Im Sumpf

Velen ist die nordwestlichste Landschaft der Königreichs Temerien im Mündungsgebiet des Pontar. Sie grenzt, durch den Pontar getrennt, im Norden an das Königreich Redanien und im Westen an das Nördliche Meer. Zudem ist Velen durch zwei große Brücken mit Oxenfurt und Novigrad verbunden und ist daher ein wichtiger Handelsdurchgang zwischen Temerien und Redanien.
Velen wurde von Krähenfels aus regiert - Krähenfels ist eine Palisadenfestung im Herzen Velens mit ungefähr 50 Einwohnern. Der Blutige Baron, der in Krähenfels regierte, ist allerdings für unbekannt Zeit verreist.
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Du hast ihm einen Zahn ausgeschlagen, Jakob! Spinnst du? Schau wie er blutet. Was stimmt mir dir nicht, Mann?!
Was stimmt mit dir nicht?
Was.stimmt.mit.dir.nicht.


Slava holte ihn von den Füßen, den Aufschlag bekam er kaum mit. Klar, es musste so kommen - vielleicht hatte er genau darum gefleht, auch wenn er sich noch gegen die Fixierung zu wehren versuchte. Bis ihn wieder ein Schlag am Kopf traf und diesmal seinen ganzen Schädel vibrieren ließ. Schmerz half ihm selten aus seinen wütenden Anfällen. Eigentlich half gar nichts wirklich, nur Erschöpfung. Das Erreichen des Punktes, an dem der Körper erst revoltierte und dann den Dienst quittierte, aber davon war er gerade noch Meilen entfernt, auch wenn sein Atem stoßweise ging. Das lag eher an dem Oger in seinem Kreuz. Wenn es um Ausdauer ging, war er leider ziemlich gut in Form und das wiederum machte es schwer, die Grenze zu erreichen.
Was ihn allerdings dazu brachte, still zu halten, war seine Muttersprache. Stark akzentuiert zwar, aber eindeutig Deutsch. Es kam ihm so lange her, so unendlich fern vor. Im Kloster sprach man Englisch, Französisch und in den Lehrstunden oft Latein. Deutsch war für ihn in Vergessenheit geraten, seit er nach Flagstaff gegangen war. Er hatte es hinter sich gelassen, gemeinsam mit all den bitteren Erinnerungen an seine Heimat und den Deutschen Orden. An das Haus, dass ihn nicht wollte. Dem er eine Last gewesen war, weil sie nicht fertig wurden mit ihm und seinen Launen. Den sie aber auch nicht fort schicken durften, weil er ein Wissender war. Maximilian hatte sich seiner angenommen, ihm hätte er vertrauen können. Mit der Zeit. Doch der Großmeister unterrichtete längst keine persönlichen Knappen mehr und so fiel seine Akte an Alexej. Alexej mit seinen Psychospielchen und der Kerl in seinem Rücken kam ihm wie eine Reinkarnation des Templers vor - hätte nur noch gefehlt, dass er auch anfing über Halo-Effekte zu schwafeln.

Hätte Jakob geahnt, um welche Zusammenhänge sich die Gedanken des anderen derweil drehten, sie hätten wohl was zu lachen gehabt. Nur weil er erst 21 war, sollte ihn das von seiner Maschine abhalten? Er fuhr so Dinger seit er die Schalthebel erreichen konnte - wen interessierte da die Legalität? Doch es blieb vorerst ungesagt, wie so vieles. Vermutlich hätten sie sogar einige Gemeinsamkeiten gefunden, hätten sie einander die Chance gegeben - besser: hätte Jakob Slava die Chance gegeben. Ein Neustart? Erzwungener Maßen, wenn man bedachte, wer hier grad das Gesicht im nassen Gras und einen Oger auf dem Rücken hatte.
Aber scheiße nochmal keine gute Basis, von beiden Seiten nicht.

Was stimmt mit dir nicht.

Die Feuchtigkeit des Bodens drückte allmählich durch den Stoff des Funktionsshirts, das er unter der Jacke trug. Slava ließ zu, dass er den Kopf zur Seite gedreht hielt und so konnte er die Steine und Grashalme in der näheren Umgebung sehen. Er versuchte nicht einmal, die Augen so zu drehen, dass er den Soldaten sehen konnte - er starrte einfach geradeaus, jede Sehne gespannt wie jene auf dem Bogen der Elfe.
Elfe. Zwerg.
Wieso fragte der Typ, was mit ihm nicht stimmte? Er passte doch zusammen mit dem Oger ganz wunderbar in diese bekloppte Welt.

Atmen, Jakob.
Es war eher ein Schnaufen, weil er die Zähne immer noch so fest aufeinander gepresst hielt, dass die Kiefer schmerzten.
Er hoffte fast, Slava hielte ihn noch eine Weile fest, denn er konnte noch nicht garantieren, dass nicht alles von vorn los ging, sobald er frei kam. Sein Körper war wie eine Feder unter Druck, eine falsche Bewegung und sie würde zu irgendeiner Seite davon springen. Ab und an prüfte er sogar, ob er sich nicht los machen konnte. Es geschah ohne Zutun seines Kopfs, rein instinktiv. Er spielte nicht. Er wünschte, er würde nur spielen.
Atmen.

Was stimmt mit dir nicht.

Waren es nur Sekunden, Minuten oder Stunden? Er fühlte, wie sein Blut sich tatsächlich abkühlte, wie er wieder zu einem Ganzen wurde. Der Schmerz erreichte endlich sein Bewusstsein: die Schulter, Slavas Griff, die Knöchel seiner Hand. Ein Stein drückte sich in seinen Unterbauch. Seine Brust war kalt. Allmählich ließ der Druck im Nacken nach, hörte sein dauerndes Gezappel auf, bis die Muskeln sich so weit entspannten, wie es möglich war, wenn jemand auf einem drauf hockte.
Und wie immer befiel ihn eine an Depressionen grenzenden Melancholie, die es jetzt allerdings zu überspielen galt. Es war nur eine weitere Wunde, eine weitere Schwachstelle, die Angriffspunkte lieferte.

"Du meinst außer der Tatsache, dass ich mir einbilde mit einer Elfe, einem Zwerg und einem Oger in eine Märchenwelt voller Monster geraten zu sein?", erwiderte er nach einer Pause, deren Länge er nicht im entferntesten abschätzen konnte, auf Englisch. Er wollte kein Deutsch sprechen. Nicht mit diesem Kerl. Eigentlich mit niemandem.
"Sag du's mir." Er war doch der mit den Psychospielchen, oder war das doch nur Alexej und er brachte Dinge durcheinander?
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Vyacheslav Sokolov
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Lebenslauf: Slava

