In Nubgorod (Noobtown)

Kordon liegt am äußersten Rand der Zone und wird vom Militär bewacht. Die meisten Anfänger halten sich erst eine Zeit lang in Kordon auf bis sie genug Waffen und Mut haben tiefer in die Zone vor zu dringen.
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Jessica Voss
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von/nach: Westlich, nahe des großen Sumpfs / Nubgorod (Noobtown)
Datum: 15. Mai 2021
Uhrzeit: 1800 OEZ (Zulu+2)
betrifft: jeden, der will!
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Es dämmerte bereits wieder, als Jessie durch das Objektiv der Kodak in der Ferne Häuser ausmachen konnte. Es schien sich um eine kleine, verfallene Siedlung zu handeln, in der sich allerdings vermummte Menschen aufhielten, auf und ab gingen und hier und da gemeinsam an einem Feuer saßen. Das war es also. Der Moment der Entscheidung. Vielleicht war das dieser Kordon, von dem sie gehört hatte. Vielleicht aber hatte sie sich auch verlaufen und würde gleich in eine Siedlung voller verrückter Endzeit Überlebender stolpern, die sie vergewaltigen und essen wollten. Es gab nur eine Möglichkeit herauszufinden, ob auch andere Leute zu oft Mad Max geschaut hatten.

Mit erhobenen Händen ging sie näher, die Kalaschnikow möglichst weit auf den Rücken um den kleinen Rucksack geschlungen, damit die Waffe nicht sofort als eine Bedrohung aufgefasst werden würde. Eine der patrouillierenden Wachen entdeckte sie, hob seine Waffe und ging ein paar Schritte auf sie zu.
"Halt!" rief der Mann, der einen blonden, kurzen Militärschnitt trug, sein Gesicht aber mit einem bandanaartigen Halstuch umwickelt hatte, der seine Züge nur schwer erkennen ließ.
"Frieden! Stalker!" wiederholte Jessie auf Russisch die Worte des Mannes, den sie gestern getroffen hatten und hoffte, dass es ihr helfen und sie nicht in Teufelsküche bringen würde.
Der Wächter runzelte die Stirn, machte aber keine Anstalten ihr deswegen zu vertrauen. Kurz fragte sie sich, ob der Typ ihr einfach nur grundsätzlich misstraute, oder ob es daran lag, dass er keine weiblichen Stalker gewohnt war.
"Du bist kein Stalker! Zumindest keiner, den ich kenne. Was willst du hier?"
Die Waffe des Mannes senkte sich keinen Zentimeter von ihrem Kopf weg und Jessie schluckte schwer, die Angst nicht siegen zu lassen, als sie daran dachte, wie schnell auch ihr Hirn und ihr Schädel das Gras hinter ihr sprenkeln konnten. Vielleicht war hier eine andere Herangehensweise angebracht. Vielleicht musste sie zeigen, dass sie einer dieser Stalker sein konnte. Dass auch eine Frau den Mumm hatte, sich der Zone zu stellen.

Zwar ließ sie nicht die Hände sinken, lächelte den Mann vor ihr aber überheblich an.
"Nur weil du mich nicht kennst, heißt das nicht, dass ich kein Stalker bin." bluffte sie und fragte sich wieder einmal in welche Lage sie das bringen würde.
Der Mann zog eine Augenbraue in die Höhe und Jessie hätte schwören können, dass auch er unter seinem Halstuch ein Grinsen zur Schau stellte. Er deutete mit dem Lauf seiner Waffe auf ihre um den Hals hängende Kodak.
"Ich glaube eher, dass du nur eine Touristin bist. Wir können hier keine Touristen gebrauchen. Touristen sterben oder bringen anderen den Tod. Das ist alles, was ihr könnt."
Er nickte in Richtung einiger Barrikaden und Militärfarzeuge in einiger Entfernung. Es sah beinahe so aus, wie ein militärischer Außenposten.
"Sei froh, dass die dich noch nicht entdeckt haben. Die sind nicht so freundlich zu Touristen und Frischlingen, wie wir."
So langsam wurde Jessie ärgerlich und sie spürte, wie der Drang in ihr aufkeimte, die Scheiße aus dem Typen herauszudiskutieren.
"Und trotzdem bin ich hier und brauche Hilfe und Unterschlupf. Ich brauche zumindest ein paar Informationen und dann seid ihr mich wieder los."

Dem skeptischen Blick nach zu urteilen, hatte sie den Kerl noch nicht überzeugt und würde mit ihrer Notlage auch nur weiter auf Granit stoßen. Also versuchte sie eine andere Taktik.
"Hör' zu! Ich habe einen toten Stalker gefunden und seinen PDA. Bring mich zu Deinem Chef und der soll entscheiden, ob der PDA einen Handel wert ist, klar?"
Sie hielt angespannt den Atem an, als sie bemerkte, wie der Mann sich ob ihres Befehlstons versteifte. Wenn der Typ so ein chauvinistisches Machoschwein, wie der ex-KSK Michael war, dann konnte sie sich schnell dafür eine Kugel einfangen. Dann lachte der Wächter vor ihr laut und herzhaft und senkte die Waffe ein Stück.
"Du hast echt Eier, Kleine! Gefällt mir!" stieß er hervor und Jessie knirschte angewidert mit den Zähnen, weil sie es einerseits nicht mochte, 'Kleines' genannt zu werden und sich andererseits vorstellen konnte, was dem Typen gerade durch den Kopf ging. Dennoch machte sie eine gute Miene zum bösen Spiel und lächelte ebenfalls, als würde ihr die Art des Mannes gefallen.

Er deutete mit der Waffe auf den inneren Bereich der Siedlung und gab ihr damit zu verstehen, dass sie an dem Schlagbaum, der die Straße absperrte, vorbei und vorgehen sollte. Sie nickte und ging voraus, schaute sich in dem kleinen Dorf um und bemerkte die überraschten Gesichtsausdrücke der Männer, die an Feuern Pause machten, Geschichten erzählten oder auf einer Gitarre melancholische, russiche Lieder spielten. Eine Bande hartgesottener Männer, wenn sie je welche gesehen hatte. Und sie hatte schon mit den Nachtwölfen, bulgarischen Schleppern und der russischen Mafia zu tun gehabt.

In diesem Moment fragte Jessica sich ernsthaft, ob sie diesen Ort jemals wieder lebend verlassen würde, oder ob sie ihre Neugier jetzt endgültig ins Verderben getrieben hatte.
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Der Gruppe an der Janow war das Verschwinden des Kommandanten in Pripyat relativ egal. Kovac und Starik, die die Außenstelle an der Janow Station bildeten waren grundsätzlich mit Sokolovs Methoden nicht einverstanden gewesen. Es mangelte ihm an Disziplin, am nötigen Ernst, an Verantwortungsgefühl und überhaupt er er im Grund selbst ein Verbrecher, nur dass er eben den nötigen Rang hatte der das alles unwichtig zu machen schien.
Er war Rangniedriger und hatte nicht viel zu melden und deshalb war er auch nur die Außenstelle an der Janow, Pripyat untergeordnet und nicht mehr als ein Handlanger der Jäger, vor allem Sokolovs.
Deshalb war er auch nicht weiter unglücklich, als der Oberst nicht mehr zurückkehrte, nicht nach Tagen, nicht nach Wochen, Monaten und auch nicht nach mehr als einem Jahr.
Es gab Untersuchungen, es wurden Fragen gestellt, er konnte so alle ehrlich beantworten.
Er musste keinen Hehl daraus machen, dass er Sokolovs Vorgehensweise nie sonderlich geschätzt hatte und ihm auch zutraute, dass er sich einfach aus dem Staub machte um irgendwo irgendeine Hure zu knallen. Irgendwo am anderen Ende der Welt wenn möglich, sollte ihm recht sein.
Er würde seine Arbeit hier weiter machen und sich Beförderung um Beförderung verdienen. Verdienen, jawohl, anders als dieser Emporkömmling, der alle Vorteile nur über die Familie erhalten hatte. Kein Arbeiterkind sondern Neureiche, die mit ihren dicken europäischen Wagen in zweiter Reihe parkten und glaubten, sie hätten das Recht dazu nur eil sie ein paar Rubel mehr auf dem Konto hatten. Er hatte sich nichts erarbeitet, alle nur geerbt.

