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von/nach:
Zuhause >> Badehaus
Datum: Nachmittag 10. August 1278
betrifft: Slava, Arvijd, Schura, Valentine
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Im Badehaus war es duster und warm und nachdem sie sich alle ihrer Kleidung entledigt hatten, so hatte Slava angenommen, wären alle Unterschiede zwischen Reisenden und einheimischen getilgt. Weit gefehlt.
Er hatte vollkommen vergessen, wie tätowiert seine beiden Begleiter waren. In dieser Welt trugen tatsächlich vor allem Gauner und Seeleute solchen Körperschmuck und bei denen waren die Bilder meist zusammenhanglose einzelne Symbole und oft obszöner Natur, zudem von Hand gestochen und grob und unsauber.
Was die beiden nun zur Schau trugen, nur mit einem Handtuch bekleidet wie alle anderen Anwesenden, war, nun... beachtlich.
Schuras beide Arme warn vollständig mit einem Wellenmuster überzogen und Valentine trug geometrische Muster und eingearbeitet Schriftzüge, wie es eben in seiner Welt modern gewesen war in den 2000ern und 2010ern. Beider Körperschmuck war fein maschinell gestochen mit einer relaisbetrieben Nadel und nicht mit einem nur von einer Hand geführten Dorn.
Und sie zogen blicke auf sie.
Sie waren immerhin nicht die einzigen im Bad. Auch der Regent hatte seine Wachleute und nun auch sein Berarter.
Einzig der Arzt war Bilder und Narbenfrei, er zeigte lediglich eine etwas unschöne Verkrümmung der Wirbelsäule, hielt sich aber dafür erstaunlich gerade. Sonst war er narbenlos und lediglich etwas stämmig. Und dann Slava selbst, den die verschiedensten Narben verunzierten, groß und derzeit etwas hager und blass. Es wäre wohl leichter gefallen, die Rollen zu akzeptieren hätte man bei der Besetzung Arzt und Patient tauschen dürfen.
Außer dem Regenten waren an diesem Tag keine Handelräte zugegen, und das war auch gut so, denn es gab einiges zu besprechen.
Schuras und Valentines Aufgabe war es, neben dem Becken stehen zu bleiben und zu bewachen. Zu gerne hätten auch sie sich, nachdem sich alle vorher gereinigt hatten, in das warme Becken gelegt, aber das war aktuell den hohen Herrschaften vorbehalten, dem Regenten und dem Freiherrn.
Dijkstra war auch für Schura eine beachtliche Erscheinung, selbst unbekleidet und im Wasser sitzen. Groß und massig aber auch von beachtlicher Ausstrahlung. Er musterte Sokolov nur während dieser sich mit langsamen und ungelenken Bewegungen ins Wasser ließ.
Er blieb sparsam in jeder Aktion, was Dijkstra auffallen musste.
Und die ersten Takte der Interaktion verliefen wortlos.
Slavas Blick sagte: 'wir müssen reden.'
Sigismunds Antwort darauf ein nonverbales: 'ja, das denke ich auch.'
"Wieviel weißt du schon?" wollte Slava daraufhin wissen.
"Einiges. Genug, dass dringender Klärungsbedarf besteht.."
"Ich werde alles erklären."
"Das hoffe ich wirklich sehr. Aber zuerst..." Sein Blick wanderte zu den beiden Bewachern, die sich auch offenkundig so verhielten und dann zu dem dem dritten Mann.
"Meine Leibwächter und mein Leibarzt."
"Es stimmt also?"
"Ja, ich hatte einen Herzinfarkt. Aber ich kann meinen Geschäften soweit nachkommen."
Er hätte es nicht unbedingt noch einmal sagen müssen, aber er musste etwas in Erfahrung bringen. Aber kein fragender Blick von Dijkstra, keine hochgezogene Augenbrauche bei dem Wort, dass er dem Großkomtur in verschiedenen Varianten angeboten hatte. Kannte er es also oder überspielte er es?
Er nickte nur und Slava hatte seine Antwort.
"Ich wäre gerne früher gekommen, aber aus eben diesem Grund war mir das nicht möglich. Ich werde aber jetzt alles darlegen."
Gesten noch wäre er vielleicht unsicher gewesen, hätte sich von Befürchtungen leiten lassen. Jetzt aber füllte ihn eine seltsame Ruhe aus. Es mochte dem warmen Wasser geschuldet sein, das ihm wirklich gut tat, die Muskeln entspannte und auch den Kreislauf anregte ohne ihn zu belasten.
Der Regnet musterte ihn dabei offenbar aufmerksam. Vielleicht färbte die Ruhe ab, vielleicht ließ der sich auch von der Sicherheit täuschen, dass es nun nicht mehr schlimmer kommen konnte.
Und Slava begann zu berichten, dort, wo er den Anfang vermutete.