Er hielt ihn fest. Noch eine ganze Weile. Sehr lange zappelte er noch, wehrte sich sich gegen den Griff, wollte sich aufbäumen.
Vermutlich ahnte Slava sogar, dass er ihn ermüden musste, die Ohrfeige zeigte jedenfalls keine Wirkung, also ließ er es. Man mochte ihm viel unterstellen, aber Sadist war er keiner.
Jake begann ruhiger zu atmen.
Slava lockerte etwas den Druck.
Langsam schienen sich die Muskeln in seinem Nacken zu entspannen und ​sein Wiederstand erstarb,
Kraft hatte er ja, und kaum ein Gramm Fett zwischen Muskeln und seinem Knie.
War das ein hysterischer Anfall? Dunkel erinnerte er sich ans Studium. Wurden nicht auch Autisten so behandelt? Der Druck beruhigte das Nervensystem. Irgendwie so.
Eine Weile hielt er ihn noch aufrecht dann ließ er los, als er den Eindruck hatte, der Junge würde ihm nicht gleich wieder ins Gesicht springen.
wobei, er hatte es ja provoziert.
Nur entschuldigen würde er sich sicher nicht.
Doch irgendwann sprach er sogar.
"Ich meine, wie du auf das Feuer reagiert hast und auf meine Provokation. Lass mich raten, ich erinnere dich an wen, wir kennen uns nicht und du hast dich viel zu leicht von mir auf die Palme bringen lassen. Und danach... du warst wie in Trance, das ist kein gesunder Zustand, wenn man kämpfen und funktionieren soll..."
Er ließ sich neben ihm auf den Boden fallen. Er war selbst ein wenig außer Atem, mehr noch als wohl der junge Mann. Zwei lange Aufenthalte im Krankenhaus hatten seiner Kondition merklich zugesetzt.
Gras wuchs zwischen den Steinen der Ruine, an manchen Stellen hatte sich Wasser gesammelt. Die Sonne stand hoch am Himmel. Wie spät mochte es sein? Wenn es wirklich nicht die Erde war? Wenn sich die Sternbilder so unterschieden. An der Stelle hatte auch Slava einen Klos im Hals, doch er schluckt ihn schnell, kontrollierbar war ihre Situation ohnehin schon lange nicht mehr. Trotzdem... später Mittag, Nachmittag? Er hatte Hunger, bohrenden Hunger und Schmerzen in der Seite.
Er gab der Versuchung nach, Pullover und Unterhemd hochzuziehen wo ihn der Magenschwinger erwischt hatte. Die vier Narben waren gut zu erkennen, gerötet, aber keine davon war aufgebrochen. Das war auch nicht zu erwarten gewesen, aber wer einmal gesehen hatte wie das Blut wie aus einer Quelle aus seinem Körper sprudelte vergaß das Bild nie wieder und es dauerte eine Weile bis er wieder das Vertrauen in die Dichtigkeit der Haut zurückgewonnen hatte.
Drogen waren da zwar nur zum Teil hilfreich, aber vor allem halfen sie, die Schmerzen zu überstehen, und seien es nur noch Phantomschmerzen.
"Du hast gut getroffen, gleich beim ersten Schlag. Aber was zu Hölle ist ein Oger, so etwas wie ein Ork? Ach, du meinst mich... HaHa.. Sehr lustig."
Er hatte eine vage Vorstellung, er las selbst Fantasyromane, sah Filme, aber Oger waren bisher eher selten darin vorgekommen.
"Wir sitzen hier wahrscheinlich für ne Weile fest und nachdem wir nach meinen bisherigen Erkenntnissen die einzigen aus einer anderen Welt sind sollten wir zusammenarbeiten um hier weg zu kommen. Und Elfen und Zwerge sind wohl nicht das schlimmste was dir hier begegnen kann... Ghule kennst du jetzt auch schon... und ich hab dir noch 'Ertrunkene' voraus."
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Slava zog sich zurück und Jakob rollte sich fast sofort auf den Rücken, setzte sich auf. Trotzdem wirkte seine Haltung im ersten Moment ein bisschen wie der sprichwörtliche geprügelte Hund, aber immerhin hörte er zu. Nach ein paar Atemzügen kratzte er ein wenig mehr Spannung zusammen, zog ein Bein an und legte den Ellenbogen des bösen Arms auf dem Knie ab. Andere, auch er früher, hätten jetzt vielleicht irgendwas in den Fingern gebraucht - einen Grashalm ausgerissen oder dergleichen. Aber er ließ die Hand nur hängen, stützte die andere am Boden ab und sah einer Ameise zu, die versuchte seinen Stiefel zu überqueren. Sein Kopf suchte nach Worten.
Feuer und Provokation. Tollwut, wollte er schon bockig erwidern, atmete lieber noch einmal tief durch. Statt dessen: "Ja." Punkt. Ja, Slava erinnerte ihn definitiv an jemanden und ja, nicht gut, wenn man eigentlich fokussiert bleiben sollte. Bisher hatten seine zwei Hälften das allerdings sehr gut in den Griff bekommen - Monster töten, kein Problem. Sich in soziale Gefüge einordnen, großes Problem. Niemand einen Ritter im Team, bei dem man nie wusste, ob er nicht im falschen Moment ausrastete, hinschmiss oder eine Prügelei unter Kollegen provozierte, während sich ein paar Marillions bereit machten, ihnen die Köpfe abzureißen.
Dennoch: "Ich funktioniere ganz gut.", setzte er mit einem Blick auf die stinkenden Kadaver, die unweit von ihnen in der Sonne gärten, hinzu. Nur mit der Sozialkompetenz hatte er es nicht so.
Funktionieren. Er gab dem Wort einen verächtlichen Ton, denn er konnte es in diesem Zusammenhang nicht leiden. Wieder so eine Parallele zu Alexej - das war schon fast unheimlich. Aber wieso nicht? Vielleicht war das hier so etwas wie eine Parallelwelt mit einem Parallelalexej. Dieser Mistkerl verfolgte ihn einfach.
Jakob spürte an seiner Reaktion auf so einfache Gedankenspiele deutlich, dass er bei weitem noch nicht raus war. Der Hormoncocktail, der einen Mann seines Alters von einem Extrem ins andere zu peitschen imstande war, rauschte noch in seinen Adern und er musste vorsichtig mit seinen Gedanken sein. Nicht wieder zu viel interpretieren. Nicht reinsteigern.
Er stand auf. Ging ein wenig herum. Zu viel Energie.
Die Sonne brannte auf das schwarze Leder seiner Jacke und er schüttelte sie ab, ließ sie achtlos hinter sich ins Gras fallen. Seine Augen folgten derweil Slavas Bewegungen, dessen prüfenden Blick unter das Shirt. Vier nicht gerade hübsche Narben kamen dort zum Vorschein. Schusswunden, wohl noch nicht lange her. Ja, auch der Dienst auf der Krankenstation gehörte zur Ausbildung eines Knappen und bei Eliel hatte es Jakob sogar fast gefallen. Für ein Medizinstudium oder eine Ausbildung in der Richtung brauchte man allerdings einen Schulabschluss...
Slava lobte ihn auch noch für den Schlag. Jakob blinzelte.
"Scheiße, Mann..." Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, doch eine Entschuldigung blieb auch er dem anderen schuldig.
Er ging ein bisschen herum, aber er hörte zu. Kam zurück. Setzte sich auf einen Mauerrest.

Ghule. Ertrunkene. Und Slava sprach tatsächlich von diesem Ort, als wäre es eine andere Welt. Eine Welt, aus der man wieder entkommen konnte. Und er ertappte sich bei der Frage, ob er das wollte. Es hörte sich viel zu verlockend nach einem Neuanfang an, auch wenn diese Welt ihn gleich am ersten Tag hatte verschlingen und ausscheißen wollen. Also war es wohl wirklich besser, sich erstmal Verbündete zu suchen, auch wenn es schwer fiel.
Flügellahm, hm? Dann sieh mal zu, dass du immer einen rechten Flügelmann hast.
"Alexej. Mein..." Wie sollte er es sagen, ohne das der Typ ihn endgültig unter 'Spinner' ablegte? Wobei, in der Schublade war er vermutlich eh schon. Trotzdem. "Mein Lehrer. An den erinnerst du mich."
Während Jakob sprach, schob er den Ärmel seines Funktionsshirts bis zum Ellenbogen hoch - die Antwort auf die Frage nach dem Feuer und irgendwie wollte er wohl auch etwas beitragen, zu diesem kleinen Austausch von Schwächen. Fast wie Kriegsveteranen, die sich gegenseitig ihre Narben zeigten... Die Haut überspannte Hand und Unterarm fleckig und faltig, die Muskulatur darunter wulstig und unförmig. Die Flammen hatten das Gewebe tief geschädigt, auch die Knochen nicht geschont. Löcher und anders geformte Narben zeigten Stellen, mit transplantierter Haut. Teils seine eigene, teils künstliche. Jakob wusste nicht, was man damals alles mit ihm angestellt hatte, denn die meiste Zeit hatte er in einem künstlichen Schlaf verbracht. Sein damals noch im Wachstum befindlicher Körper war verhältnismäßig schnell geheilt, doch den Anblick seines brennenden Arms, der brodelnden Haut auf dem Handrücken, während seine Finger sich in den schmelzenden Stoff einer Jacke krallten. In die Jacke irgendeines Ritters, längst tot. Die Schmerzen, auch noch Wochen und Monate danach, würde er wohl sein Lebtag nicht vergessen. Doch schlimmer waren die Bilder. Seine Seele war dort verbrannt, sein Verstand hatte wohl mit Abstand den meisten Schaden genommen.
"Kann mich kaum daran erinnern.", log er, seine vernarbten Finger betrachtend. "Hab die Wochen nach dem Brand im Krankenhaus verschlafen." Wobei Schlaf wohl nicht das richtige Wort für diesen Zustand zwischen Leben und Tod war. Doch er war ein halbes Kind gewesen und das hatte er daraus konstruiert. Einen langen Schlaf mit vielen bösen Träumen. "Seitdem kommt die Angst meistens nur im Schlaf. So wie eben passiert's nur, wenn's mich überrascht." Was kümmerte es ihn eigentlich? Konnte dem Russen doch egal sein, ob er beim Anblick eines Streichholzes schreiend in den Wald lief. Dann war er ihn los. Die Herablassung, mit der er ihn behandelt hatte, war Jakob noch gut im Gedächtnis und er interpretierte es als das, was er immer darin sah: Ablehnung. Eine Last, die man lieber früher als später los wäre. Nur dass Slava von Zusammenarbeit sprach, passte nicht so ganz in sein Weltbild und bewegte ihn wohl zu den für seine Verhältnisse fast schon epischen Ausführungen.
Er krempelte auch den anderen Ärmel nach oben, machte Anstalten wieder aufzustehen, blieb aber dann doch sitzen. Normalerweise würde er in so einer Situation laufen gehen, sich an einem Sandsack austoben oder sich auf sein Motorrad setzen. Nichts davon war gerade möglich.