Jetzt gerade stand Kovac dem Stalker gegenüber, den sie hier 'Wolf' nannten. Der war so etwas wie eine Institution hier, genauso wie der Händler, Sidorovitch, die der Rucksack. Irgendwie überlebten sie seit über 15 Jahre in der Zone und schlugen Profit aus den Neuankömmlingen. Auf ihre ganz eigene Weise.
Aber in der letzten Zeit hatte es sich eingebürgert, dass einerseits Touristen versuchten in die Zone zu gelangen - weniger optimal aber fast noch schlimmer, irgendetwas war wohl in den sozialen Medien durchgesickert und nun zog die Zone irgendwelche verrückten Instagrammer an wie Scheiße die Fliegen und wie Fliegen starben sie auch. Entweder weil sie bei einem dummen Selfie in eine Anomalie tappten oder weil irgendwelche Banditen auf den Trichter gekommen waren, dass diese Idioten leicht zu fangen waren und meist sogar ganz gute Ausrüstung mitbrachten, vor allem aber Smartphones auf denen man noch eine Weile Musik hören konnte. Gut, er übertrieb, aber 4 tote Influencer war schlimmer als ein ganzer Schulbus verschwundener Kinder, man musste sich etwas einfallen lassen um das in den Griff zu bekommen. Online wie offline.

Und Wolf und die Jungs hier hatten nicht vor auch nur irgend einen Finger krumm zu machen. Kovac konnte ihnen keine Anweisungen geben er musste versuchen, ihn zu überzeugen und das war bei diesen anarchistischen Sturschädeln schwer genug, da hätte er sich auf den Kopf stellen können. Wolf war nicht einen Finger breit zu bewegen.
Er wollte seine Leute nicht in Gefahr bringen und so weiter, er solle doch froh sein, die schnappen sich nur Touristen, um sie ist es nicht schade...
Was es draußen für Probleme machte konnte er ihm ja nicht erklären.
Daran zu denken, dass er vor 10 Jahren wohl noch anders entschieden hätte kam Kovac nicht, er war noch nicht so lange in der Zone.
So diskutierten sie noch eine Weile ehe sich Kovac dann entnervt zu den anderen ans Feuer setzte. Er würde es später mit seine Kollegen besprechen müssen, vielleicht kontaktierte er sogar den Armeeposten oder es gelang ihm, die Wächter aufzustacheln, irgendetwas musste geschehen.
Und dann wollte es der Zufall, dass gerade jetzt so ein Tourist auftauchte... schlimmer noch eine Touristin. Verdammte Scheiße noch eins.
Unschlüssig wie er vorgehen sollte blieb er erstmal am Feuer sitzen bei den anderen, lauschte ein wenig, es schadete nie, die Ohren offen zu halten.
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Jessica Voss
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Jessica folgte dem Mann wortlos und ließ den Blick über die verfallene Siedlung streifen. Die wenigen Gebäude waren nur noch Ruinen, Skelette ihrer einstmaligen Wohnlichkeit. Hier und da konnte sie durch Löcher in den Wänden oder Fensterrahmen, die schon ewig kein Glas mehr hielten, einige alte und vergammelte Möbelstücke erkennen, die wohl niemandem mehr einen anderen Nutzen bieten konnten, als stinkendes, stark qualmendes Feuerholz zu sein.
Sie folgten der Straße aus plattgetrampelter Erde, die zwischen den Gerippen der Häuser verlief, und sah die Männer an, die in kleinen Grüppchen verstreut, nahe der Gebäude verweilten, miteinander redeten oder sich an kleinen Feuerstellen etwas zu Essen warm machten. Der Geruch nach verschmortem Dosenfutter bewirkte, dass sich Jessies Magen sowohl vor Hunger, als auch Ekel regte. Die beschwingenden Klänge eines russischen Liedes drangen an ihr Ohr und sie lauschte mit geteilter Aufmerksamkeit dem Text, den der Gitarrenspieler zu seinen geübten Handgriffen mit rauer Stimme sang.

"Sasha ochen' lyubit knigi,..."
'Sascha liebt Bücher sehr,...'
Jessie musste sich ein spöttisches Grinsen verkneifen. Diese Männer sahen nun nicht gerade wie Gelehrte aus. Ihre Gesichter waren abgehalftert und wettergegerbt. Ein harter Schlag von Männern, die ihr Leben in einer todbringenden Umgebung verbrachten und nur die besten von ihnen kamen damit durch. Darwin hätte seine helle Freude an diesem Ort gehabt.

"... pro geroyev i pro mest',..."
'... über Helden und über Rache,...'
Na, das machte doch schon durchaus mehr Sinn. Das Kind im Manne. Der große Held zu sein, der Abenteuer erlebt und am Ende das Mädchen bekommt. Die Blicke, die die Stalker ihr zuwarfen kannte sie und sie hatten nichts mit einem romantischen Candlelight Dinner zu tun. Diese Blicke hatte sie schon hunderte Male auf sich gespürt. Allein als Frau in einer Männerdomäne. Da war es egal, wo man sich befand, sei es auf Informantensuche in einer russischen Straßengang, auf Newsflash-Suche bei ukrainischen Partisanen oder einfach nur in einem deutschen Werk, in dem Männer schwere, dreckige Arbeit verrichten mussten.

"... Sasha khochet byt' geroyem,..."
'... Sascha will ein Held sein,...'
Jessie empfand bei diesen Blicken weder Abscheu noch Ärger. Sie konnte es den Männern nicht einmal verübeln, so allein unter sich, monatelang von der Zivilisation entfernt. Zur Hölle, sie wollte keine Bilder von sich selbst sehen, wenn sie nach einer Woche im Büro den knackigen Typen im Fitnessstudio nachgaffte. Das war wohl die Natur des Menschen. Dennoch,... im Gegensatz zu all ihren anderen, bisherigen Einsatzgebieten hatte sie hier keine Chance auf Flucht oder darauf, dass rechtzeitig Hilfe kam. Sie hätte sich die Haare zu einem Knoten unter eine Mütze stecken sollen, verdammt!

"... a on takoy i yest'."
'... und er ist.'
Na, da konnte sie ja nur hoffen, dass die Männer sich auch so verhalten würden. Sie war ihrer Laune ausgeliefert, das wusste sie. Vielleicht würde die nahe Militärpräsenz ein wenig Disziplin bringen, aber Jessie glaubte nicht daran. Oft waren Soldaten noch viel schlimmer, als die niedersten Zivilisten. Aber sollte es zum Schlimmsten kommen, wäre sie bereit und würde nicht kampflos untergehen, das stand jedenfalls fest.

Keiner der sie umgebenden Männer hatte das Wort an sich gerichtet. Nicht einmal Pfiffe oder unzüchtige Gesten hatte sie gesehen. Vielleicht führte dieser Wolf ja ein strenges Regiment. Vielleicht waren die Stalker auch einfach nur müde und ausgezehrt vom harten Leben in diesem Todeskessel. Die Worte ihres Führers durchbrachen ihre schauerlichen Gedanken.
"Wohin soll ich dich bringen, Kukolka?"
'Püppchen',... naja, man hatte ihr schon schlimmere Namen gegeben und der Tonfall des Mannes war weder unfreundlich noch herablassend, was sie ihm unter diesen Umständen durchaus hoch anrechnete. Er fuhr fort, ihr die Möglichkeiten aufzuzählen.
"Ich kann dich zu Wolf bringen. Er ist hier sowas wie unser Anführer und kennt die Zone, wie fast kein anderer. Allerdings ist er gerade in einem Gespräch, also müsstest du dich gedulden. Schwer für Touristen, ich weiß. Dann wäre da noch Sidorovich, ein Händler, der sich hier wie eine Zecke festgesetzt hat und dir wohl genauso viele Informationen geben kann. Beide sind schon seit über zehn Jahren hier und trotzen allen Widrigkeiten. Bei Sidorovich glaube ich allerdings, dass er einfach nur zu alt und fett geworden ist, um noch durch die Türen seines Bunkers zu passen."
Er lachte dreckig und schaute Jessie, wohl stolz über seinen eigenen Witz, vergnügt an. Sie gab ihm ein möglichst diplomatisches Lächeln zurück.
"Jedenfalls ist Sidorovich ruhig und nett, aber doppelzüngig wie eine Schlange. Alles hat für ihn einen Preis, also wäge gut ab, was du ihm bieten willst. Wolf hingegen ist ein harter, fieser Mistkerl. Hart aber gerecht. Kein Bullshit, direkt auf den Punkt. Aber er mag keine Touristen. Deine Entscheidung, Püppchen."