"Nach dem Überfall auf die Hinrichtung wurden drei der Scoia'tael verhaftet, unter anderem eine Elfenmagierin. Es ist mir erst nicht aufgefallen, ich weiß, das hätte es müssen. Ich habe meinen Berater die Befragungen durchführen lassen weil er bei einem Mann großes Talent dazu bewies. Allerdings..."
an dieser Stelle unterbrach ihn der Regent.
"Großes Talent bedeutet? Magisch...?"
"Ja. Er beherrscht eine Technik, um den Befragten dazu zu bringen alles preiszugeben."
Natürlich konnte das nach hinten los gehen, aber Lügen würden das ganz sicher tun.
"Also gut. Weiter."
Slava nickte.
"Er hat interessante Dinge auch aus den anderen beiden herausbekommen, über das Lager der Scoia'tael, deren Lagerstärke, Organisation. Nur zu der Elfenmagierin fehlte mir ein Protokoll. Daher stellte ihn zur Rede, und es stellte sich heraus, dass sie ihn womöglich magisch beeinflusst hatte. Und als ich ihm folgte stellte ich fest, dass er auf dem Weg zum Kerker war. Dort fand ich ihn im Streit mit einem Ritter der Flammenrose. Ehe der eskalieren konnte schoss ich Meister Cyron nieder und ließ ihn in Gewahrsam nehmen." berichtete er weiter wahrheitsgemäß.
"Soll ich raten, welcher Ritter?"
"Nicht nötig. Nichts desto trotz hätte ein Angriff vor Zeugen... Er war immerhin in offizieller Absicht dort."
"Durchaus." Der Regent nickte dazu, ob er ihm glaubte oder nicht war nicht zu erkennen. "Weiter."
"Ich verhörte Meister Cyron und er gab mir den Verlauf der Befragung mündlich zu Protokoll. Allerdings war es nicht mehr möglich, das Vertrauensverhältnis wieder herzustellen. Ich entließ ihn aus meinen Diensten ehe er Schaden anrichten konnte."
"Und wenn er überläuft?"
"Selbst wenn dies geschehen sollte weiß er nicht genug um dahingehend eine Gefahr dazustellen, nicht seines Wissens wegen. Seiner Fähigkeiten wegen vielleicht, aber ich habe lange genug mit ihm gearbeitet um uns auch dagegen wappnen zu können, allerdings nicht ohne starken magischen Beistand."
Dijkstra nickte, er ahnte schon wen Sokolov meinte.
"Und diese Leute? Reisende?" lenkte nun er ab und blickte wiederholt zu Schura und Valentine, die wiederum ihre Rolle als Personenschützer erst nahmen und genau so standen wie man es in Filmen zu sehen bekommen würde.
"Ja. Die beiden stammen aus meiner Welt, vertrauenswürdigere werde ich in dieser nicht finden."
Wieder nickte der Regent nur und Slava fuhr fort.
"Des weiteren habe ich Kundschafter ausgeschickt und so weitere Kenntnisse zusammengetragen. Zum einen gibt es zwei weitere Lager der Nilfgarder. Ich kenne ihre Position und auch ihre Stärke und ich bin bereits dabei, Teams zusammenzustellen, die auch diese beiden eliminieren. Deshalb duldete mein Besuch keinen Aufschub.
Und noch etwas... Die Lager werden aus der Stadt versorgt, von der Familie Wiskieak."
Dijskstra ließ seine wuchtigen Augenbrauen kollidieren. Slava sprach zunächst weiter.
"Sie liefern Fleisch, Waffen, Ausrüstung... Nur dass das Fleisch... laut Aussage eines direkten Zeugen zwar 'merkwürdig aussah aber normal schmeckte' und das in Mengen, die nicht nur für zwei Lager ausreichte."
"Ich kann die Familie nicht angehen, selbst ich nicht. Sie sind zu einflussreiche, und das weißt du."
"Ja. Ich hatte gehofft..."
"...dass ich mir selbst ins Bein schieße und Gregori anpisse? Weit gefehlt."
"Wenn ich weiteres belastendes Material finde?"
"Das wird zu finden sein, zweifellos. In unseren Archiven, vermutlich in jedem zweiten Hurenhaus in der Stadt und wo auch immer du gräbst. Aber das hilft dir nichts. Wenn du ihn absägst, dann nimmt ein anderer aus seiner Familie seinen Platz ein, es ist aussichtslos. Einer sitzt sogar..."
"...ich weiß, im Orden. Der Waffenmeister."
"...Natürlich weißt du das... Und die ganze Familie wirst du nicht mit Stumpf und Stiel ausrotten können, du würdest dir eine gigantischen vernetzte Sippschaft zum Feind machen, da wirst du nicht mehr zur Ruhe kommen."
Slava hörte zwar noch zu, aber es begann bereist wieder zu arbeiten. Wie waren sie damals mit den Tschetschenen verfahren? Man musste irgendeinen Deal finden...
"...es gab übrigens auch einen Anschlag auf mein Leben." fiel er etwas abrupt ein.