"Phoenix, Arizona. Da komm ich her." Nicht ganz, aber auch das war Teil eines Drills. Das Kloster in Flagstaff existierte für Unwissende nicht.
"Hab ne Abendrunde gedreht. Bisschen Dampf ablassen." Er rieb sich den Nacken, als ob er dort noch den Schlag des Kampfstabes spüren würde, der ihn auf die Bretter geschickt hatte. Mal wieder. Als er merkte, was er tat, ließ er die Hand sinken, stützte die Arme auf die Knie. "Ich kenn' die Strecke, jeden Millimeter. Jedes Schlagloch." Und entsprechend flott war er unterwegs gewesen. "Da war was auf der Straße, mitten in der Kurve - Sand vermutlich. Hab noch bremsen wollen, ich Idiot." Er schüttelte leicht den Kopf. "Da steht so eine kleine Kapelle in der Kurve, in die bin ich rein geflogen - also denk ich. Danach bin ich hier aufgewacht." Wieder ein Kopfschütteln voller Unverständnis. Er hätte sich alle Knochen, wenn nicht sogar das Genick brechen müssen.
Wenn er mehr sprach, wurde deutlich, dass Englisch noch nicht lange seine Hauptsprache war. Die Sätze waren kurz, grammatikalisch alles andere als ausgefeilt, die Worte zum Teil unsauber gesprochen. Deutlich von den Amerikanern um ihn herum geprägt. Und von seiner mangelnden Übung.
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Vyacheslav Sokolov
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Lebenslauf: Slava

Jake setzte sich auf, legte den Arm auf sein Knie, der verletzte Arm, wie Slava bereits erkannt hatte.
Die Unruhe war noch nicht ganz weg und interessiert beobachtete Slava jede Regung. Der junge Mann legte die Jacke ab und begann umher zu wandern. Slavas Blick folgte ihm.
Wie er das Wort 'funktionieren' ausspuckte... Es war ein Begriff, den er selbst nicht mochte. In der Spezialeinheit wurde man zerlegt, zerbrochen und nach deren Wünschen neu zusammengebaut. Bis man nur noch funktionierte, ganz wie sie es wollten. Slava hatte von Anfang an zu gut ins System gepasst, bei ihm hatte man zunächst nicht viel zerbrechen müssen, aber auch er hatte Schäden davongetragen, und nicht zu knapp. Und er funktionierte. Wenn Markin sagte 'spring', dann fragte er nur "wie weit."
Und ihm fielen seine Narben auf, frisch genug waren sie ja. Er hätte echt noch die Reha mitnehmen sollten, wie bescheuert war er eigentlich?
Eine Entschuldigung erwartete er nicht, er hatte es provoziert, nach einer Prügelei entschuldigte man sich nicht, und er wusste es durchaus zu schätzen, dass er vielleicht unbewusst genau seine Schwachstelle gefunden hatte. Das machte vielleicht den Unterschied zwischen einem echt guten Kämpfer und einem, dem man es nur beigebracht hatte.
"Ein Scharfschütze. Hätte mich dieses Mal fast endgültig unter die Erde gebracht."
Er stopfte das gestreifte Unterhemd wieder in die Hose.
Er erinnerte ihn also an einen Alexej. Seinen Lehrer. Vielleicht waren Lehrer immer gleich. Alexej, auch ein Name der bei ihm eine Saite anschlug.
"Ich war selbst Ausbilder beim Militär... gibt dafür bei uns nur eine Blaupause. Deswegen sind alle gleich." Er grinste.
Und Jake zeigte seinen Arm. Sah nicht gut aus, sie hatten viel an ihm herumgeschnitten, Krankenhaus... Verschlafen.
Ihm war deutlich bewusst, was das bedeutete. Noch eine Ähnlichkeit.
Der Einsatz vor vielleicht 15 Jahren, bei dem ihn Lew rausgeholt hatte.
Er hatte sich selbst als Köder eingesetzt, verwanzt. Das war nötig, denn es war der Neffe eines Generals, den sie überführen mussten - das erforderte Opfer. Und er wusste, dass er es bringen musste denn er kannte die Konsequenzen.
Und Alexej... das war der Name des Mannes, der ihn mit einem Baseballschläger weichgeklopft hatte. Im Wahrsten sinne des Wortes. Die Wochen danach hatte er auch 'verschlafen'
Die Narben waren kaum noch sichtbar, es war viele Jahre her und vieles war Arthroskopisch geflickt worden.

"Ja, Scheiße, Mann."
Ein wenig war der Junge wie ein viel jüngeres Abbild seiner selbst, mit geringfügigen Modifikatoren. Sein Trauma zum Beispiel.
Den Auslöser kannte er jetzt, wie er ihn ein und ausschaltete würde er sicher schnell lernen, und das war notwendig.
Angst, die einen im Schlaf überraschte...
Die kannte Slava zwar nicht, sie hatten ihn jedes Mal zu mehreren Sitzungen beim Psychologen verdonnert, und das hatte sicher auch geholfen. Er mutmaßte allerdings, dass der Psychologe von seinen Schilderungen nun Alpträume hatte, immerhin hatte er beim zweiten Mal die Zusammenarbeit kategorisch verweigert. Aber Slava träumte nicht, nicht davon.
Seine Alpträume waren andere. Solche, die ihn in den Wahnsinn trieben, so dass er oft nicht mehr zwischen Wirklichkeit und Traum unterscheiden konnte, zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen sich und... ja, was auch immer.
Der Fluch der Zone. Sein Fluch.
Seit er damals bei ihrem Entstehen dabei gewesen war.
Seit er damals gestorben war.
Doch er hatte gelernt, seine Dämonen zu ignorieren.
Und Jake kam also aus den USA. Lebte dort. Als Deutscher.
Nicht gerade sein bevorzugtes Reiseziel. Den Hintergrund ahnte er nicht mal, noch ging er von einem privaten Vergnügen aus. Der Junge war wortkarg, sagte nur das nötigste. Aber etwas hatte er bei ihm bereits erreicht.
"Arbeitest du dort?"
Er selbst wurde in mehreren Bundesstaaten gesucht. Das hieß, nicht er selbst, eine seiner vielen Alias, und sein Gesicht kannten sie auch nciht. Aber er mußte vorsichtig sein. Die Einschläge waren bedrohlich nahe gekommen. Vor einigen Jahren hatten sie die Spur einer seiner Aktionen bis in die Zone verfolgen können. Nur er selbst blieb ungreifbar.
Natürlich würde er das nie erwähnen. Er hatte dort genug Schaden angerichtet.