Jessie dachte einen Moment über ihre Optionen nach, während sie die Ausläufer von Noobtown erreichten. Ein Händler, der schon seit über einem Jahrzehnt hier sein Lager aufgeschlagen hatte und von allen namentlich erkannt wurde? Der klang nach einer hervorragenden Informationsquelle. Aber hatte sie etwas von Wert für ihn? Sie wusste nicht, wieviel so ein gestrandeter und dazu noch defekter PDA wert war. Vielleicht waren die Daten darauf ja noch zu retten und durchaus wertvoll. Dennoch,...
Dieser Wolf,... wenn sich ein Mann schon Wolf nannte und Anführer eines "Rudels" war, dann konnte man von ihm auch gewisse Alpha-Tier Eigenschaften erwarten. Zum Beispiel würde er es wohl nicht gut heißen, einfach so übergangen zu werden. Wahrscheinlich war es ratsam, sich erst einmal mit ihm zu beschäftigen und ihm die nötige "Aufwartung" zu machen. Ein Stalker, der schon so lange überlebt hatte, musste noch bessere Informationen besitzen und vielleicht wäre der Kerl einfach nur wieder froh, sie los zu sein, damit seine Männer nicht weiter abgelenkt wurden. Sie hatte sich entschieden.

"Bring' mich zu Wolf!" sagte sie entschieden und mit einem Selbstbewusstsein, welches sie nicht spürte. Sie hoffte nur, dass dieser Wolf nicht versuchen würde, ihr die Kehle heraus zu reissen.
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Er hockte am Feuer, wärmte sich kurz die Hände und lauschte den Gesprächen.
"...einen Seestern gefunden... Verdammtes Scheiß Glück."
"Baradatsch hat's erwisch, ja, gestern."
"...hat viele erwischt. Eine scheiß Apokalypse war das."
"...wieder das blasse Mädchen gesehen, bei Rostok... hat Hunde verjagt."
"...du spinnst..."
"Gib mal her das Zeug..."
"Halt du doch die Schnauze!"
"...hast du von Skif gehört?"
"Im Dezember wollte der wieder hier sein..."

...Die Frauen sind verrückt nach Sasha,
Sasha ist verrückt nach den Frauen...


Der Sänger, ein junger Mann mit ernsthaft Talent kannte das Lied offenbar komplett auswendig. Mal etwas anderes. Die anderen Hits von Zoi hörte man hier rauf und runter, "Sascha" war mal etwas neues.

Der Wächter, auch ihn hatte Kovac schon ein paar mal gesehen, aber der Name hatte ihn nie interessiert, führte die Touristin gerade zu Wolf. Er hatte ihr zuvor noch genau erörtert wer Sidorowitch war und wer Wolf. Er war dabei geduldiger als die meisten.
Aber der beste Rat für die Frau wäre gewesen, schmier dir Dreck ins Gesicht und versteck die Haare unter der Mütze, hier draußen sind sie noch halbwegs geduldig, aber wenn du Banditen in die Hände fällst...
Aber was kümmerte es ihn. Vielleicht kam sie ein Dorf weiter ehe Hunde sie fraßen, vielleicht kam sie an den Hunden vorbei und lief einer Militärstreife in die Arme oder doch wieder Banditen. Die Zone holte einen, so oder so.
Nur ein Wort ließ ihn dann doch aufhorchen. Sie wollte etwas verkaufen. Es lohnte sich vielleicht doch zuzuhören. Die wenigsten Touristen wollten etwas verkaufen, meist suchten sie etwas, einen Führer in der Regel. Sie ging anders vor.
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Bis eben hatte sich der Mann, den alle 'Wolf' nannten noch mit dem Schmied unterhalten. Das war wohl der Name. Manche nannten ihn Kusnetz, andere Kovac, Aber egal ob russisch, slovakisch oder kroatisch, es war die gleiche Bedeutung. Vielleicht leitete sich das ja von seinem Familiennamen ab oder von einem Beruf, das mochte so sein oder auch nicht, hier interessierte das keinen. Der Bursche war reichlich jung und in Wolfs Augen ein Großmaul. Er sah es so: der Kerl wollte sich profilieren um irgendwann von den Jägern in Pripyat akzeptiert zu werden, zu denen er wohl losen Kontakt pflegte, aber nachdem er immer noch hier war und nicht in der großen Stadt war er ihnen wohl noch zu grün. Und so hatte er sich mit solchen wie dem herumzuschlagen.
Und der wollte ihm erzählen, dass man gegen Banditen vorgehen müsse... Schwachkopf.
Namen galten in der Zone etwas. Und ihn nannten sie den Wolf, das hatte er sich auch verdient.
Der fiel eindeutig in die Kategorie 'Wasja'.
Und bei der Gelegenheit schleppte ihm Nosik einen Touristen an.
Erst dachte er, es wäre so eine Schwuchtel von neuerdings 'metrosexuellem' Jungen, aber es war noch schlimmer. Es war ja wirklich eine Frau.
"Das Püppchen will was von dir, Wolf."
War die einzige Erklärung, die er erhielt. Und das nachdem er seit geschlagenen 15 Jahren den Job hier machte. Sie lernten einfach nicht dazu oder vergaßen schneller wieder als sie ihren Namen buchstabieren konnten. Sie fingen schwach an, nur um dann stark nachzulassen. Dämliche Wichser von Anfängern.
Wolf mustere ihn aus kleinen zusammengekniffenen Augen. Er war alt geworden und die Jahre in der Zone waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Schlecht rasierte Bartstoppeln, fleckige Haut aber ansonsten ein Durchschnittsgesicht. Nur eben alt. In der Zone alt geworden.
"Und was?... ha? ...dann soll sie es mir erklären, Nosik, wenn du dazu nicht in der Lage bist."
bellte er, und zum Teil wurde klar, woher der Name kam.
So einen 'Hund' zu nennen traute sich einfach keiner.
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Jessica Voss
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Trotz des Halstuches, welches Nosiks Gesicht bedeckte, war ihm anzusehen, dass er über Wolfs Reaktion die Nase rümpfte, als er ansonsten wortlos Kehrt machte und wieder zu seinem Wachposten stapfte. Vielleicht war es nicht nur der Rest des nuklearen Fallouts, vor dem die Männer hier ihre Gesichter bedeckten. Vermutlich konnte es sich keiner der harten Jungs leisten, die wahren Gefühle zu zeigen, wenn sie nicht an der Position des Alpha Tiers standen. Und dieser Wolf machte trotz seines Alters noch eine gute Figur, was das anging. Sein grantiger Tonfall allerdings trat Jessicas Hoffnung auf eine gesittete Diskussion, ohne sich selbst erst beweisen zu müssen, mit Füßen.
Sie musterte den alten Mann für einen Augenblick und die Stille zwischen ihnen beiden tat ihr übriges, die Situation zuzuspitzen. Der Kerl sah krank aus. Wie jemand, der an Leukämie erkrankt war. Oder wie ein Strahlungsopfer. Von denen hatte sie bei ihrer Recherche einige Photos gesehen. Letztendlich lag es wohl daran, dass er bereits wie ein alter Mann wirkte, obwohl er sicherlich höchstens Ende vierzig sein konnte. Und sein grimmiger Gesichtsausdruck zeigte unverhohlen, was er von ihr, einer Touristin und Frau in seinem Camp hielt. Wie sollte sie vorgehen, wenn sie seine Hilfe benötigte? Die Jungfrau in Nöten spielen und an seine Männlichkeit,... seine Ritterlichkeit appelieren? Es war sehr unwahrscheinlich, dass der Kerl mit etwas anderem darauf reagieren würde, als mit Abscheu. Sie schätzte seinen Charakter so ein, dass er Stärke und Kompetenz respektierte und davon täglich nicht allzuviel zu Gesicht bekam. Also blieb erneut nur die Flucht nach vorn. Denn spielte sie das schwache Lamm zwischen Wölfen, war sie früher oder später eh das Opfer. Tat sie gar nichts, würde sie in der Zone verhungern oder ihren Gefahren erliegen. Sollte sie ihn mit ihrer Direktheit verärgern, anstatt seinen Respekt zu gewinnen, würde sie wenigstens kämpfend untergehen. Sie versicherte sich des vertrauensvollen Gewichts der Kalaschnikow, die am Gurt über ihrer Schulter hing. Es war unwahrscheinlich, dass sie die Waffe rechtzeitig in Anschlag bringen konnte, sollte der Veteran sich entschließen, sie für ihr loses Mundwerk bestrafen zu wollen. Aber ihre Präsenz war nichtsdestotrotz ein schwacher Trost.

