Allgemein | Aufenthalt in Nowigrad

Lange Zeit war Nowigrad kein Teil von Redanien, lange Zeit konnte die größte (mit ca. 30.000 Einwohnern) und zweifelsohne auch die reichste Stadt den Status einer freien Handelsstadt halten. Nach den letzten Kriegen aber ist sie mehr oder weniger zur inoffiziellen zur Hauptstadt der freien Nordländer, vor allem Redaniens geworden seit Dijkstra als Regent zusammen mit dem Handelsrat von hier aus die Fäden zieht.
Als Heimat des Kults des Ewigen Feuers hat in der Stadt allerdings auch das Wort des Hierarchen Gewicht.
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Avarion DeSpaire
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Von/Nach: Skellige: Ein langer Winter --> Nowigrad: Aufenthalt in Nowigrad
Datum: Frühjahr 1278 --> Anfang August 1278
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Da war er nun. Auf dem Festland, in Nowigrad. Soweit er das vorher recherchieren konnte, war dies die größte Stadt im Land. Für sein Vorhaben traf sich das sehr gut. Aber zuerst musste er eine Unterkunft beziehen und die Übelkeit los werden. Und die Kleidung. So praktisch die auch für die Überfahrt war, so sehr roch sie nun, was freundlich ausgedrückt war und er musste aus ihr raus. Ob er die im Hinterhof verbrennen konnte? Oder er drückte sie Einar in den Arm und zog sich schon mal was anderes an. Gesagt getan. Die Wasserfeste Oberbekleidung landete wieder auf dem Boot und Ion zog sich, noch bevor er das Schiff verließ um. Die Blicke und Sprüche der Nordmänner ignorierte er, waren sie wenig schmeichelhaft. Ion hatte deutlich an Gewicht verloren und seine Haut spannte sich hart über seiner nun sehnig wirkenden Muskulatur. Zwar schwankte er ein paar mal beim umziehen und musste sich mehr als einmal an der Seitenwand festhalten, doch so übel konnte ihm nicht sein, dass er das umziehen nicht mehr schaffte.

Dann umgezogen ließ er sich zu einem Gasthaus bringen. Nicht das billigste, aber auch nicht das teuerste. Er wollte ein Bad nehmen und sich dann was frisches anziehen. Als sie an einem der örtlichen Bordelle vorbei kamen, erinnerte er sich daran, das er da drin für bare Münze fast alles kaufen konnte. Er ließ sich von Einar den restlichen Weg beschreiben und buchte sich ein Mädchen, dass ihm Gesellschaft leisten, Waschen und Massieren sollte. Nach der aufmerksamen Behandlung der rauen Nordmänner an Bord, fühlte er sich wie zerschlagen und fast schon fremd in seinem eigenen Körper. Und auch wenn die junge Frau noch nicht sehr lange in diesem Gewerbe zu Hause war, verstand sie ihre Arbeit. Ihre Berührungen hatten fast schon etwas magisches und Ions Lebensgeister kehrten zurück. Zwischenkörperliche Intimität wollte er oder besser Toralar auch, beließ es aber bei Handarbeit ihrerseits. Nachwuchs in dieser Welt wollte er nicht riskieren.

Erst gegen Mittag bezog er im Gasthaus ein Zimmer und legte sich aufs Bett. Die Wochen auf See hatten seinen Gleichgewichtssinn ordentlich durcheinander gebracht und liegend auf dem Bett, fing die Welt sich direkt wieder an zu drehen. Mit einem resignierenden Seufzen stand er direkt wieder auf. Er bestellte sich was zu trinken und setzte sich schließlich auf dem Balkon um den Blick über die Stadt schweifen zu lassen.
Nowigrad kam ihm riesig vor, nach dem halben Jahr auf der Insel, und die Bauart erinnerte ihn stark an Sturmwind, die Hauptstadt der Menschen in seiner Welt. Auch dort waren die Gebäude aus Stein gebaut, mehrere Etagen hoch und die Straßen gepflastert. Es gab sowohl reine Steingebäude, als auch viele Fachwerkhäuser. Je nachdem in welches Viertel man sich verirrte, gab es auch reine Holzhäuser. Viele Brücken und Torbögen und einsame Gassen und Hinterhöfe verbanden die einzelnen Hauptwege. Überall konnte man Bäume, rankendes Gewächs und hartnäckiges Grün sehen, welches der Architektur zum Trotz durch die Ritzen oder aus Ecken wuchs. Auch wenn Sturmwind nicht seine Heimat war, so fühlte er sich doch ein wenig mehr wie zu Hause und nicht ganz so fremd.