"Pripyat, Ukraine... der Weg vom Krankenhaus zum Stützpunkt...ich kenn den Weg auch wie meine Westentasche."
Wie viel sollte er sagen? Wenn er helfen sollte musste er zumindest von den Portalen erzählen, von den markierten Steinen und den GPS Trackern.
"Aber im Unterschied zu Phoenix wissen wir dort von der Existenz von Portalen... deswegen hab ich ne grobe Vorstellung davon was passiert sein muss. Und vielleicht gibt es einen Weg zurück. Wenn wir hier einen Endpunkt finden. Wenn."
Im Gegensatz zu Jake sprach Slava praktisch akzentfreies Britisch Englisch, wenn er wollte, und er ging dort als Auswanderer durch, er hatte es auch schon als Schotte versucht, das passte besser zu seinem eher rothaarigen Typus.
"Wir können auch auf deutsch weiter reden. Nur mein Finnisch ist eher mies."
Er blieb bei dem russischen Akzent. Eigentlich hasste er die Geheimniskrämerei, die sein Beruf mit sich brachte, die Lügen, die Verstellung. Wie lange schon wünschte er sich eine Chance, das hinter sich zu lassen, die Zone weit hinter sich zu lassen. Aber die Pflicht. Weglaufen war keine Option. Aber das hier?
Hätte er geahnt, dass ihnen ganz ähnliches durch den Kopf ging, es hätte ihn vielleicht sogar amüsiert.
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Eine seiner Brauen war in die Höhe gezuckt.
Verdammt schlechter Scharfschütze., ging es ihm durch den Kopf, während er Slava dabei zuschaute, wie er sich wieder anzog. Jakob behauptete von sich, ein recht guter Schütze zu sein - nicht nur mit dem Revolver auch mit moderneren Waffen. Er hatte die Nervenstärke, auch wenn man ihm das bei seinen gelegentlichen Ausbrüchen nicht zutrauen würde. Aber die kamen nur bei persönlichen Konfrontationen - allein mit einem Problem konnte er eine unendliche Geduld entwickeln und er hatte ein schnelles Auge. Sein erster Ritter war ein Waffennarr gewesen, allerdings eher fasziniert von der alten Technik und weniger von Automatiken. Die hatten es widerum Jakob angetan - bis er Dienst auf der Krankenstation hatte tun müssen. Das hatte die Faszination in Respekt umschlagen lassen, dennoch ging er jeden Tag wieder auf den Schießstand. Er sagte sich, wenn er Vampire mit einem sauberen Schuss erledigen konnte, war das für alle Beteiligten das Beste. Zu einer Prüfung im Feld war es allerdings leider nie gekommen und Alexej hielt wie viele Ritter in Flagstaff nichts von modernen Waffen. Schwert, Stab und Bogen, was anderes hatte er von ihm nicht in die Hand bekommen. Um zu schießen, musste er sich raus schleichen. An Waffen zu kommen war in den USA wiederum nicht schwer und ein paar Dosen fanden sich auch immer.
Slavas Grinsen erwiderte er nicht - was solche Gefühlsäußerungen anging war er noch schwerer aus der Reserve zu locken, als wenn es um Antworten ging. Immerhin wurde er mit jedem Wort, jedem Herzschlag und jedem Atemzug ruhiger.
Alexej Oblow. Ein russischer Offizier, parallel dazu Angehöriger der Tempelritter. Vielleicht tatsächlich ein Abbild von dieser Blaupause, zu der auch Slava sich zählte. Zumindest ein ziemliches Arschloch, wenn man Jakob nach seiner Meinung fragte. In Russland gab es seit einigen Jahren kein Templerhaus mehr - Gabriels Diener waren sehr stark in Moskau, eng verflochten mit Regierung und Geheimdienst, und die wenigen Templer, die es aus dem Massaker von '98 geschafft hatten, waren in der Welt verstreut. So wie Oblow.
Jakob hing den Erinnerungen nach. Sein ungewohnter Anfall von Redseligkeit kam allmählich zum Stillstand, Slavas Frage schien er überhört zu haben, denn die Ameise fesselte wieder seine Aufmerksamkeit. Sie sah seltsam aus, hatte ein gelbes Band um die Mitte. Eilig turnte sie an einem Grashalm empor und dann wieder hinab - auch die zuckenden Fühler hatten ein gelbes Segment. Während er sie beobachtete, war er in eine fast steinerne Reglosigkeit verfallen. Auch eine Eigenart von ihm, die dafür sorgte, dass er oft übersehen wurde, wenn er irgendwo stand und nur beobachtete.

Pripyat. Das weckte ihn wieder. Ach ja, der Soldat aus Pripyat, wo man offensichtlich aufeinander schoss. Passte irgendwie zu seinem Bild zum Ostblock. Aber wieso ausgerechnet das Gebiet um den havarierten Atomreaktor? Wurde den Leuten etwa immer noch verkauft, dass die Strahlung nur den Westen heimsuchte? So wie damals in der ehemaligen DDR? Der Wind teilt die Wolke und der Fallout geht nur auf Westdeutschland nieder... ein hoch auf die Propaganda. Esst weiter Pilze! Jakob wandte sich von der Ameise ab und sah Slava einen Moment lang an, Skepsis furchte seine Brauen. Was redete der Typ da von Portalen? Damit war dann wohl klar, dass er nicht der einzige hier war, der dringend mal eine Therapie brauchte. Oder einen ordentlichen Schlag auf den Kopf.
Jakob schüttelte den Seinen. "Nein." Auf Englisch. Kein Deutsch. Vielleicht irgendwann. Und wenn er wollte, konnte Slava es auch auf seine erste Frage beziehen.
Die Skepsis in seinem Blick blieb. Finnisch? Und dann noch die ganze Palette von Sprachen, mit denen Slava Thorben konfrontiert hatte. War der Typ sowas wie ein Agent? Genosse 007? Ein Gefühl warnte ihn davor, das anzusprechen - später vielleicht.

"Pripyat.", wiederholte er statt dessen, zog die Brauen hoch und gestikulierte grob in Slavas Richtung. "Müsste dir dann nicht - keine Ahnung - 'n dritter Arm wachsen oder so?" Das die Auswirkungen von Strahlung durchaus nicht auf diese Art zum Tragen kamen und weit weniger witzig waren, wusste auch der Knappe. Nur glaubte er immer noch, Slava nehme ihn auf den Arm. Er zuckte leicht die Schultern. "Ich mein, ist doch grad mal 20 Jahre her - na gut, 24." Mit Halbwertzeiten kannte er sich nicht aus, aber es kam ihm definitiv zu kurz vor. Hatten sie nicht erst kürzlich mit dem Bau einer neuen Hülle begonnen, die sie den 'neuen Sarkophag' nannten? Das Projekt sollte noch Jahre dauern und die alte Schutzhülle umschließen... Hin wie her, so richtig glaubte er Slava nicht.
Das er die Frage nach seinem Aufenthalt in den USA gänzlich umging, fiel Jakob nicht einmal auf. Die Konditionierung saß viel zu tief, als das er wirklich bewusst wahrnahm, wie er den Orden und alles was damit zusammen hing vor einem Unwissenden verbarg. Slava mochte ein Agent sein, aber was Geheimniskrämerei anging, waren die Templer wohl die Meister seit Jahrhunderten.
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Vyacheslav Sokolov
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Lebenslauf: Slava

Dem Gedanken hätte er wohl beigepflichtet. Ja, ein schlechter Schütze, ein Anfänger.
Hatte die Nerven verloren statt zu warten. Ahnte wohl, mit wem er es zu tun hatte und wollte es schnell hinter sich bringen. Kovac hatte ihn erwischt, aber nicht genug übrig gelassen für eine Befragung. Auch ein Anfängerfehler, in dem Fall aber ein verzeihlicher. Die Personalien hatten sie immerhin feststellen können. Einfach ein Stalker wie viele andere, ein ambitionierter Zivilist, ehemaliger Häftling. Jemand hatte ihm ein Scharfschützengewehr in die Hand gedrückt und viel Kohle und gesagt wo er sich wann verstecken sollte und auf wen zielen. Er hatte es mit der Angst zu tun bekommen, der Winkel war wohl auch ungünstig und das Dach hatte seinen Kopf geschützt. Nur den Bauch nicht. Was aber schlimmer war... er hatte es nicht kommen sehen. Es hatte ihn vollkommen unvorbereitet erwischt.
Überhaupt waren die Erinnerungen dünner geworden, weniger. Als ginge es dem Ende zu.
Also Ja, ein schlechter Schütze.
Danach wieder Krankenhaus, Wochen... Auf die Reha hatte er verzichtet. Markin bearbeitete ihn, endlich den aktiven Dienst aufzugeben und wieder Ausbilder zu werden, Nachwuchs trainieren, weitergeben was ihn so besonders machte.
doch wie konnte er ihm erklären, dass das nicht ging, dass er nicht wirklich etwas 'konnte' das man jemandem beibringen konnte. Dass er im Grund nur ein Psychopath und ein Versager war, den sich die Zone aber aus irgendeinem Grund als Werkzeug auserkoren hatte? Das war nicht reproduzierbar.

Zu viele Gedanken.
Der Oberst wurde halt doch langsam wahnsinnig.