Jessie starrte dem Mann direkt und herausfordernd in die Augen und zwang sich, trotz seines intensiven Blicks, nicht wegzuschauen. Sie sprach mit fester Stimme und einer Selbstsicherheit, die sie beinahe schon selbst überraschte, da sie diese gar nicht fühlte. Ebenso achtete sie darauf, dass ihr Russisch so perfekt wie möglich klang und keine Spur eines fremdländischen Akzents an den Tag legte. Wer weiß, wieviel Nationalstolz diese Männer und speziell ihr Anführer hegten.
"Oh, das werde ich, Gospodin* Wolf. Und ich werde versuchen, nicht ihre Zeit zu stehlen."
Vermutlich war es nicht verkehrt, vorerst eine formelle und höfliche Art zu wählen. Respekt war Anführern immer wichtig und oft ließen sie sich damit von vorn herein beschwichtigen. Natürlich konnte dies auch nach hinten losgehen. Sollte der Mann sie Duzen, würde sie ebenfalls schnell wechseln.
"Hauptsächlich benötige ich Informationen. Ich mag so etwas sein, was ihr einen Touristen nennt. Aber ich bin nicht wehrlos. Auf mein Konto gehen bereits einige dieser Mutanten."
Nun, mit Ruhm hatte sie sich nicht bekleckert und es war ein wenig heuchlerisch, die verzweifelten Versuche zu überleben, als tapferen Sieg darzustellen, aber sie hatte schließlich überlebt und sich alleine durchgeschlagen. War das nicht schon etwas wert?
"Dementsprechend will ich weiter in das Zentrum der Zone vorstoßen. Ich will mehr wissen! Was hier geschehen ist, wer dafür verantwortlich ist,... alles!"
Sie holte langsam und darauf bedacht, keine feindliche Reaktion zu verursachen, den beschädigten PDA aus ihrer Tasche und hielt ihn in die Höhe.
"Dies habe ich bei einem toten Stalker gefunden. Und ich denke mir, dass die Daten darauf wohl einiges Wert sein könnten. Zumindest einige grundsätzliche Informationen."
Nun versuchte sie es mit einem charmanten Lächeln. Ihr nächstes Argument sollte in neun von zehn Fällen Aufmerksamkeit erregen.
"Und ich kann ihnen noch mehr bieten. 100.000 Euro an Wert in einer Währung ihrer Wahl, Rubel, Dollar, BitCoins,... was auch immer. Natürlich habe ich sie nicht dabei. Sie liegen auf einem schweizer Nummernkonto und sind nicht zurückzuverfolgen. Sorgen sie für eine Online Verbindung und ich bin bereit, sie für ihre Dienste zu überweisen. Ich brauche einen Führer durch die Zone. Jemanden, der sich auskennt. Am liebsten natürlich sie selbst. Aber wenn ihre Pflichten sie hier binden, begnüge ich mich auch mit einem kompetenten Ersatzmann. Solange er mehr drauf hat, als meine vorigen Führer."
Natürlich war diese Verunglimpfung der beiden gestorbenen Söldner nicht unbedingt fair. Aber ein Mittel zum Zweck. Das Geld hingegen existierte wirklich. Der Spiegel hatte wohlweislich einiges an Schwarzgeld bei Seite gelegt, um Informanten sicher bezahlen zu können. Und Jessie hatte schon immer gut und verbissen handeln können. Im Laufe der Jahre hatte sie das ihr zugewiesene 'Spesenkonto' immer weiter füllen können und nun war sie an dem Punkt angelangt, an dem sie bereit war, alles auf einen Schlag herauszuwerfen.
"Hälfte jetzt, Hälfte nach Abschluss der Tour. Online-Verbindung vorausgesetzt. Eine grundlegende Ausrüstung und Verpflegung vorausgesetzt und wir können sofort los."
Es war unglaublich, wie hilflos sich ein Mensch heutzutage fühlen konnte, wenn man keine Möglichkeit hatte, das WWW zu nutzen. Ein paar Tage reichten bereits aus, um eine seltsame Art der Trauer und Verzweiflung hervorzurufen. Und abgesehen von der nötigen Geldüberweisung gelüstete es Jessie ungemein, einfach nur wieder das Gefühl von Zivilisation spüren zu können. Sie hoffte nur, ihr Handy Akku würde so lange überleben. Ihr Ladegerät war zusammen mit dem alten Rucksack verschollen und die altmodischen Geräte dieser PDAs würden ein modernes Handy wohl einfach nur grillen. Aber diese Stalker waren doch sicher nicht komplette Anachronismen. Der ein oder andere würde doch sicher auch mit moderner Technik spielen wollen, oder?
"Und falls sie Sorge haben, ständig das wehrlose 'Püppchen' beschützen zu müssen,..." Das Wort 'Püppchen' betonte sie bewusst mit besonders viel Verachtung, um ihm zu zeigen, was sie davon hielt. "... ich kann durchaus auf mich selbst aufpassen. Vielen Dank auch. Mit Sicherheit besser, als viele ihrer Anfänger hier."
Erneut ein starker Bluff. Aber sie war sich sicher, nur mit Eiern, die über den Boden schleiften, würde sie den Respekt des Mannes erlangen, den sie benötigte.
"Also,... was sagen sie? Deal?"
Sie runzelte die Stirn und deutete mit kreisendem Zeigefinger auf Wolfs Gesicht.
"Übrigens kann ich ihnen eine gute Hautpflegecreme empfehlen. Sie sehen nämlich echt scheiße aus."
___

* Gospodin = formelle Anrede gemäß dem deutschen "Herr".
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Wolf hörte zu, er versuchte es jedenfalls.
Man konnte ihm anmerken, dass wohl schon seit längerer Zeit niemand mehr so viele Sätze an ihn gerichtet hatte, zusammenhängende, sogar mit Grammatik und deutlicher Aussprache.
Es fiel ihm fast schwer zu folgen.
Aber er hörte zu. Jedes Wort.
"Wolf, einfach nur Wolf, kein verdammtes 'Gospadin' ich tu was für mein Geld."
Schon nach wenigen Sätzen war klar, dass die keine Russin sein konnte, kein Russe sprach so sauber die eigene Sprache, aber es nötigte ihm doch Respekt ab dafür. die meisten Touristen verssuchten es doch in englisch und obwohl er sogar ein paar Brocken verstand, immerhin hatte er früher englische Musik gehört und auch Fernsehen auf Englisch gesehen, da stellte er sich dann doch stur. Aber Sie hatte sich die Mühe gemacht, die Sprache zu lernen. Gut, ein Pluspunkt. Aber nur einer, und allein ihr Geschlecht hatte sie noch mit ein paar mehr davon aufzuwiegen.
Großspurigkeit gab es hier genug, die Hälfte aller Anfänger hier brüstete sich damit, irgendwas erledigt zu haben. Meist waren es Ratten oder Hunde. Wenn die wüssten was noch alles kam.
Sie zeigte sich selbstbewusst.
Aber bei BitCoins war er raus. Er hatte davon gehört, dass man sie nicht einfach kaufen konnte, dass sie mehr wert waren als der Rubel, aber nur virtuell... das begriff er nicht, das war ihm suspekt. Er wollte nur Scheine, oder den Gegenwert.
"Hör zu, Püppchen, mich bezahlt man mit echtem Geld, mit Munition, Futter oder einem guten Gewehr. Nicht mit Bits und Bytes. Aber abgesehen davon...
Du musst nicht mich überzeugen, Püppchen, überzeug die Zone. Mir ist es egal, wer hier herumrennt, und dein Geld brauch ich nicht. Aber..."
Und der Gedanken war zwar nicht ganz spontan, aber er kam ihm deswegen nicht weniger genial vor.
"Ich hab wen für dich. Hält sich auch für den besten. Gib dem Dein Geld, der bringt dich bis nach Pripyat wenn du ihn mit deinen Kulleraugen ganz lieb bittest."
"He, Kovac, schwing mal deinen Arsch rüber, gibt Arbeit für dich!"