Die erste Woche verbrachte er ausschließlich damit sich die Stadt an zu sehen und den Rhythmus kennen zu lernen, den Mensch und Tier hier hatten. Auch lernte er die verschiedenen Arten von Menschen kennen, die hier lebten und da reichte die Spannweite von den Bettlern und Süchtigen, denen er im Hafen schon begegnet war, bis zu den Reichen, Adligen und Gläubigen. Letzte hinterließen bei dem Elfen eine Gänsehaut. Er konnte sie meist schon von weiten erkennen in ihren Rot Weißen Talaren und der irgendwie anderen Haltung. Vorsichtshalber wich er den Glaubensbrüdern großzügig aus, war er sich nicht sicher, ob es unter ihnen nicht auch welche gab, die seine Magie und vor allem seinen Untermieter spüren konnten. Bei einem seiner Ausflüge war er durch eine Gasse gegangen, an der zu beiden Seiten hohe Gebäude standen und an deren Ende er sich auf einer vorgelagerten Küste wieder fand. Die Anzahl der komischen Glaubensbrüder war hier so erschreckend hoch, dass er auf dem Absatz kehrt machte. Das er dabei einem fast in die Arme gerannt war, ließ ihn den Atem anhalten. Zum Glück murmelte der Kerl etwas unter seiner tief ins Gesicht gezogenen Kapuze und schlich weiter. Wie er später erfuhr befand sich so etwas wie eine Kirche oder Tempel auf dieser Insel, was die Vielzahl an Gläubigen erklärte. Freiwillig würde er sich dorthin kein zweiten mal verlaufen.
Mit seiner Kleidung fiel er hier schon deutlich weniger auf, als auf Skellige und doch vermied er es, seine Robe öffentlich zu tragen. Auch wenn auf den Straßen die Leute vornehmlich schlichte und weniger Bunte Kleidung trugen, so war schwarz noch immer eine seltenere Farbe. Was aber deutlich auffiel, war das Verhalten so mancher Menschen gegen Elfen oder anderen Anderlingen. Eine unschöne Begegnung mit Blutvergießen konnte er beobachten, selber aber zum Glück vermeiden.
Zu seinem weiteren Glück trugen viele Menschen in Nowigrad Kopfbedeckung und entschied Ion selber immer ein Tuch um den Kopf zu tragen, welches seine Ohren verdeckte, oder er zog die Kapuze seines Mantels über.
Anderlinge sah er wenige und gerade Elfen schienen sich vor neugierigen Blicken zu verstecken. Zwar sah er vereinzelt immer wieder mal welche, aber nicht so viele, dass er selber nicht mehr auffallen würde. Was ihm aber aufgefallen war, dass er mit seinen weißen Haaren wie ein Leuchtfeuer in der Masse war. Etwas was er dringend ändern musste.
So durfte ihm Frances, die Kleine, die er im Bordell immer buchte, die Haare bis zur Schulter kürzen, dunkel färben, inklusive Augenbrauen und Bart. Lediglich die Wimpern musste er sich alle paar tage frisch anmalen, damit das Gesamtbild stimmiger war. Ein einziges Mal erwischte er sich bei dem Gedanken, sich die Ohrenspitzen ab zu schneiden, als er zeuge einer Verhaftung wurde. Den Anklagepunkt hatte er nicht wirklich verstanden, aber der Stadtwache schien es zu reichen, dass der Mann ein Elf war.

Nach der ersten Woche suchte er den Örtlichen Schneider auf und war sehr sehr angenehm überrascht dort einen Elfen an zu treffen. Endlich jemand mit dem er in seiner Muttersprache sprechen konnte und der ihm vielleicht weiter helfen konnte. Ion bot ihm seine Dienste an, wobei er diese ausschließlich auf Reparaturen und Änderungen beschränkte. Die Mode seiner Welt war nicht sehr Hauptstadttauglich, so anders und auffällig wie sie war. Anders verhielt sich da der Elfenschneider, der saugte neue Ideen auf wie ein Schwamm und nicht selten fachsimpelten die beiden bei der Arbeit über Stoffe, Schnitttechniken und Stiche. Das der Elf eine andere Gesinnung hatte bezüglich seines eigenen Auftretens bekam Ion spätestens mit, als er zur Arbeit kam und der Schneider im Kleid, geschminkt und frisiert Kunden bediente. Das Angebot, bei dem Kollegen zu nächtigen lehnte Ion höflichst ab. Seine eigenen Vorlieben waren da doch eindeutiger gesäät.