Slava stand auf, streckte sich. An seinem Körper war schon so viel kaputt gewesen, alles knackte wenn es sich streckte.
Er registrierte, dass der Junge eine Ameise verfolgte, und nicht auf seine Fragen antwortete. 'Nein'
Nein zu deutsch? Nein zur Arbeit?
Er ließ es wohl bewusst offen.
Jungen in seinem Alter waren wohl so. die berühmte 'Kein Bock' Mentalität. Oder war das bei Jüngeren?
Dass er einfach auch nur versuchte Geheimnisse zu bewahren, seine Leute zu schützen, dass er selbst einem Geheimbund angehören konnte... Darauf kam er nicht. Noch unterschätzte er ihn wohl gründlich.
E wanderte hin und her, versetzte einem Ghul einen Tritt. Fliegen stoben hoch.
Aber hier wurde Slava nun hellhörig.
20 Jahre... nein, 24.
Zumindest die Katastrophe aber war gesetzt. Er kannte keine Variante in der sie sich an einem anderen Datum ereignet hatte und keine einzige in der es nicht geschehen war, nicht dass sie unausweichlich war, aber ihm war längst klar geworden, dass ein Zustand mit der Existenz der Zone verknüpft war, deswegen konnte er nur diesen Ausschnitt sehen. Aber es gab Zeitlinien, in denen es nur die Katastrophe gab, keine Zone.
Um die die Katastrophe wusste er also. Fast alles bis 2006 war ähnlich verlaufen, danach wichen etliche Linien spürbar ab. Bis zum März oder bis zum Juni... das war die Frage.
2010 waren der erste Sperr-ring schon errichtet und die ersten Stalker schlichen sich rein. Aber hatte sich das bis in die USA herumgesprochen?

Experimente wurden abgesagt, andere nicht, manche liefen schief, manche nicht.
Manche Kombinationen führten noch im gleichen Jahr zur Entstehung der Zone.
Wo er vor Ort war, Teil eines Teams, Spezialeinheit 'Metsch', damals noch Unteroffizier. Sie waren da um die Vorfälle aufzuklären, nach den verschwundenen Touristen zu suchen, tatsächlich... um Spuren zu beseitigen.
Von 6 Mann hatte keiner überlebt, nur er. Oder eben auch nicht.
Der 10. Juni 2006...
Wochenlang musste er danach umhergeirrt sein, bis er einer Militärstreife in die Arme lief. Er erinnerte sich an nichts, bis heute.
Es folgten unendliche Verhöre, warum er überlebt hatte, und wie. Was mit dem Rest des Teams geschehen war. Was mit ihm geschehen war.
Und dann hatte er den Film gesehen, 'Brat 2', schon seit einer Weile in den Kinos, er war nie dazu gekommen, jetzt lief er im Fernsehen, in der Psychiatrie, in die sie ihn gesteckt hatten, zur Beobachtung.
Und ab dann war es noch schlimmer geworden, nur er wurde immer besser darin es zu nutzen und zu verbergen.

Leere Städte, und die Zeit ist wie Wasser, in der Schusslinie...
Der Oberst wurde wahnsinnig.


Anfangs triggerte immer wieder dieses Lied Erinnerungen. War es ein dummer Zufall?
Hätte man seinem Leben ein Lied als Soundtrack zuordnen müssen, dann dieses.
"Полковнику никто не пишет*" von BI-2.
Worum es ging hatte er nicht behalten, zumindest nicht den Film.
Hatte es einfach in seinem Unterbewusstsein etwas angesprochen und aktiviert?
Das war sein Auslöser. Kannte den Jemand... Er wäre vielleicht genauso ausgetickt wie Jake zuvor.
Aber später kamen die Erinnerungen auch so, im Traum, in Situationen, die ähnlich waren, Geisterbilder, Déjà-vus. Er hatte sich daran gewöhnt, wie man sich eben daran gewöhnen konnte den eigenen Tod wieder und wieder zu sehen, genau zu wissen, wie es endet. Man biegt um eine Ecke und weiß plötzlich, diese Linie endet.
Und alles hatte mit der Zone zu tun.
Er ahnte plötzlich Ereignisse voraus, es erlaubte es ihm vor Ort zu sein ehe etwas geschah, er wusste was wann geschehen würde.
Er fiel die Karriereleiter hoch, rief das Projekt 'Nachtwache' ins Leben, übergab es an Markin um selbst aktiv zu werden.

2010 war vieles davon noch nicht bekannt, anderes schon.
Er musterte Jake als könne er durch ihn hindurch die Wahrheit sehen.
War selbst in Gedanken versunken gewesen. Wie lange?
Hatten sie sich angeschwiegen?
Kam er einfach nur aus seiner Vergangenheit oder aus einer gänzlich anderen Linie?
9 Jahre...
In seiner Welt wäre er bereits... Anfang bis Mitte 30. Die Führerscheinregel musste er nun noch einmal neu überdenken. Es hatte Gesetzesänderungen gegeben in der letzten Zeit. Ein paar mehr Faktoren kamen hinzu, aber es spielte auch nur eine untergeordnete Rolle.

Wie viel konnte er ihm sagen?
Wenn er aus seiner Welt kam und nur 9 Jahre früher? Brachte er ihn zurück konnte er immensen Schaden anrichten. Kam er aus einer anderen Welt...
Hätte er geahnt, dass dieser Jake aus einer Welt kam in der es Vampire und Tempelritter gab, vielleicht wäre er offener gewesen. So traf Templer auf Geheimdienstler und sie schwiegen sich an.
Nur die Zone selbst war kein Geheimnis, zumindest nicht in ihrer Welt.
"Die Strahlung ist nicht überall gleich hoch, man kann dort leben, an manchen Stellen. Aber dort ist etwas geschehen. Es gibt unerklärliche Phänomene... Deswegen wurde eine Sperrzone eingerichtet, sie..."
Er musste sich entscheiden, wie viel er preisgab. In der Zone war es essentiell, sich nicht zu verplappern. Sie und Wir. War man einmal als Militär entlarvt bekam man eine kugeln in den Kopf oder brauchte schnell einen neuen Namen. Zum Glück war es in der Zone verhältnismäßig leicht unterzutauchen und spuren zu verwischen wenn man wusste worauf es zu achten galt.
Aber wollt er dem Jungen nun erklären worum es gibt und nicht viel Zeit verschwenden.
"...wir lassen keinen mehr rein und keinen raus. Und dort sind Biester aufgetaucht wie die hier."
Er trat gegen einen Ghul.
"...nicht ganz die gleichen, aber ähnliche. Bisher haben wir gedacht, es könnte die Strahlung sein, aber Strahlung lässt einem eben keinen zweiten Arm wachsen, die meisten Mutationen führen zu keinem sinnvollen Resultat. Aber es ist eine gute Erklärung für Laien." Die Theorie über Sowjetische Experimente mit Supersoldaten ließ er dabei freilich aus. Die Lieblingstheorie mancher Stalker, und er musste zugeben, was manche Mutanten anging war es auch nicht von der Hand zu weisen. Er selbst hatte Order, alles was darauf hindeutete zu konfiszieren und gegebenenfalls zu vernichten. Das sagte alles.
"Und dort sind Portale entstanden. Die meisten nur lokal. Man steigt durch und kommt ein paar Kilometer weiter entfernt wieder raus."
Dass sich noch mehr veränderte, nicht nun die Überbrückung der Entfernung, und was er selbst wohl ausgelöst hatte, was vielleicht nur er wusste, verschwieg er ebenfalls.
"Meine Kameraden und ich haben kleine Steine durchgeworfen, markierte Steine. Später GPS Tracker. Manche haben wir wiedergefunden, manche nicht. Manche könnten hier sein. Wenn wir die finden, finden wir vielleicht auch ein Portal."
Und können beweisen dass es eine Verbindung gibt.
"Wieviel weißt du denn über die Zone?"

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* "Niemand schreibt an den Oberst"
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Jakob von Nagall
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Jakob lauschte nur auf die Bewegungen des anderen Mannes: seine Schritte auf dem sumpfigen Boden, der Tritt gegen eines der Monster. Fliegen summten wütend auf. Wie schafften es diese Viecher eigentlich immer gleich in Scharen an Ort und Stelle zu sein? So als würden sie sich aus dem Nichts manifestieren, kaum das irgendwo etwas starb. Das seine Worte Slava aufmerken ließen, entging ihm daher fast. Das nachfolgende Schweigen allerdings bewegte ihn dazu, den Kopf zu wenden und dem durchdringenden Blick zu begegnen. Als wollte er ihn durchbohren, bis zum Kern schauen. Das Spiel konnte Jakob allerdings eine Weile mitspielen. Er blieb sitzen, noch immer vorn über gebeugt und auf seine Knie gestützt, abwartend und zugleich überlegend, ob er irgendwas Missverständliches gesagt hatte. Oder ganz Falsches. Etwas beleidigendes wohl kaum - das hatte ja schon bewusst nicht funktioniert, wieso sollte es aus Versehen klappen? Die Augen des Soldaten, ihr Blick, hatten etwas Irrtierendes und Jakob spürte, dass sich seine Aufmerksamkeit zusammen zog, Ameise und Fliegen fallen ließ, um sich allein nach Slava auszurichten. Wenn der jetzt allerdings wieder auf ihn anlegte, dann könnte er sich nur in den Treppenabgang stürzen und das klang schon in Gedanken schmerzhaft.
Gerade überlegte er, ob er irgendetwas sagen sollte. Vielleicht sogar fragen, ob er etwas Falsches gesagt hatte. Da sprach der Andere doch wieder.
Von Strahlung und unerklärlichen Phänomenen, Mutationen und Portalen. Wäre Jakob nicht selbst ein Wissender, ein Mensch, dem durchaus klar war, dass es mehr gab zwischen Himmel, Erde und Hölle als nur dem, was irgendjemand für Normal definiert hatte, er hätte in diesem Moment wohl aufgehört zuzuhören oder sogar gelacht. Es für Unsinn abgetan. Horrormärchen. Doch das waren Vampire auch, für die Unwissenden. Also lachte er nicht, tat es auch nicht als Unfug ab, sondern versuchte es einfach in sein Weltbild zu integrieren. Trotzdem nicht leicht.

