort?" Er wurde nicht zwar ganz schlau daraus, aber es klang eher wie ein 'Nein' denn wie ein 'Ja'. Vermutlich gab es Ritter in Brugge, einen eigenen Orden in Brugge? Wie die Ritter in Beauclair? Ungewiss, aber wenn dann sicher nciht verglichbar mit der Flammenrose.
Aber es erklärte weshalb er diesen seltsamen Dialekt der Alten Rede sprach. Brugge lag an der Yaruga, und war in den letzten Jahren arg vom Krieg gebeutelt und heute auch Gebiet Nilfards.
Er war auch nicht oft in Brugge gewesen, kannte es nur von der Durchreise und in den letzten Jahren, seit Stygga zerstört war und sich der Weg ins fern jetzt Nilfgardische Ebbing nicht mehr lohnte sowieso nicht mehr. Jetzt trieb er sich um Nowigrad herum, von dem er beschlossen hatte, dass er von dort stammen musste.
Als vielleicht stand der junge Mann einfach im Dienste des Königs, erklärte auch das nilfgarder Schwarz.
"Naja, Flammenrose dann wohl nicht... Ich würd mich ja gern weiter unterhalten, aber ich hab noch zu tun und... du hast nicht zufällig eine Tasche mit einem Silberschwert gesehen... so ähnlich wie deines nur schräges Parierstück und im Griff eine Katze wie mein Medaillon?"
Er wollte aber auch nicht ewig diskutieren, ohne es zu ahnen waren sie sich in der Hinsicht sehr ähnlich, auch Revuen neigte nicht dazu zu viel zu reden.
Er überlegte, und die andere Frage lag ihm auf der Zunge, er musste einfach sichergehen, aber irgendwie war die Frage komisch...
"Wenn du nicht vom Orden der Flammenrose bist, ich weiß ja nicht, wie ihr das in Brugge handhabt... aber Jungfrau bist du dann wohl nicht, oder?" Eine leise Hoffnung.
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Reuven schien trotz seiner zusammen gestotterten Sätze sofort zu verstehen, was Jakob meinte und lieferte ihm die passende Vokabel, gefolgt von einem Schwall Worte, die er nicht einordnen konnte. Brugge deutete er als Ortsbezeichnung, denn er fragte, ob er von dort stammte. Templer kannte er also offenkundig nicht und Jakob ließ nicht erkennen, ob er verstand. Weder verneinte noch bejahte er die Frage nach seiner Herkunft - ohnehin hatte der Hexer seine Schlüsse wohl auch ohne den Knappen gezogen. Wenn er ihn in dieses Brugge sortieren wollte, fein. Ihm sollte es egal sein, so lange er nicht mit irgendeiner Geschichte dazu aufwarten musste, die ihm sowieso niemand glaubte.
Reuven sprach ohnehin schon weiter, rasch und kompliziert, stellte Fragen. Jakob versuchte ihm so gut es ging zu folgen, endete aber damit, dass er nur mechanisch den Kopf schüttelte. Er war sich selbst nicht sicher, ob es eine Geste des nichtverstehens war oder tatsächlich der Verneinung diesmal. Zumindest glaubte der junge Mann, wieder etwas von Schwertern und Silber verstanden zu haben und reimte sich den Rest aus den Umständen zusammen: der Hexer hatte sein Schwert geliehen und er konnte definitiv damit umgehen, folglich fehlten ihm die eigenen Waffen aus irgendeinem Grund. Dann war da die Geste der Schwertübergabe an einen Kontrahenten oder Übungspartner, also hatte er bei einem Schwertmeister gelernt, der ganz ähnlich seines eigenen tickte. Entsprechend mies müsste es ihm mit dem Verlust seiner Waffen gehen. Jakob hob also bedauernd Schultern und Arme.
Und dann fragte der Hexer noch eine sehr seltsame Frage, die Jakob erst nicht so richtig deuten konnte. Wieso sollte er eine junge Frau sein? Er hielt sich äußerlich doch relativ eindeutig für einen Mann, sodass die Worte ihn zunächst die Stirn krausen ließ. Jakob kratzte sich nachdenklich am Nacken, ließ den anderen Mann dann erneut stehen und machte sich auf den Weg zurück zu seinen Sachen. Ihm war wirklich kalt in den nassen Sachen und seine Muskeln begann unwillkürlich zu zittern, um etwas dagegen zu unternehmen. Bei der Treppe fischte er seine Jacke und das Holster vom Boden, streifte sich beides über und setzte sich dann auf dei Stufen, um die Taschenlampe nach einem kurzen noch einmal auseinander zu nehmen und richtig zusammen zu setzen. Der kleine Stab wanderte wieder in die Innentasche seiner Jacke.
Es dauerte diese ganze Zeit, bis alle Zusammenhänge seine Gedanken passiert hatten: Orden, Großmeister, Ritter, Brugge, junge Frau obwohl er ein Mann war. Dann machte es Klick (83/100) und er hob den Blick auf den Hexer.