Neben Arbeiten um die Kosten nicht überhand nehmen zu lassen, verbrachte er seine Zeit in Nowigrad damit, so unauffällig wie möglich Informationen zu sammeln. Dabei ging viel Zeit verloren um einfach nur durch die Stadt zu laufen und den Menschen bei ihren Gesprächen beiläufig zu zu hören. Die Anschlagbretter besuchte er dabei regelmäßig und sowohl bei den Gesprächen als auch bei den geschriebenen Worten stolperte er immer wieder über Sätze und Worte, die er nicht verstand. Dann notierte er diese und ließ sich von dem Schneider oder Frances helfen.
Doch egal wie lange er suchte und wo es ihn in der großen Stadt hin verschlug, einen wirklich klaren Anhaltspunkt fand er nicht. Magiebegabte sollte es hier geben, gefunden hatte er keine. Entweder waren sie wirklich so rar gesäät hier, oder aber sie gaben sich mühe nicht entdeckt zu werden, oder man vertraute Fremden schlicht und ergreifend zu wenig um ihnen Informationen in diese Richtung zu geben. Das waren dann die Momente in denen die Welt sich anfing zu drehen, die Gedanken keine Richtung mehr fanden und die Situation ihm einfach zu viel wurde. Er war irgendwie planlos und hilflos alleine in einer fremden Welt. Kein Befehlshaber war da, der ihm sagte, was er zu tun und zu lassen hatte. Keine Kameraden, die das gleiche Schicksal teilten. Einen Abend betrank er sich bis an den Rand der Besinnungslosigkeit und lallte davon, das ein Krieg so viel einfacher war. "Geh dahin und töte den. Kundschafte das Gebiet auf der anderen Seite des Flusses aus. Halt Wache. Versorge die Verletzten." Es war auch der Abend an dem sein unsichtbarer Wichtel sowohl als Wachhund als auch als Kuscheltier herhalten musste.
Die Tage und Wochen danach erlag er der Lethargie und ging eher aus Gewohnheit als aus Lust seiner Arbeit nach, oder lungerte auf einem Felsen an der Küste herum. Der Blick aufs Meer hatte zumindest etwas beruhigendes. Die Wellen schlugen in nie enden wollender Geduld gegen die Felsen der Küste oder krochen den Sand hoch an Land, bis sich ihre Kraft verlor und das Wasser zurück zum großen ganzen floss. Gelegentlich kehrten die Erinnerungen an die Überfahrt zurück. Dann kehrte das flaue Gefühl im Magen und die Kopfschmerzen zurück, die ihn dann zu Bett schickten. Alleine auf dem Laken liegend, den Blick an die Decke gerichtet kam ihm der schlichte Raum deutlich kleiner vor und die Wände schienen sich ihm entgegen zu beugen. Wie gerne hätte er jetzt Einar bei sich gehabt, ober den alten Druiden. Die Einsamkeit legte sich wie eine eiskalte Hand um sein Herz und zog ihn mit jeder Woche tiefer in ein dunkles Loch.