Er erhob sich ebenfalls wieder. Seine Gedanken rasten. Zone - was meinte er mit Zone? Die erwähnte Sperrzone um den Reaktor? Die ehemalige DDR nannte man auch so, aber die gab es seit '90 nicht mehr - nur manche Witzbold nannten die neuen Bundesländer immer noch 'die Zone'. Aber nein, die meinte Slava ganz sicher nicht. Was wusste er also über diese andere Zone? Genaugenommen?
"Nichts, eigentlich."
Er wanderte zu Slava hinüber, betrachtete den Ghul zu dessen Füßen. Konfrontierte sich bewusst mit dem Gesicht der Abscheulichkeit. Wenn hier noch mehr und andere solche Viecher rum liefen, war es besser, man versteinerte nicht vor Schreck allein bei ihrem Anblick. 'Ertrunkene' hatte er erwähnt. Wie sahen die wohl aus? Wenn er es recht bedachte, wollte Jakob es gar nicht herausfinden. Das Vieh zu seinen Füßen hatte keinerlei Ähnlichkeit mit einem Ghoul aus seiner Welt. Diese waren Menschen, gewöhnliche Menschen. Immer etwas blass um die Nase, manche mit einem leicht wirren Ausdruck in den Augen, aber nicht alle. Es kam auf ihre Herren an. Marillions ließen ihnen mehr von ihrem Geist übrig als Angels, freie Vampire hatten keinerlei Muster - von willenlosen Sklaven bis normalen Ehepartnern war alles vertreten. Manche Ghoule erwarben sich irgendwann die Gnade der Wandlung, wie sie es nannten. Gnade. Unfug. Doch auch dann wurde nicht so ein Biest aus ihnen. Zumindest nicht nur.
Jakob drehte mit der Stiefelspitze den Kopf des Ghuls ein wenig, dass er das Maul mit den Fängen sehen konnte. Mehr wie zwei Fangzähne, eher zum Reißen als für das Öffnen einer Ader. Die saugten wohl eher kein Blut, sondern fraßen einen gleich im Ganzen. Außer der Begrifflichkeit gab es dann wohl keine Gemeinsamkeiten. Ob es hier Blutsauger gab? Wenn sie beide hierher gelangen konnten...

Daran, dass er und Slava aus unterschiedlichen Zeiten kommen könnten, dachte Jakob nicht. Der PDA war für Jakob Stand der Technik, was die Waffe anging waren die Russen doch immer lieber mit guter alter Technik unterwegs, oder? Er warf Slava wieder einen Blick zu. Wieso hatte er nur das Gefühl, dass sie beide um einen heißen Brei tanzten, der eigentlich gar nicht so heiß war? Und seine Antworten schienen den Anderen nicht zufrieden zu stellen. Konnte er ihm nicht verdenken - waren ja kaum von Gehalt.
Jakob verschränkte die Arme vor der Brust, was er sogleich bereute. Die kleine Eskapade eben war nicht wirklich gut für deine verletzte Schulter gewesen.
"Weiß von Tschernobyl nur, was man so im Internet findet. Das sie grad anfangen einen neuen Sarkophag zu bauen und das es so paar Spinner gibt, die für ein schauerliches Foto dorthin fahren. Katastrophentourismus, oder wie soll man das nennen?" Er widerstand dem Drang, die Schultern zu heben.
Er musterte die Züge des Soldaten. Die anderen Knappen wurden immer unruhig, wenn er sie so ansah - so als wolle er sie schälen. Sezieren. Und meistens entstand ein Streit daraus.
"Willst du das denn? Zurück?" Für sich selbst konnte er die Frage noch nicht mal wirklich beantworten. Doch Slava sprach von Kameraden, implizit von einer Aufgabe. Er hatte vermutlich eine gute Position, da wo er her kam. Befehlsgewohnt. Ein Ort, an den er gehörte oder wo er zumindest das Gefühl hatte, hinzugehören. Doch Jakob? Er fühlte sich schon seit langem nirgendwo mehr zugehörig. War am liebsten allein unterwegs. Eine Existenz am Rande des Absturzes, immer mit Vollgas an der Grenze entlang. Vielleicht hatte er so einen Crash herbei gesehnt, damit es endlich endete. Und vielleicht hatte Gott gelacht. Jetzt war er hier.