"In meiner Bruderschaft sind wir... mh... wie sagt man? Wir nehmen keine Frau. Auch keinen Mann. Nur Gott und das Schwert.", antwortete er schließlich ernst, hoffend, dass der Mann das wirklich gemeint hatte. Sie waren hier allein, daher fiel es Jakob leicht, diesen Umstand einfach auszusprechen. Denn obwohl es für seinesgleichen eigentlich normal sein sollte, kam es ihm im Umgang mit anderen Menschen dennoch nicht so leicht über die Lippen. Es wurde schlichtweg nicht so leicht akzeptiert, vor allem nicht von anderen Männern. Es wurde in den USA ja noch nicht einmal von allen Templern akzeptiert. Vor allem gegen die selbsternannten 'gestandenen Männer' hatte man es als Jüngerer nicht so leicht, obwohl es doch die Entscheidung eines jeden Einzelnen sein sollte. Doch wenn selbst der Großmeister geheiratet hatte und drei Kinder gezeugt, ja Jakobs Vater selbst einen anderen Weg gewählt hatte, fiel es jenen, in der alten Tradition verwurzelten schwer, sich weiterhin an diese alten Regeln zu halten. Man begann zu zweifeln oder man begann es fast fanatisch zu verteidigen.
Sofort musste er wieder an Alexej denken und die kalte Wut, die er bei dessen zynischen Bemerkungen über dieses, wie er es nannte, Relikt aus grauer Vorzeit, verspürt hatte, wollte schon zurück kehren. Letzten Endes war es wohl er gewesen, der Jakob tatsächlich eher in Richtung Fanatismus getrieben hatte, anstatt die eigene Sexualität als etwas Normales anzunehmen.
Er atemte tief durch und stemmte sich hoch. Er musste in Bewegung bleiben, sonst fror er nur noch mehr. Und all die vom Hym aufgewühlten Gefühle lauerte zu dicht unter seiner Haut, wenn er zu lange grübelte.
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Reuven von Sorokin
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Lebenslauf: Reuven

Er sah zu, wie Jake das magische Lichtding richtig zusammensetzte und verstaute. Er konnte sicher nützlich sein, bei der Bekämpfung von Wesen, die die Dunkelheit liebten, auch einen Vampir konnte man damit blenden. Eine weile betrachtete er den Jungen doch noch einmal durchdringen. Es war allgemein bekannt, dass Hexer nicht mehr auf die herkömmliche Art hergestellt werden konnten, die Tränke und Mutagene waren verloren. Aber Hexer wurden nach wie vor gebraucht.
Man konnte jederzeit auch junge Männer ausbilden und ihnen das was die Mutagene bewirkten als magisches Werkzeug mitgeben. Etwas das Licht macht, vielleicht auch etwas, das Feuer erzeugte, und auch einen Schutz und Yrden konnte man vielleicht mit so einem kleinen Stück produzieren. Er war kein Magier, aber seine Vorstellungskraft reichte weit genug. Und was wusste er schon, was sie hinter den Grenzen Nilfgards anstellten? Die Schlangenschule war dort angesiedelt gewesen, früher hatte es auch noch die Bären gegeben und man erzählte sich von einer Mantikor-Schule und deren Ausrüstung und sogar von einer Luchs-Schule, auch wenn die noch wirklich keiner gesehen hatte und er die Gerüchte ernsthaft anzweifelte. Aber es konnte auch nach der Katastrophe noch neue Schulen entstanden sein, die anders ausbildeten. Denkbar.
Stand er hier also einem Kollegen gegenüber?
Er hatte begonnen auf und ab zu gehen, auch nachdem er seine Sachen bereits eingesammelt hatte.
Egal.
Denn dann antwortete er.
Ein sehr sehr breites Grinsen entstand langsam auf Reuvens Gesicht breit, und strafte jeden Lügen, der noch immer behaupten mochte, Hexer seien Emotionslos.
Vielleicht würde ihm später auffallen, dass die Tatsache, dass er den Göttern diente und tatsächlich Jungfräulich war ganz eklatant allem widersprach, was einen Hexer ausmachte - vielleicht aber auch nicht.
"Der verdammten Vorsehung sei Dank! ...auch wenn ich nicht an sie glaube!" Das musste er hinzufügen. "Also... mhm, denkst du ...du könntest weinen? Ich kann es dir erklären... Ich hab nen Auftrag, einen Werwolffluch brechen... das kann klappen, bisher habe ich alles richtig gemacht, aber für das Gegenmittel brauch ich eine wichtige Zutat... Tränen einer Jungfrau... also von einem Menschen... naja, vielleicht auch Elf, aber die sind noch seltener zu finden... der noch bei bei einem anderen gelegen hat. Echt saumäßig selten. Also... du würdest mir sehr helfen. Ich bring dich dann auch gleich zurück zu deinen Leuten... mein Pferd... ehm..."
Er blickte sich um.