Letzterer hatte am Feuer gesessen und versucht ein wenig zuzuhören.
Viel hatte er nicht verstanden, aber er hatte lange Ohren gemacht. Beim PDA war er schon aufmerksam gewesen und erst recht, als sie von BitCoin sprach, von Euro und Dollar. Sie brauchte eine Begleitung, und Wolf war gut, wenn auch aus den falschen Motiven. Aber was soll's, diese Touristin konnte interessant werden, wenn jemand solchen Mengen an Kohle zur Verfügung hatte war das auch interessant für seine Leute.
Und er stand Geweht bei Fuß.

"Das Püppchen braucht Begleitschutz, da kannst du dich nützlich machen und was gegen deine Banditen tun. Du erledigst das, ich bin raus, aber ich bekomm nen Anteil. kapiert?"
Er hatte auch Wolfs Antwort gehört.
"Munition und Proviant, ganz oldschool... schon kapiert. Bekommst du."
Er grinste und Wolf nickte.
"Was für ne Schule auch immer, ihr verpisst ihr euch jetzt, hab zu tun."
"Was denn? Hier rumstehen und bellen?" Wollte Kovac wissen.
"Nein, ich muss zu meiner Kosmetikerin, das Püppchen meint ich sähe scheisse aus."
"Dann zieh halt die Mütze über Gesicht und die Hose unter, dein Arsch ist vielleicht schöner."
"Ach verpiss dich du Wichser, erzähl deine dummen Witze nem Blutsauger!"
Kovac lachte und klopfte Wolf auf die Schulter.
"Danke alter Junge. du hörst von mir."
"Klar."

Er führte die Frau... junge Frau? Schwer zu sagen, aber vermutlich schon... etwas weg vom Wolf.
"Nennt man dich echt Püppchen oder hast du noch nen Namen? Mich nennen sie Kovac." Er war eindeutig ein wenig gesprächiger als die meisten anderen Stalker.
"Und dann erklär mir mal genau was du willst."
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Wolfs barsche Worte und die Erwähnung ihrer 'Kulleraugen' ließen Jessie relativ kalt. Sie war diese Reaktion gewohnt und je weiter man durch Osteuropa in die mehr russisch stämmigen Länder kam, desto schlimmer wurde es. Ein halber Kontinent von chauvinistischen Proletenschweinen. Naja, zumindest sprachen sie das ehrlich aus, was die Männer in anderen Ländern nur dachten. Höflichkeit, Dreistigkeit, Ehrlichkeit? All das war relativ unwichtig und der Mann hatte definitiv Recht. Überzeuge mit Taten, nicht mit Worten.
So nickte sie ihm einfach nur dankbar zu und wendete sich an den jungen Mann, den er Kovac genannt hatte. Schmunzelnd verfolgte sie das verbale Geplänkel zwischen den beiden Männern und nutzte die Zeit, ihren vorgeschlagenen Führer ein wenig zu mustern. Was Wolf mit 'Blutsauger' meinte, wusste Jessie nicht. Auch nicht, warum man einem Moskito Witze erzählen sollte, aber manchmal war der Humor der Russen sehr direkt und unverständlich.
Kovac war jedenfalls noch recht jung. Definitiv jünger als Wolf und er wirkte auch gesünder. Sah gar nicht mal schlecht aus, der Typ. Markantes Gesicht, noch volles Haar mit einer erstaunlich modernen Frisur an diesem Ort, der nur so nach CCCP und Alter schrie. Durchtrainiert. Ein Bock, auf dem man sich sehen lassen konnte, dachte sie vergnügt, rügte sich dann aber selbst, wie schnell plötzlich Lukas vergessen war, wenn so eine Sahneschnitte vor einem stand. Das hatte er als seinen Nachruf nun auch nicht verdient.

Nun, etwas fernab von Wolf, beantwortete sie seine Fragen.
"Ist mir letztendlich völlig egal, wie ihr mich nennt, wenn es euch Spaß macht. Verletzen könnt ihr mich damit nicht." gab sie etwas barscher von sich, als eigentlich geplant. Vielleicht kränkte sie diese Behandlung doch mehr, als sie zugeben wollte. Kurz überlegte sie, ob sie auch den Spitznamen nutzen sollte, den ihre Freunde damals manchmal genutzt hatten. 'Fox' oder 'Rotfuchs' wegen ihrer roten Haare und ihrer Schläue. Aber mit einem Typen namens 'Wolf' direkt nebenan, war das wohl ein wenig einfallslos und kindisch.
"Mein Name ist Jessica. Kannst mich Jessie nennen."
Sie streckte die Hand zur Begrüßung aus. Nur keine Scheu. Keine Angriffsfläche bieten.
"Kovac,... hast du auch einen Vornamen, oder nennt man dich nur beim Nachnamen?"
Mit unbefangenem Blick musterte sie den Mann von oben bis unten.
"Deine Ausrüstung sieht weniger zusammengeschustert aus, als bei den anderen,... Stalkern hier."
Noch immer stolperte sie über diese seltsame aber dennoch passende Bezeichnung der Bewohner dieser Sperrzone.
"Bist du Soldat? Ich dachte, Soldaten wären Touristen nicht sonderlich aufgeschlossen gegenüber. Auf dem Weg hier hin habe ich gesehen, wie einige Kampfhubschrauber kurzen Prozess mit einer Menschenmenge gemacht haben."
Die Erinnerung sorgte noch immer für Übelkeit in ihr. Sie hatte schon oft Grausamkeiten gesehen. In Osteuropa waren die an der Tagesordnung. Aber diese direkte Verachtung von Leben,... diese Zustände wie im Krieg? Eine reine Kriegsberichterstatterin hätte Jessie niemals werden können.