In diesem Moment ging eine Erschütterung durch den Boden und kurz darauf stieg nicht weit entfernt eine Staubwolke zwischen ein paar Mauerresten auf.
Wie das Schwert so schnell in seine Hand gekommen war, konnte Jakob meistens nicht wirklich erklären.
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Vyacheslav Sokolov
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Es war schwer, Slava zu beleidigen, dass hatten schon ganz anderen auf deutlich perfidere Art versucht. Er durfte sich nicht provozieren lassen, deshalb war er in der Hinsicht kaum zu treffen. 'Aalglatt' war durchaus ein Attribut, dass man ihm zuschreiben konnte. Und es gab nichts, oder nur sehr wenig, in seinem Leben, das bei der Ausbildung nicht ausgegraben, auf Links gedreht und entweder wieder eingesetzt oder verworfen worden war. Er hatte keine Geheimnisse, fast. Es gab nur etwas, das der Kontroller damals ausgegraben hatte, etwas, dass er lange Jahre sogar vor sich selbst geheim gehalten hatte, fast wie in dem dummen Witz über den KGB.
"Es hat bei uns eine weitere Katastrophe gegeben, am 10. Juni 2006... da ist das entstanden, was wie heute die 'Zone' nennen. Ein Sperrbezirk um den Reaktor, etwas größer als das was du kennen müsstest. Nur dass unserer jedes Jahr um einige Meter wächst, weil sie sich ausbreitet und wächst wie ein Pilz. Und dabei geht es nicht nur um die Strahlung, die dürfte es auch bei euch geben. Bei uns ist noch mehr passiert. Anomalien, physikalische Abweichungen die einen auf der Stelle umbringen, oft noch ehe man merk dass man tot ist."
Es gab dazu tatsächlich einige.
"Im Großen und ganzen sind das Konzentrationen der gängigen Naturgesetzte: Schwer-, Flieh-, Zentrifugal- und Zentripedalkraft, manchmal auch noch Überspannungen. Manchmal ist die jeweilige Kraft stark erhöht, manchmal abgeschwächt. Manchmal zerquetschte es einen zu einem handlichen Brocken, manchmal fetzt es einen auseinander, und alle anderen Materialien übrigens auch. Manchmal sind sie groß wie Autos, manchmal klein wie ein Daumennagel. Manche sieht man, die meisten aber nicht."
Es war zu erkennen, dass er das schon sehr oft erklärt hatte.
Und nicht zuletzt stammte auch von ihm ein kleiner Guide für die Zone. Ein PDF das im Netz schnell viral gegangen war, aber wie das meiste, was er verbreiten ließ einen ihrer Trojaner enthielt.
"Bei uns sind Kreaturen aufgetaucht... zum Beispiel Blutsauger, Tentakeln vorm Maul, ähnliche Zähne..." Er sah sich das Maul eines der Ghule an. "...denen entkommt man kaum. Das Andenken hab ich von so einem." Er deutete auf die Narben in seinem Gesicht, die sich bin zum Hals zogen.
"Sie packen dein Gesicht mit den Tentakeln, beißen zu. Die Gerinnungshemmer sorgen dafür, dass man recht schnell ausblutet. Aber da ist man dann in der Regel paralysiert. Das schöne an ihnen ist, dass sie sich unsichtbar machen können, brechen das Licht irgendwie um sie herum. Ihre Haut lieferte die Vorlage für moderne Stealth-Technologien... also zumindest bei uns."
Er selbst war nur entkommen, weil er die Schrotflinte im Anschlag gehalten hatte mit einer Schnur angebunden und so fixiert, dass sie zwei Schüsse abgab wenn sein Griff schwach wurde. Auch das ein Resultat von Versuch und Irrtum und Tod.
"Wenn sie von hier kommen, dann wird das noch eine spaßige Zeit. Aber was wissen wir schon wie viele solcher Welten es gibt. Nach unserer Theorie gibt es eine für jede mögliche Entscheidung die man trifft. Grob gesagt... und kurz zusammengefasst, etwas wie das Reaktorunglück macht die Haut dazwischen dünn und durchlässig. Portale. Soweit die Theorie dahinter."
Er dozierte schon wieder. die Zone hatte das Hochschulstudium nicht ganz aus ihm austreiben können.
Das war vielleicht auch der Grund weswegen Markin ihn als Ausbilder wollte. Wenn er es drauf anlegte konnte er lange Vorträge halten. Aber er war zu launisch, zu ungeduldig. Er hatte es versucht, sich aber damals nur einen der Jungs rausgegriffen und den gefördert. Den einzigen, bei dem er Talent gesehen hatte. Den Rest hatte er links liegen gelassen. Aber so sollte ein Lehrer nicht vorgehen. Aber er wollte ja auch nie Lehrer sein. Und der Junge... nun ja, es war ein Desaster an dessen Ende Markin wieder hinter ihm aufräumen mußte.
"Bei uns bauen sie keinen neuen Sarkophag, aber ich hab es gesehen, der alte wird einstürzen. Ist nur noch eine Frage von wenigen Jahren. Nur bei uns ist es zu gefährlich, es ist schier unmöglich Baumaschinen dorthin zu bringen."
Anomalien, Mutanten, er hatte es ja schon erwähnt und rund um den Reaktor war es am schlimmsten.
"Die Touristen gibt es bei uns auch... gab es. Heute sind es Schmuggler und Terroristen die sich reinschleichen. "
Und sie waren immer dahinter, die Infomationslage im Netz unter Kontrolle zu halten. Neben den Teams in der Zone selbst beschäftigten sie auch eine Task Force an Hackern und Entwicklern, die im Netz eindämmten was niemand lesen sollte um statt dessen Fehlinformationen zu streuen.
"Das wird dann auch noch ein großer Spaß, vielleicht sollte ich wirklich hier bleiben."
Hier bleiben...
Das gehörte zu den Gedanken, de sich Slava nicht einmal im Traum erlauben durfte. Andererseits... Wer sollte es kontrollieren?
Wenn er einfach hier blieb, würde man ihn in der Zone wohl irgendwann für tot halten.
Eigentlich hatte er sich immer vorgestellt, irgendwann ein Haus auf dem Land zu beziehen.
Der Sold sammelte sich auf seinem Konto, während er in der Zone kaum etwas verbrauchte, und die Auslagen und Material wurden gestellt. Hinzu kam die Gefahrenzulage. Sollte er sich eines Tage zur Ruhe setzen, er hätte ausgesorgt.
Bei dem Haus auf dem Land hatte er aber nicht an eine Hütte gedacht, sondern mehr an einen Bungalow, mit großen Fenstern, Blick auf einen See, und alles was das Smart Home so zu bieten hatte. "Alexa, mach die Rollläden runter" wobei, er wusste, was man mit diesen Assistenten anstellen konnte, wohl eher eine Eigenentwicklung der Jungs aus dem TechTeam. Aber etwas in der Art.
Aber wenn er für tot erklärt wurde ging alles, was sich bisher gesammelt hatte, an Anatoli, seinen Sohn, dem er allerdings nicht viel mehr mitgegeben hatte als seine Gene.
Eigentlich nicht die schlechteste Lösung.
Trotzdem.
Er selbst würde sich immer für einen Deserteur halten, und sein eigenes Urteil war immer schon das schlimmste. Er würde es versuchen müssen.
"Sieh dir diese Welt erst einmal an, ehe du entscheidest zu bleiben... Ich bin seit gestern Nachmittag hier und habe ein Dorf gesehen, der Entwicklungsstand ist... bestenfalls mittelalterlich..."

Dem Blick des Jungen hielt er mühelos stand, auch das war wieder etwas, was ihm gefiel, wache Augen. Er würde noch prüfen ob das nur eine Maske war oder was er tatsächlich wahrnahm, aber nicht jetzt, denn da erschütterte die Explosion den Boden.
"Scheisse, was veranstalten die da unten? Ich schätze, wir sollten nachsehen, was denkst du?"
Die Antwort war wohl das gezogene Schwert.
Slava dagegen blieb ruhiger. Er hatte sich angewöhnt, nicht sofort eine Reaktion zu zeigen, weder auf Schüsse noch auf Explosionen noch irgendetwas anderes. An die Trainigseinheit dazu erinnerte er sich allerdings nicht ganz so gerne.
"Aber das mit dem Schwert musst du mir nachher einmal erklären..."
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Jakob von Nagall
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Slava hatte geredet und Jakob aufmerksam zugehört. Mal ein Unterschied zu Alexej: der hatte es nie für nötig befunden, seinem Knappen mehr zu erklären, als für die akute Trainingssituation notwendig gewesen wäre. Vielleicht auch ein Punkt, der immer wieder den Frust schürte und der ihn vor ein paar Minuten sofort gegen Slava aufgepeitscht hatte. Der stellte auch erstmal nur Fragen, ohne wenn, aber oder Gründe anzugeben. Doch so funktionierte Jakob nicht. Er brauchte Zusammenhänge, Hintergründe und Fakten. Und vor allem brauchte er Zeit. Mit der Tür ins Haus zu fallen, löste bei ihm sofortigen Widerstand aus, während ein Geben und dann erst Nehmen zumindest oberflächlich dafür sorgte, dass er ausgeglichen blieb.
Und so war es kaum verwunderlich, dass sein Verstand nun alles aufsaugte, was der Soldat erklärte - in einer Weise erklärte, die bestens auf sein Denkmuster passte. Und jetzt auch nicht mehr so überheblich wie noch ganz am Anfang ihrer Begegnung. Jakob reagierte sehr empfindlich auf solche Nuancen, auch wenn er selbst es niemals hätte in Worte fassen können.
Natürlich kam ihm der Inhalt von Slavas Vortrag noch immer merkwürdig, ja unglaublich vor. Aber andererseits war er eben noch in der Wüste gewesen und stand nun in einem Sumpf, zusammen mit einem Zwergencowboy, einer Fee-Elfe-Vampirin-was-auch-immer und einem russischen, pardon, ukrainischen Soldaten.
Er kommentierte vorerst nicht, dachte nur darüber nach. Physik hatte ihn bisher nur dahingehend interessiert, wenn es um Grip, Übersetzung und Verbrennungsdrehzahl ging, aber sein Verstand fing an, an den Bröckchen zu kauen, die Slava ihm geliefert hatte. Zeit- und Wahrscheinlichkeitslinien, die nebeneinander her liefen und zwischen denen es durch physikalische Störungen Verbindungen geben sollte? Und dann noch lokal auftretende Phönomene, die Materie gleich wie gestaltet, neu sortierte. Klang nicht unbedingt wie ein Ort, an dem man längere Zeit sein wollte. Dann doch lieber eine mittelalterlich anmutende Welt. Da starb man wenigstens nur an Infektionen oder von einer Keule auf dem Kopf.
Slava sprach immer wieder von 'unserer' und 'seiner' Welt - ging er von verschiedenen Wahrscheinlichkeiten oder auch von verschiedenen Zeiten aus? Er hatte gerade angefangen im Kopf eine Frage zu formulieren, als es unter ihnen rummste und das Gespräch damit zu einem Jähen Ende fand.

Der Soldat reagierte deutlich ruhiger. Jakobs Blick fiel auf das Schwert in seiner Hand - das zu erklären würde nicht so einfach werden. Wobei, wenn sie schon bei parallelen Realitäten angekommen waren... Er hob die gesunde Schulter und steckte das Schwert zurück in die Scheide. Das Tatzenkreuz im Knauf war eigentlich nicht zu übersehen, aber vielleicht gab es in Slavas Welt so etwas wie Tempelritter nicht. Aber wenn doch die Spaltung erst 2006 passiert war? Dann hatte er es vielleicht als Spielerei oder Kleine-Jungen-Fantasien abgetan. Jakob schwirrte bereits der Kopf, sodass ihn der Gedankengang nicht mal wirklich verärgerte...
Er schob all das vorerst beiseite.