Er selbst war ebenfalls durchnässt vom leichten Nieselregen. Zuvor hatte er ihn nicht einmal bemerkt, jetzt setze er langsam wieder ein und langsam fror auch er. Er war viel zu leicht bekleidet, aber Hexer wurden wenigstens nicht krank.
Das Pferd jedoch war nirgends zu sehen.
"Wo in aller Höllen Namen..." Aus vielleicht einem Reflex heraus pfiff er zwischen die Finger... wartete kurz... blickte sich dann suchend um, sogar zum Dach sah er hoch, ohne ganz genau erklären zu können warum. Erstaunlicher Weise trabte das Pferd aber tatsächlich heran. Wo es sich auch immer versteckt gehabt hatte. Des Hexers Mine helle sich auf.
"Wenigstens das ist nicht verschwunden. Ein kurzes Stück wird es uns schon beide tragen."
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Das Grinsen missdeutete er natürlich genau in die Richtung, in der seine Erwartungshaltung lag, was die Reaktion des anderen Mannes anging. Niemand konnte diese Geisteshaltung verstehen, außer jemand, der sich eben dies zur Regel gemacht hatte. Yahuro sagte: vor der Kontrolle über den Geist kam die Kontrolle über den Körper. Nur gerade wollte dieser Körper am liebsten vorwärts stürmen und dem Hexer das Grinsen aus dem Gesicht prügeln. Allerdings brachten die Worte des seltsamen Mannes Jakob derart durcheinander, dass die kurz aufwallende Gemütsregung gleich wieder verrauchte. Er freute sich im Ernst und er sollte was? Weinen? Irgendwie gelang es Jakob auch den Rest der eiligen Erklärung zumindest wörtlich zu erfassen, wenn es ihm auch inhaltlich keinen wirklichen Sinn machte. Sie waren doch hier nicht in einem verdammten Märchen! Wobei, wenn man es recht bedachte und die Geschehnisse der letzten Stunden rekapitulierte... in einer Gruselgeschichte vielleicht. Und es gab statt Hexen eben Hexer und die mischten abstruse Tränke mit verrückten Zutaten. Tränen zum Beispiel. Tränen einer Jungfrau. Jesus, konnte er nicht Aria fragen? War das nicht immer die Idee hinter all dem Hokuspokus? Das die moralisch unerschütterliche und unfehlbare Schönheit eben diese Jungfrau war, die den Schuldigen mit ihrer Reinheit von der Schuld befreite? Und jetzt stand dieser Kerl vor ihm und wollte Tränen - wo war daran bitte das Märchenhafte?
"Was?!", brachte Jakob entsprechend erst einmal nur heraus, halb fassungslos, halb ratlos. Und da ihm die Worte fehlten, war der nächste Teil ein Kauderwelsch aus Englisch und dem Halb-Latein der Elfe. "Ich hab mir da hinten vorhin von diesem... Ding... die Seele umkrempeln lassen müssen! Du bist zu spät.", platzte er also für seine Verhältnisse sehr redselig heraus, obwohl der Mann wohl nicht viel davon verstehen würde. Aber für überlegte Worte wühlte ihn das Thema einfach zu sehr auf. Er hatte geflennt wie ein kleines Mädchen, das wusste er noch ziemlich genau und wenn der Penner seine Chance da nicht ergriffen hatte, Pech für ihn. Jakob verschränkte die Arme vor der Brust. No way.

Reuven pfiff derweil nach seinem Pferd und der Gaul kam tatsächlich von irgendwo her angetrabt. Der Gedanke, auf dessen Rücken zu steigen, bereitete Jakob gleich das nächste Unbehagen. Eine Kutsche lenken mochte ja noch angehen, aber reiten? Die Biester waren hoch, hatten große Zähne, eisenbewehrte Hufe und ein unberechenbares Gemüt. Gut, er würde wohl nur sitzen müssen und Reuven kontrollierte das Biest, aber trotzdem beäugte er das Tier misstrauisch und er hatte den Eindruck, dieses äugte ebenso misstrauisch zurück. Aber letzten Endes war es wohl der schnellste Weg zurück zur Gruppe, vielleicht einer Decke und - er wagte es kaum zu denken - einem wärmenden Feuer. Nur stand eben diese Sache mit den Tränen zwischen ihm und dieser Aussicht. Er mahlte mit den Kiefern.
"Und überhaupt, auf Kommando? Mach vor, vielleicht mach ich mit." Vor Lachen... wo er so ein fröhlicher Typ war. Trotzdem begann er zu überlegen. Irgendwelche Tränen oder mussten Emotionen im Spiel sein? Jakob kratzte sich am Kinn, sammelte mühsam wieder Worte. "Weinen von hier oder reicht Wasser von den Augen?", überlegte er laut und klopfte sich beim ersten Teil der Frage auf die Brust, machte dann eine etwas ratlose Geste. "Wind? Kalt? Mmmh, Brand.... brennend... Salz? Sand?" Tatsächlich war er ja grundsätzlich zur Hilfsbereitschaft verpflichtet, auch wenn ihm die Frage wie himmelschreiender Unfug vorkam.
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