Wieder die beinahe Kopulation der beiden an borstige Raupen erinnernden Brauen.
"...ein Armbrustschütze auf dem Dach. Hat mich aber verfehlt und den Großkomtur getroffen, ist allerdings nur leicht verletzt. Dafür hat Alexander Lebedew, einer meiner Leibwächter den Schützen umgehend beseitigt. Die Leiche wurde zur Wache gebracht, ich will mir diesen bald möglichste genauer ansehen um zu erfahren wer ihn beauftragt hat."
Fast hätte Dijkstra die Erwähnung des Gastes überhört, aber nur fast.
"Wir sprechen von von Herrenloh?"
Slava nickte nicht, schürzte nur die Lippen.
"Wo ist das passiert?"
"In meiner Wohnung."
"Von Herrenloh, also der Großkomtur des Ordens war... Ich muss gar nicht weiter fragen. Bitte sag mir, dass es nicht ist was ich vermute."
"Doch, ziemlich genau so. Aber ich bin dabei, eine Einigung zu erzielen, das muss dich nicht belasten."
"Muss es nicht, wenn mir das der alte Wenzel nicht irgendwann auf's Brot schmieren will. Ich hoffe für dich, dass du das eigefädelt bekommst! Bei Meliteles runzeligem Arsch... Mein lieber Freiherr von Sokolov, überspann den Bogen nicht!"
"Das ist meine Privatsache."
"Hah!"
"Aber zurück zum Thema."
"Nein, warte, lass mich raten, er hat dir seinen Athenas auf den Hals gehetzt, richtig?"
"Den Zeichner, ja."
"Mistkerl. Der macht aber auch alles persönlich. Also gut. Das passiert den besten. Weiter."
"Zuerst... hast du den Namen der Elfenmagierin gelesen?"
"Nein, ich habe die Protokolle noch nicht.
"Ja. Aevna Faoiltiarna...."
"Hm..." der Regent wurde plötzlich nachdenklich. "Der eiserne Wolf... Isengrim... und ich... waren eine Weile gemeinsam auf der Flucht. sie haben mich als Verräter gebrandmarkt und er hat mir geholfen. Er ist ihr Bruder."
"Ich wollte sie bereits zum Tode verurteilen lassen, aber ich habe mich noch selbst mit ihr unterhalten. Sie konnte nicht viel zu Klärung beitragen, aber ich versprach ihr bessere Haftbedingungen... Mehr schien mir nicht ratsam, sie steht auf der Seite des Feindes."
"Mag sein. Trotzdem bin ich ihm etwas schuldig. Es war richtig, Danke."
Und ein merkwürdiges Lächeln war zu erkennen, etwas, dass Slava so nicht an ihm kannte.
"Ich habe ...damals nicht erschlagen, obwohl er eigentlich mein Feind war. Ich weiß nicht was ich heute tun würde, würde ich ihm gegenüber stehen. Es waren andere Zeiten. Noch etwas?"
"Nein. Ich werde nun schnellstmöglich zwei Teams zusammenstellen um die beiden Lager auszumerzen und Beweise sicherzustellen. Wenn wir wissen, was es mit diesem Fleisch auf sie hat sind wir vielleicht einen Schritt weiter. Eine Einheit wird von Lebedew angeführt und sich der Waffen aus meiner Welt bedienen. Das andere wird Klingenmeister Moore traditionell führen. Er kann, so hoffe ich die beiden in der Stadt anwesenden Hexer und noch einige andere fähige Kämpfer gewinnen."
Jetzt schon zwei Hexer? Was wollen die nur hier? Aber nicht der weiße Wolf?"
"Dieser Geralt von Riva, Nein. Einer von der Greifenschule. Crehwill von Seren."
"Sagt mir nichts. Du selbst gehst nicht?"
"Mein Gesundheitszustand erlaubt es nicht."
"Wann geht es los?"
"Ich hoffe schon morgen, spätestens übermorgen. Ich will keine Zeit verlieren."
"Gut. Und als nächstes die Hexe?"
"Ja. Zuvor will ich nach Oxenfurt, und noch weiter nach Velen, dort gibt es offenbar Zeugen, die sie von früher kennen. In Oxenfurt ist es der Hauptmann der Stadtwache. Vielleicht könnte man Zeit sparen, wenn man ihn zu einem Gespräch hierher einladen könnte?"
"Natürlich, du hast freie Hand. Die Hexe ist eine Reisende?"
"Ja."
"Und der Hauptmann auch?"
"Ja."
"Ihr schleicht euch immer schnell hoch an die Spitze, ihr Besucher aus fremden Welten." er schüttelte den Kopf.
Nun grinste Slava. "'Ihr...?' Nicht besser... 'Wir?'" und zwinkerte. Dijkstra blieb ihm eine Antwort schuldig und lehnte sich nur zurück.
So entspannten sie noch eine Weile im Bad.