Aber sie hatte ja die große Frage noch gar nicht beantwortet. Wieder hob sie den defekten PDA in die Höhe und musterte Kovacs Reaktion darauf. Ein gieriger Blick würde ihr schon verraten, ob so ein Ding was wert war. Sie hoffte nur, dass der Kerl nichts von dem Geldkonto mitbekommen hatte. Ihr war nämlich noch während sie gesprochen hatte aufgefallen, welch beschissener Plan das mit 'Hälfte jetzt' war. Fünfzig Riesen waren genug Geld, um sie unter die Erde zu bringen und auf die andere Hälfte zu scheißen. Und sie würde das wartende Geld erst einmal nicht mehr ins Gespräch bringen, sofern Kovac nicht zuerst davon sprach.
"Der hier ist deiner, wenn du mir die Informationen gibst, die ich über die Sperrzone wissen muss. Warum existiert sie. Seit wann existiert sie? Seit dem Reaktorunfall? Was sind das für Mutanten dort draußen? Wissenschaftliche Experimente? Strahlung? Oh,... und wo die Fragen herkommen, gibt es noch tausend andere, also bereite dich darauf vor, den Mund fusselig zu reden für deinen Lohn."
Die letzten Worte waren barsch und ernst gemeint, doch mit einem freundlichen Lächeln verpackte sie sie für den Kerl in rosa Zuckerwatte.
"Und dann, wenn ich weiß, was hier abgeht, will ich zum Zentrum des ganzen. Pripyat ist schonmal ein guter Anfang, nehme ich an. Ich brauche einen Führer, der mehr drauf hat, als meine vorigen. Ich bin kein 'Püppchen',..." das Wort sprach sie mit voller Verachtung aus. "... und muss nicht dauerhaft beschützt oder auf einer Sänfte getragen werden. Ich trage meinen Teil bei, keine Sorge."
Mit der Handfläche tappte sie beinahe schon zärtlich auf den hölzernen Schaft der Kalaschnikow auf ihrem Rücken und hoffte, dass die Geste vertrauenserweckender aussah, als sie sich für sie anfühlte. Große Erfahrung hatte sie mit der Waffe jedenfalls nicht. Nur ein weiterer Bluff von vielen. Wenn sie jemals wieder lebend nach Deutschland zurückkehren würde, sollte sie wohl eine Karriere als professionelle Pokerspielerin in betracht ziehen.
"Aber ich will handfeste Beweise sehen. Sehen und dokumentieren."
Diesmal hob sie kurz die Kodak auf ihrer Brust an, um zu verdeutlichen, was sie meinte.
"Nur Worte und Geschichten reichen mir nicht. Ich bin mir sicher, es gibt hier in der Zone ebenso viele Schauergeschichten wie Männer, oder?"

Jessie hoffte, sie hatte den Mann nicht zu sehr mit ihrem Redeschwall und all den Gegenfragen überrumpelt. Mal schauen, ob die sexy Schale auch ein Hirn bot, welches er nutzen konnte. Schweigend musterte sie ihn mit ihren meerblauen Augen und wartete auf seine Reaktion.
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ERZÄHLER
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Er schüttelte vehement den Kopf als sie ihre Fragen stellte.
"Ich glaub, du hast die Zone nicht verstanden..."
Nein, natürlich nicht, wie auch, niemand verstand sie so recht, aber sie schien ja so gar nichts gehört zu haben. Funktionierte die Nachrichtensperre nach draußen doch so gut? Musste man sich schon in kriminellen Kreisen bewegen um mehr zu wissen? Dann schien Slavas Einsatz doch zu fruchten. Er vergönnte es ihm nur nicht.
U d wo setzte man an?
"Du brauchst nen Namen, und lass die Zone am besten nicht wissen, wer du bist. Ist wie mit dem Internet, keine Realnamen, nur Nicknames. Die Zone sucht dich sonst Zuhause heim, Stalkeraberglaube. Glaub es oder glaub es nicht, aber lass die Zone nicht wissen wer du bist. vielleicht auch einfach das Militär, denn allein hier zu sein verstößt gegen... hm... jede ne Menge Gesetze."
Das sollte als Andeutung reichen, wo er sich positionierte. Natürlich wusste er ziemlich genau, gegen welche Gesetze verstoßen wurde, aber das zu äußern hätte ihn ins falsche Licht gerückt. "Und... keine zu hochtrabenden Namen. Wolf hat sich seinen verdient... Bleiben wirr bei 'Püppchen' Nosik hat ihn dir gegeben, bewahr ihn gut auf bis dir ein anderer einen besseren gibt. So läuft das hier. Und du kannst dir sicher sein, Nosik wird auch nicht gern wegen seiner Nase so genannt. Ist nichts persönliches, nicht einmal gegen dich, auch wenn ihr Freund das immer gerne glaubt. Tscherv beschwert sich auch nicht, dass er 'Wurm' heiß weil er bleich ist wie ein Mehrwurm. Und Mucha... naja, der ist fett und eben alles andere als ne Fliege. Püppchen ist nciht der schlechteste Name."
Und er selbst plapperte viel zu viel... er gefiel sich selbst nicht dabei, er wollte auch der coole wortkarge Stalker sein aber er gelang ihm nciht was er sagen wollte in weniger Worten auszudrücken.
"Und ich bleibe Kovac. Egal ob das mein Name ist oder nicht."
Und er nahm die Hand nicht an... irgendwie war das aber eine Gewohnheit. Auch sein Vater hatte nie Frauen zur Begrüßung die Hand geschüttelt. Auch wenn das Ausländerinnen oft brüskierte.
Sie gingen weiter, er führte sie in Richtung Bahndamm, bog dann aber von der Straße an. Er blickte sie dabei nciht an, nicht weil er nicht sehen wollte, wie die Frau aussah, das wollte er nur zu gern, aber die periphere Wahrnehmung musste reichen, in der Zone sah man besser nur nach vorn, sonst konnte schnell jeder Schritt der letzte sein.
"Dann gleich drei Grundregeln..." eine kurze dramatische Pause... "Du wirst jede meiner Anweisungen befolgen, und zwar ganz präzise, jeder Schritt. Wenn ich sage 'Stop' dann rennst du nicht noch zwei Schritte weiter, auch nicht einen, du frierst an Ort und Stelle ein. Udn wenn ich sage 'renn' dann rennst du, keine Diskussion..."
Auf ihre Fragen ging er erst einmal gar nicht ein.
Und weil er merkte, dass er noch einen Punkt offen hatte:
"Und zweitens. Keine unnützen Fragen.
Hier läuft es so wie ich sage. Du bekommst deine Antworten, mit der Zeit, aber garantiert nicht alle, weil es die nicht gibt.
Und drittens. Ich setz voraus, dass du dich verteidigen kannst. Wenn du mit ner Waffe nicht umgehen kannst dann nimm keine in die Hand, denn die anderen die dich hier damit sehen können es und fragen nicht nach.
Und Viertens..."
Er blieb stehen und lachte und nun musterte er sie auch. Nicht schlecht für eine frau, nur konnte man bei der Kleidung bei weitem nicht genug sehen. Allerdings fiel ihm auf, dass sie wohl nciht zum ersten Mal eine Waffe in der Hand hielt. Weder hielt sie das Ding so martialisch als hätte sie es aus Filmen gelernt wie viele der Angeber die hier ankamen, noch packte sie es wie einen stinkenden Kadaver, wie er es von Frauen eher erwartete. Die hier kannte sich wohl aus. Gut, er würde sich das ansehen, die Gelegenheit kam sicher schneller als gut war.
"Ich weiß, ich kann schon zählen. Ist halt mehr geworden. Also... während wir gehen hältst du die Klappe, kein Gequassel. Hier draußen ist es noch ok, aber weiter drin kann dich jedes Wort umbringen, Wirst es schon noch verstehen. Und ich kann dir beibringen das zu verstehen... aber Beweise... was für Beweise... da gibt es nichts. Die Zone ist die Zone.
Und die Ausrüstung... hier draußen klauen sie sich alles zusammen was sie finden können bringen auch mal nen Neuankömmling dafür um, leichte Beute halt, und verkaufen den Kram dann wieder an die Anfänger... Ausrüstung wie deine. Das Gewehr, das hast du gefunden, oder? Gehörte dem alten Kren. Ich kenn ihn. Aber behalt es, dir nützt es mehr. Aber... gib mir seinen PDA. Du kannst eh nichts damit anfangen. Dafür waren die Ratschläge. Und für deine BitCoins bring ich dich nach Pripyat."
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Jessica Voss
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Ernsthaft? Jetzt kam der Typ wirklich mit Schauergeschichten an? Abergläubische Märchen, die am Lagerfeuer vom tapferen Kind im Mann zu tapferem Kind im Mann weitergegeben wurden? Eigentlich hatte sie dies zuvor nur halb im Scherz gesagt. Und jetzt machte der Kerl sich beinahe in die Hosen, weil irgendjemand diese 4000km² große Sperrzone antropomorphisiert hatte. Unglaublich. Auch sprach er von den Gesetzen des Militärs, beantwortete aber nicht ihre Frage zu seiner Zugehörigkeit. Im Allgemeinen plauderte er viel aus dem Nähkästchen, ohne dabei auch nur eine ihrer Fragen zu beantworten.
Und dann sollte sie sich 'Püppchen' als dauerhaften Spitznamen zulegen, weil er gar nicht mal schlecht war? Für wen hielt der Typ sie? Eine Stripperin aus einem ukrainischen Club? Was war es nur mit Männern und diesem Drang Spitznamen zu 'verdienen'? So wie Callsigns in den Luftwaffen aller Nationen. Da wird ein armes Schwein beim Wichsen erwischt und schon muss er bis zur Rente mit dem Spitznamen 'Spritzer' rumrennen. Was ein Kindergarten, echt jetzt!
Aber wie schon zuvor, schluckte sie darüber ihren Ärger hinunter. Sie wurde schon schlimmer beleidigt und wenn der Idiot sich wohlfühlte, wenn er seinen Chauvinismus raushängen lassen konnte,... Jessie stand da drüber.