"Das hier ist ein Sumpf. Wenn sie noch leben, kommen sie gleich freiwillig raus. Oder werden hoch gespült...", murmelte er, während er sich auf den Weg zu dem Bereich der Ruine machte, an dem eben die Staubwolke aufgestiegen war. Seine Jacke fischte er unterwegs vom Boden auf und zog sie wieder über. Das Leder war zwar nicht besonders dick, aber immerhin ein besserer Schutz als das dünne Funktionsgewebe des Shirts.
Vorsichtig spähte Jakob über eine Mauer. Dahinter gähnte ein Loch im Boden, Erdbrocken und Reste von Mauerwerk bröckelten immer wieder vom Rand ab, um in die Tiefe zu stürzen. Von unten drangen dumpfe Stimmen herauf, doch selbst wenn er der Sprache mächtig gewesen wäre, hätte er kaum etwas verstehen können. Immerhin schien da noch jemand zu leben und nicht gleich von den Trümmern erschlagen worden zu sein. Vielleicht sollten sie doch nach unten gehen und nachsehen, ob sie Hilfe brauchten? Aber das Gemäuer machte so schon einen maroden Eindruck, wer wusste schon, was die Explosion der wackeligen Statik angetan hatte.
Er wandte sich wieder um, hielt nach Slava Ausschau.
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Vyacheslav Sokolov
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Es gab zu viele Ähnlichkeiten zwischen ihnen, als dass Slava in ihm noch wie zu Anfang den Cosplayer gesehen hätte. Und etwas wie die Verwundung, die der Junge trug nötigte ihm doch Respekt ab. Er hatte schon viel mitgemacht, das gab ihm automatisch eine andere Stellung.

Das Schwert sagte ihm allerdings nichts. Er kannte mittelalterliche Waffen aus den Sammlungen in militärhistorischen Museen, er hatte sich mit Interesse die Bewaffnung angesehen, aber er konnte sich beim besten Willen keine Welt vorstellen in der das die Adäquate Ausrüstung war, nicht wenn sich die Welt im 20sten Jahrhundert befand oder auch im 21sten.

Slava folgte Jake, er hatte recht. Der Kurze und die Spitzohrige hatten irgendwie dort unten eine Explosion verursacht. Sie konnten also warten. Entweder sie kamen gleich nach oben oder sie würden für immer unten bleiben. Und auch er konnte sie reden hören. Gedämpft. In einer bekannten Sprache hätte er vielleicht wenigstens Bruchstücke verstanden, aber nicht in dieser seltsamen Mischung.
"Diese Gemeinsprache... das ist eine Mischung verschiedener slavischer Sprachen und ein paar Europäischer. Es sind Menschen, vielleicht nicht die beiden, aber ihre Sprache. Und es gibt Menschen... ich war in einem Dorf. Irgendwie kamen sie hier her und mit ihnen wohl viel vertrautes, aber das hier..." Mit einer Geste deutete er auf den Sumpf, die Ruine. "Das ist nicht die Erde. Ich bin seit gestern Nachmittag hier und auch wenn ich kein Astronom bin, aber die Sternbilder sind definitiv nicht die gleichen wie bei uns... Und ich glaube nicht, dass sie sich in den... sagen wir knapp 1000 Jahren, die möglicherweise zwischen dieser Zeit und unserer liegen, dermaßen verändert haben. Außerdem... Elfen und Zwerge? Und sie reden von Hexen und Magiern Hier läuft etwas gänzlich anders als bei uns Zuhause. Ich weiß nicht, was du machen willst, aber ich werde versuchen mehr aus den beiden rauszubekommen über diese Welt. Ob hier bleiben oder zurückkehren... Darum kommen wir wohl nicht rum."
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Gemeinsprache. Das war dann wohl das, was Thorben sprach und was Slava sich einigermaßen zusammen reimte. Doch was war das gewesen, was die Frau gesprochen hatte, bevor sie in die gleiche Gemeinsprache gewechselt war? Das, was er aus irgendeinem Grund hatte deuten können, wenn auch nicht sofort sprechen. Er hatte das Gefühl, er müsste nur den Schlüssel finden - wie bei einem codierten Schreiben - und er könnte zumindest auf diese Art kommunizieren. Seine Hand lag auf dem Mauerrest, hinter dem das neue Loch gähnte und er folgte Slavas Geste mit den Augen. Nicht die Erde. Innerlich erwweitere Jakob den Fundus des neuen Wissens von paralleler Welt und paralleler Zeit um parallele Universen. Das klang so unfassbar verrückt. Unwillkürlich hob er den Blick, allerdings waren jetzt natürlich keine Sterne zu sehen - er beschirmte die Augen mit der Hand, ließ die Sonne durch seine Finger scheinen, blinzelte in ihr gleißendes Licht. Zumindest sie schien wie ihre eigene Sonne - gelb, wärmend. Die Vegetation war grün, also war die Wellenlänge wohl ganz ähnlich und ihre Haut verbrannte nicht gleich unter ihrem Licht. Auch eine Gemeinsamkeit. Jakobs Haut war durch die Zeit in Arizona an viel gewöhnt, hatten die Ausbilder doch ihre Freude daran, die Knappen in der prallen Sonne um den Klosterhof zu treiben. Er hatte gelernt, dass man sich selbst unter einem weißen T-Shirt irgendwann verbrennen konnte. Dann hatte er gelernt, dass es UV-abweisende Materialien gab. Dennoch war der größte Teil seines Oberkörpers von der Sonne dunkel, was die Narben vor allem am Torso noch fleckiger hervor stechen ließ.
Diese Sonne hier war geradezu mild im Vergleich. Und die Luft enthielt genügend Sauerstoff. Slava sprach von Menschen, also war dieser Planet oder was auch immer es war zumindest für ihre Spezies bewohnbar und er musste nicht befürchten an irgend etwas schleichendem zu krepieren. Hoffentlich.
Von all diesen Gedanken gab er allerdings wie so oft nichts Preis.
"Sieht ganz so aus als komm ich vorerst nicht um dich rum.", kommentierte er statt dessen Slavas letzte Worte. Der hatte immerhin eine grobe Ahnung von dem Kauderwelsch, das der Zwerg sprach. Sicher könnte er auch gehen, aber inzwischen betrachtete er das Ganze ein wenig realistischer. Allein würde er es vermutlich nicht mal aus diesem Sumpf schaffen - selbst zu zweit erschien es ihm als ein schier unmögliches Unterfangen. Sie brauchten wohl oder Übel Hilfe und Slava war derjenige, der mit den Einheimischen noch am besten kommunizieren konnte. Zumindest bis er herausgefunden hatte, was die Frau für eine andere Sprache benutzt hatte.
Ein Lächeln oder zumindest Grinsen hätte den Worten wohl ein wenig die Spitze genommen, aber so weit war Jakob noch lange nicht.

Dann fiel ihm wieder ein, dass er vor Thorbens kleinem Feuerwerk eine Frage hatte stellen wollen. "Du glaubst wir zwei kommen aus parallelen Welten, oder? Was noch? Unterschiedliche Zeiten? Welches Jahr haben wir - hatten vor, vor dem hier?" Diesmal war er es, der Ruine und Sumpf in einer Geste einschloss, wobei er Slava wieder ins Kreuzfeuer seiner durchdringenden Blicke nahm. Das dieser sich damit keineswegs unwohl fühlte, verschaffte Jakob seltsamerweise eine gewisse Zutraulichkeit. Versuchte er doch nur zu deuten, was der Andere wirklich dachte - flehte fast, er läge falsch. Denn tatsächlich fürchtete Jakob sich vor der Antwort, denn sein Weltbild war ohnehin schon bedrohlich ins Wanken geraten.
Das er bei all dem mehr Fragen stellte, als Antworten gab, war kein willentlicher Akt und würde wohl so weiter gehen solange Slava antwortete. Jakobs Kopf beschäftigte sich einfach viel mehr mit der neuen Situation, als mit dem was für ihn Normalität war. Zu erklären, was er war und wieso er im 21. Jahrhundert mit einem Schwert herum lief, erschien ihm im Vergleich so unwichtig. Und da war eben auch immer noch der an Gehirnwäsche grenzende Drill: für Unwissende gab es weder Tempelritter noch Vampire. Dieses Wissen nahm jeder von ihnen eher noch mit in den Tod - zumindest in seiner Welt. Doch was, wenn die Weltordnung eine andere wurde?
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