Es war die Kleine aus dem Bordell, die ihn irgendwann mehr durch Zufall auf der Straße entdeckte und sofort merkte, dass mit ihrem neuen Lieblingsfreier etwas nicht stimmte. Ohne Hemmung holte sie zu ihm auf, hakte sich unter und löcherte ihn mit Fragen. Seine Antworten waren weder gehaltvoll noch lebensfroh und so dirigierte sie ihn mit zu sich nach Hause. Sie kochte ihm Tee, redete bis tief in die Nacht mit ihm, massierte seinen Kopf und brachte ihn dazu sich richtig auszuschlafen. An diesem Morgen erwartete ihn Frances im Stuhl sitzend am Bett, die Füße hochgezogen und mit auf die Sitzfläche gestellt. Sie hatte eine dampfende Tasse in der Hand und sah ihn über den Rand hinweg an. Auf dem Tisch stand ein liebevoll aber nicht sehr reichhaltig zubereitetes Frühstück. Das erste mal seid langen konnte er wieder lächeln. Beim Frühstück erzählte sie ihm davon, wie sie zu ihrem eher zweifelhaften Beruf gekommen war und von ihren Plänen für die Zukunft. Es verwunderte ihn ein wenig, dass sie das Gewerbe nicht wechseln wollte, wohl aber eine Höhere Stellung oder aber Erlesenere Kunden wünschte. Er hörte ihr zu und fühlte sich nicht mehr ganz so einsam. An diesem Tag nahm er sich vor, ihr als Dankeschön für den Abend ein neues Kleid zu nähen, denn eine Bezahlung wollte sie nicht annehmen.
Einmal die Woche besuchte er sie von nun an im Bordell, wo sie trotz der Umgebung mehr redeten als intim miteinander wurden. Er nutze die Stunden um unauffällig Maß mit einer Schnur, in der regelmäßig kleine Knoten drin waren, zu nehmen. Bei einem der folgenden Besuche brachte er ihr das Kleid mit, welches sie mit großen Augen und irgendwie gerührten Ausdruck im Gesicht annahm. Er hatte ein schönes blau gewählt aus einem erlesenen Stoff. Geschmückt mit Stickereien und Borten und den passenden Schlitzen und Aussparungen, verdeckte es alles wichtige, ließ dem Beobachter aber Raum für viel Fantasie. Der Ausschnitt war bis zum Bauchnabel in einem geraden V geschnitten und mit einer dünnen silbernen weichen Kordel gebunden, so das es nicht von alleine auseinander klaffte. Auf beiden Oberschenkeln war ebenfalls ein Schlitz bis zum Boden wo die selbe Schnürung Platz fand, bis knapp übers Knie. Die Ärmel hatte er eng anliegend gewählt um der ganzen Gestalt eine gewisse Eleganz zu geben. Um das Kleid auch Alltagstauglich zu machen, hatte er ihr ein passendes Untergewand genäht. Trug sie beides zusammen wirkte Frances wie eine vornehme Frau. "Ich hoffe es gefällt dir. Und ich hoffe es bringt dir die Kundschaft die du dir so sehr wünschst."
Der Frühling verging und der Sommer und die ersten Blätter an den Bäumen wechselten ihre Farbe, als sich endlich eine Spur auftat. Im Gasthaus, bei einer der regelmäßigen musikalischen oder schaustellerischen Vorführungen konnte er ein paar Gesprächsfetzen von einem anderen Tisch mitbekommen. Und im Nachhinein schalt er sich selber einen Narren. Selbst Mäussack hatte ihn mal davon erzählt und er hatte es schlicht vergessen. Der alte Druide hatte ihm geraten nach Oxenfurt zu reisen. Und nun viel dieser Name in dem Gespräch der beiden Männer. Zum einen sollte es doch Magiebegabte geben und zum anderen wurde eine Archäologin nebenbei erwähnt. Vielleicht konnte ihm diese weiter helfen. Einen Versuch war es allemal Wert.
Als er an diesem Abend zu seiner Unterkunft zurück kehrte, bewegte er sich durch die Stadt als wäre es das normalste der Welt. Er war hier angekommen und fand sich recht gut zurecht. Selbst das Umland war ihm teilweise vertraut geworden, denn zum üben seiner magischen Fähigkeiten zog er sich an die einsamsten Orte zurück und das zu den unmöglichsten Zeiten. Bei einer Trainingseinheit war ihm der Zauber regelrecht von der Hand gesprungen und brannte wie ein grün brennender Komet eine Schneise durch das Unterholz. Mit großen Augen klaubte er so schnell es ging seine Sachen zusammen, stieg auf sein Pferd, welches er sich erst vor kurzen zugelegt hatte und galoppierte zurück zur Stadt. In den folgenden Tagen lauschte er sehr aufmerksam den Gesprächen der Leute und ganz unbemerkt war die Sache nicht geblieben. Es wurde Zeit auf zu brechen, so gerne er auch noch ein paar mehr Informationen vorab zusammen getragen hätte.

Ein letztes mal besuchte er an diesem Abend Frances und verbrachte die Nacht mit ihr. Die Neuigkeiten über seinen Aufbruch vernahm sie mit gemischten Gefühlen. Auf die Frage, ob sie sich je wieder sehen würden, konnte er ihr keine positive Antwort geben. Er sagte nur: "Vielleicht. Wenn es das Schicksal so will." An diesem Abend wünschte sie sich, dass er richtig mit ihr beischlafen würde. Es war der Klang ihrer traurigen Stimme und der glasige Blick in ihren Augen, der ihn weich werden ließ. Und eine seltsame Zuneigung, die er in diesem Augenblick nicht weiter hinterfragte. Schlaf fand er in dieser Nacht nicht viel und als die Sonne schon die ersten Strahlen über den Horizont schickte, verließ er sie, mit dem Wissen, dass sie mehr für ihn empfand als gut für sie beide war.

Er verabschiedete sich von dem Schneider, bei dem er seinen Lebensunterhalt verdient hatte und führte sein Pferd am Zügel mit den erwachen der Stadt durch das Tor, um seine Reise nach Oxenfurt anzutreten.
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