"Na gut, einfach nur Kovac,..."
Sie zog ihre Hand wieder zurück. Der Stalker oder Soldat, oder was auch immer er hier machte, war zwar freundlich und redselig, aber doch irgendwie abweisend. So ganz durchschaute sie ihn noch nicht. Auf jeden Fall war es extrem ärgerlich, dass er von dem Geldkonto Wind bekommen hatte. Seine Vorstellung von einem fairen Handel spielte aber wohl in der gleichen Liga, wie ein Freihandelsabkommen mit Afrika. Vielleicht musste sie ihn zwingen, nicht das Püppchen in ihr zu sehen, nur weil sie lange Haare und zwei Brüste hatte. So ganz konnte sie ihre Wut nicht unter Kontrolle halten, was sich in ihrer abgewandelten Rekapitulation seiner Regeln äußerte. Sie gab sich jedenfalls alle Mühe, trotz all dessen, ihr Russisch sauber und verständlich und möglichst ohne ausländischen Akzent zu halten. Russen mochten sowas in der Regel.

"Zu Regel eins,... geht klar." bestätigte sie nur knapp. Sie sah durchaus ein, dass sie auf die Erfahrung eines dieser Stalker, oder die Fähigkeiten eines Soldaten, hören sollte. Die Hunde waren wie aus dem Nichts aufgetaucht und auch dieses seltsame Flimmern, was das Wildschwein und beinahe auch sie selbst umgebracht hatte, war nur schwer zu sehen gewesen. Sollte Kovac etwas bemerken, bevor sie es sah oder hörte, würde sie definitiv auf ihn hören.

"Zu Regel zwei,... fick dich! Alle sagen immer, 'Püppchen, du weißt gar nichts'." sie äffte einen neunmalklugen Ton nach, der die Abweisung des Gesagten deutlich bestätigte.
"Ist ja auch klar, wenn keiner auch nur eine beschissene Antwort auf eine Frage gibt. Hätte ich in meinem Leben für jeden dieser Kommentare auch nur eine beantwortete Frage erhalten, dann wäre mein neuer Spitzname nun 'Wikipedia'!"

"Regel drei. Wie gesagt, ich trage meinen Teil bei. Keine Sorge."
Wie, um ihre Worte zu bestätigen, nahm sie die Kalaschnikow vom Typ II von der Schulter, entnahm ihr das Magazin, prüfte den Füllstand mit kritischem Blick und lud die Waffe wieder teil. Dann zog sie den Verschlusshebel zurück und stellte die Flügelschraube zur Feuerwahl auf Einzelschuss. Das ganze hatte sie bereits auf dem Weg nach Nubgorod geübt und die gesamte Ladetätigkeit war schon eine einzige, flüssige Bewegung, die den Zweifler hoffentlich ein wenig zuversichtlicher ob ihrer Fähigkeiten stimmen würde. Auch, dass sie die Waffe nicht sofort auf 'AB' für den Vollautomatikmodus, sondern auf 'OA' für Einzelfeuer stellte, war bei einer so sehr streuenden Waffe mit viel Rückstoß eine kluge Entscheidung, die Munition sparen und zu deutlich mehr Treffern führen sollte, solange eine Gefahr nicht direkt vor einem stand.

Sie hielt die Waffe locker im Anschlag, da sie bereits die Grenzen von Nubgorod verlassen hatten und unterwegs zum Bahndamm waren. Doch blieb sie einfach stehen und schaute Kovac trotzig an.
"Zu Regel vier. Dann bleiben wir noch etwas in Nubgorod. Ich brauche eh noch Proviant, wenn es schon keine sonstige Ausrüstung mehr gibt. Und ein paar Fragen kann ich nicht aufschieben. Völlig planlos in die Gefahr zu stolpern sollte auch dir als idiotisch vorkommen, oder? Wenn ich meinen Teil beitragen soll, muss ich wissen, was mich da draußen erwartet. Und wieso zur Hölle gibt es keine Beweise? Ich habe Mutanten photographiert. Ich habe ein Massaker des Militärs photographiert. Und ich kann auch,..."
Sie ließ mit der Linken die Waffe los und fuchtelte mit ihr aufgebracht in der Luft herum.
"... was weiß ich?! Geheime Forschungslabore oder in Schutzanzügen Strahlungslecks vom Reaktor photographieren. Also komm mir nicht mit 'Keine Beweise'! Das ist Bullshit!"

Sie schnaubte gereizt und besann sich wieder ein wenig zur Ruhe. Sie musste einen klaren Kopf bewahren. Jetzt kam der Teil, der um das Geld ging. Zudem musste sie aufpassen und bereit sein, falls Kovac ihr ihre Worte krumm nahm und sich dafür rächen wollte.
"Und hier kommt Regel fünf,... von mir an dich. Halt' dich an den Deal und setz' keinen neuen auf! Ratschläge standen nie zur Debatte. Es hieß, Informationen für den PDA, und wenn du glaubst, ein simpler Trip nach Pripyat würde dir 100 Riesen einbringen, dann hast du dich aber ganz schön geschnitten. Für 100 Riesen will ich nicht nicht nur einen Touristenführer, der mir das Riesenrad, den Autoscooter und das Schwimmbad zeigt. Ich will wissen, was hier los ist und ich will Photos machen. Videos machen. Einen Augenzeugenbericht von all der Scheiße anfertigen. Fuck! Wenn hier ein Ufo gelandet und für all die abgedrehten Sachen verantwortlich ist, will ich ein Stück vom Antrieb haben."
Mit festem Blick starrte sie Kovac in die Augen und zwang sich, nicht als erste wegzuschauen. Es war gut, dass sie wieder beide Hände an der Waffe hatte, um im Notfall sofort bereit zu sein, denn sonst hätte sie ihm wohl noch herrisch mit einem Zeigefinger auf die Brust getippt.
"So läuft das ganze, und wenn das nicht deiner Art von fairem Handel entspricht, dann gehe ich halt zu Sidorovich und feilsche mit ihm für meine Ausrüstung und schlage mich alleine durch. Ich habe nichts mehr zu verlieren, bis ich nicht die große Story in der Tasche habe."

Das stimmte zwar nicht so ganz und sie bereute es auch sofort, sich mit den letzten Worten direkt als Reporterin geoutet zu haben, aber ob sie nun auf eigene Faust ins Zentrum vorstieß oder mit eingekniffenem Schwanz nach Deutschland zurückkehrte, blieb wohl gleich gefährlich. Aber wenn sie es lebend nach Deutschland zurück schaffte, würde sie einigen Leuten Rechenschaft ablegen müssen, die von ihr die ganz große Story erwarteten. Zudem würde sie sich ein Leben lang Vorwürfe machen. Immerhin war sie für drei Tode verantwortlich. Und sie würde sich bis in alle Ewigkeit die Frage stellen, was sie hier in der Zone verpasst hatte. Also blieb wieder einmal nur die Flucht nach vorn. Und sie hoffte, ihre brüske Art hatte Kovac nicht komplett verschreckt oder schlimmer noch, gegen sie aufgebracht. Er war nicht nur süß, sondern wirkte auch halbwegs kompetent. Es wäre eine Schande ihn gehen zu lassen und noch viel schlimmer - und gefährlicher - ihm eine Kugel verpassen zu müssen. Falls sie das überhaupt schaffen konnte.

Sollte er aber trotz ihrer Jammerei noch auf ihren Deal eingehen, so würde sie wohl auch Gebrauchtwagen an Millionäre oder Kühlschränke an Eskimos vekaufen können.
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ERZÄHLER
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Natürlich glaubte sie ihm nicht, nahm ihn nicht ernst. Aber so reflektiert war er dann doch, dass er verstand dass er selbst auch nicht davon geglaubte hätte. Er hätte vermutet da habe jemand zu viele schlechte Zombiefilme und Serien gesehen und dazu ein wenig zu oft gekifft.
Stalker Schauermärchen.
Man mußte es sehen um es zu glauben, aber begreifen konnte man es dann noch lange nicht. Aber man gewöhnte sich trotzdem daran. Es wurde zu etwas wie einer neuen Wirklichkeit.
Was hier stattfand ließ sich wissenschaftlich einfach nicht erklären, vor allem weil die Wissenschaft gar nicht zu den Dingen hinkam die sie hätte erklären sollen. Während diejenigen, die vor Ort waren mit Empirie wenig am Hut hatten, wie auch Überleben ging vor. Wer hier überlebte hatte bis auf wenige Ausnahmen keinen akademischen Abschluss.
Und was die Chaoten und Verbrecher sich dann zusammensponnen...
Es gab eine unendlich Vielzahl von Schilderungen der seltsamsten Vorfälle. An jedem Lagerfeuer hörte man neue. Dass die Frauen der Stalker oft deformierte Kinder gebaren war nicht einmal das Absonderlichste. Höchstens dass es über das Maß an Strahlenschäden hinausging... Und das erschreckende dabei war auch vielmehr, das vieles davon lebensfähig war. Er hatte nur Fotos gesehen, bei einem Vortrag der den Rekruten der 'Nachtwache' hatte einschärfen sollen wofür sie das taten, dass sie die Menschheit vor dem Übel der Zone bewahrten. Und er hatte kaum Zweifel daran, dass man auch die Mütter der Kinder vor allem Übel bewahrt hatte. Sorgfältigst.
Aber er begann abzuschweifen...
Irgendwann verfiel man eben darauf, auch die einfachsten Regeln zu befolgen zu glauben.
Er erinnerte sich nun an einen elendig langen Vortrag Slavas... Nein, da war er wohl Oberst Sokolov gewesen, zu den Zusammenhängen von magischem Glaube und tatsächlichem Ursache-Wirkung Effekt, der Ökonomie der Signifikanz und anderen Dingen von denen er sich nur Schlafworte gemerkt hatte und einen groben Kontext, weil er hoffte in der Bar damit Mädels beeindrucken zu können. Deshalb konnte er es auch jetzt nicht erklären und über eine Abstrakte Vorstellung ging sein Bild nicht hinaus, auf eine Diskussion dazu würde er sich nicht einlassen.

Das alles brachte ihn aber nciht weiter. Wie sollte er reagieren?
Sie hielt sich dagegen wohl für witzig. Würde sie ihn jetzt immer ''Einfach nur Kovac' nennen. Nicht ausgeschlossen.
"Ich nenn dich gerne auch Wiki... wie wär's damit, Wiki und die starken Männer, hm? Wenn du alles wüsstest wär's du wohl nicht hier. Und über die Zone... da weiß keiner was. Ich nahm mich nicht aus. Du kannst jeden Tag froh sein, den du überlebst. Du wirst es aber bald sehen, was ich meine."
Sein Blick war etwas finsterer geworden und er sah zu, wie sie die AK durchlud. Und sie wusste schon, wie man Munition sparte. Dann waren zumindest nicht Hopfen und Malz verloren.

"Also...4tens... Wenn du es auf deine Weise machen willst, mir alles egal. Dann rüste dich eben beim alten Sidorovich aus, am meisten hilfst du damit ihm. Oder du sparst dir dein Geld und wir finden unterwegs alles. Ich bleibe jedenfalls nicht hier. Siehst du die dort?" Er deutet zum Bahndamm. Dort gab es eine Unterführung während der relativ hohe Damm eine Art natürliche Barriere bildete. Den Durchgang blockierte ein nach Jahren immer noch provisorischer Stützpunkt der Armee.
"Dahinter fängt die Zone erst an... Sie dort... die schießen auf alles was sich bewegt. Und dort hinten..." er deutet in eine andere Richtung. "Wartet so ein verlauster räudiger Haufen Arschlöcher nur drauf, einen Leckerbissen wie dich vor den Schwanz zu bekommen. Da ist dann Ausrüstung das letzte worum du dir Sorgen machen musst. Wir holen noch Starik ab, dann gehen wir zum Zentrum."
Vielleicht reichte das als Antwort. Die Armee stand auf der anderen Seite. Ihn würden die Soldaten genauso erschießen wie sie. Berufsrisiko.
Er selbst wollte auch nicht gleich die Fakten auf den Tisch legen. Verbergen würde es sich über kurz oder lang nicht lassen, aber dazu hatte er ja seine Legende.
Er wollte nicht viel mehr erklären, das meiste würde sie schon sehen.
Viel wichtiger war, wie sie es sah und was sie später mit dem Wissen machte. Darauf kam es an.
Und er tappte sich dabei, dass er dachte wie Sokolov.
Natürlich galt es zu verhindern, dass sie zu viel vom gesehenen nach draußen trug, aber nciht weil er es ihr verbot, sondern weil sie selbst zu dem Schluss kam, dass das das beste wäre.
Keine Beweise. Fast hätte er gegrinst. Natürlich gab es nichts, denn alles was sie in die Finger bekamen wurde... Ja, was auch immer. Markin kassierte es ein. Er glaubte nicht, dass es vernichtet wurde, aber zu Gesicht bekam es auch niemand mehr.
Und es hatten schon ganz andere den Kopf dafür verloren, dass sie glaubten irgendetwas an die Presse geben zu können. Ausgerechnet. Nur einen Bruchteil eines Augenblicks hätte er es vorgezogen, diese lästige Reporterin einfach an Slava weitergeben zu können. Der wusste, wie man mit denen umsprang. Aber er würde das schon schaukeln.
"Fünftens... wir haben bisher keinen Deal. Ich zeig dir was du will, das Riesenrad, das Schwimmbad und wir machen auch noch eine schöne Wohnungsbesichtigung. Wenn du lange genug lebst find ich auch jemanden, der dir den Reaktor zeigt, all inclusive... aber, Schätzchen, und dazu musst du mir leider erstmal vertrauen und bluff mich nicht so an... Die Strahlung ist hier echt das geringste Problem.
Ich würde dich auch zum Anführer meiner Fraktion bringen, Ochotnik, aber selbst eine Legende wie der hat mittlerweile das zeitliche gesegnet... Und hier..."
Er kramte kurz in seinem Rucksack, fischte eine etwa Handtellergroße Aluminiumdose heraus, schraubte sie auf und warf ihr zu, was darin gelegen hatte.
"...da ist schon mal ein Teil des Antriebs... keine Angst, ist leer."
Es war ein unförmiges Gebilde, schwach phosphoreszierend und die Oberfläche weich und gummiartig, das Innere jedoch hart. In unregelmäßigen Abständen pulsierte es und das Licht wurde ein wenig stärker.
"Hinter der Scheiße sind alle her. Und wenn du wissen willst was es ist... Vermutlich wirklich Scheiße... oder ein Kadaver."
Es war halbwegs wertlos und emittierte kaum Strahlung, trotzdem war es immer besser, Artefakte sicher zu transportieren. Sie waren kaum erforscht und wer konnte schon ahnen welche Eigenschaften sie plötzzlich zeigten, hielt man das richtige Messgerät dran.
"Alles was du brauchst sind Ein Geigerzähler und ein Anomalidetektor und nen eigenen PDA. Nen Geigerzähler hast du hoffentlich, nen Detektor bekommst du von mir und ich richte dir auch nen eigenen PDA ein. Proviant kannst du auch von mir haben. Im Tausch gegen den PDA von Kren. Und wenn ich dir zeigen soll was das ist und wo es herkommt, dann für deine BitCoins, dann haben wir nen Deal."
Gesperrt