Das Haus der Melitele - Kräutergarten

Wyzima war die Hauptstadt von Temerien und einst Herrschersitz von König Foltest. Von hohen Stadtmauern umgeben, liegt sie an den Ufern des Wyzimasees; die Ismena fließt durch Wyzima und mündet in diesen. Das Bier "Wyzimas Gold" wird hier gebraut.
Nach der Ermordung des König streiten nun Herzoge und Barone um de Herrschaft.
Zeitweise war Wyzima der Sitze var Emreis, denn Temerien ist von Nilfgard besetzt.
in Wyzima ist der Orden der Flammenrose strak, inoffiziell regiert hier der Orden.
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ERZÄHLER
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Varelia, die Erzpriesterin des Tempels in Wyzima, war eine Frau von hohem Wuchs und strengem Naturell. Ihre mandelförmigen Augen in dem scharf geschnittenen Gesicht hatten die Farbe von Bernstein und das einstmals kastanienbraune Haar war grau geworden. Ohnehin steckte es bis auf die letzte Strähne unter einer Haube, deren mit Goldfaden abgesetzter Saum das einzige Zeichen ihrer Stellung innerhalb der Gemeinschaft war. Der Tempel in Wyzima war nicht so groß wie der in Ellander und sie hatten keine Schule, wie die, der Nenneke vorstand, dennoch war Varelia eine Frau von gewissem Einfluss. Sie regierte ihren Tempel mit strenger Hand und war außerdem die Herrscherin über den kleinen Kräutergarten. Auch dieser kein Vergleich zu den Gärten, Gewächshäusern und Höhlen von Ellander, aber die Auswahl war erlesen und Varelias Wissen um die Geheimnisse der Pflanzen tiefgründig.
Die Dienerinnen der Göttin Melitele verschworen sich den Menschen zu helfen, viele waren Heilerinnen, andere Hebammen, wieder andere lehrten diejenigen, die allein zurück geblieben waren, einen Platz in der Welt zu finden. So wie Wyzima ein Waisenhaus hatte, hatte Ellander die Schule. Nicht selten verließen Mädchen Wyzima, um in Ellander weiter unterrichtet zu werden.
Varelia war eine Frau, die die Lehren der Göttin durch und durch lebte. Sie unterschied nicht zwischen Leben, sie war gerecht, sie war Lehrerin und Schülerin, Mutter und Tochter. Vorsätze, die zuweilen auf die Probe gestellt wurden - zum Beispiel wenn man ihr ihre Mädchen wegnahm, um sie als Feldscherinnen an die Front zu schicken. Oder wenn es um die Gläubigen der Ewigen Flamme ging, deren zuweilen lebensverachtende Lehren allem entgegen standen, woran Varelia glaubte. Wie viele Waisen hatte sie schon hinter ihren Röcken versteckt, weil deren Eltern eine Mischehe eingegangen waren und bitter dafür bezahlt hatten? Vielleicht nicht so viele, wie aus dem Krieg zu ihr kamen, aber doch genügend.

Wie jeden Nachmittag, zwischen Mittagsgebet und Abendmesse, fand man die Erzpriesterin in dem schmalen Garten, der sich wie ein grünes Band an der Nordseite des Tempels gegen dessen Mauern schmiegte. Selten verirrte sich jemand her, der nicht hierher kommen wollte, den nur ein schmaler Torbogen mit einem Gittertor verriet, dass es auch auf dieser Seite noch weiter ging. Das Klima auf dieser Seite des Tempels war nicht besonders geeignet für Gemüse oder Obst, aber die selbst jetzt im Sommer noch ausreichende Feuchte des Bodens und die Wärme der Mauern machten den Ort zum idealen Kräutergarten. In Spiralen und Terrassen, in Mauernischen und Töpfen, auf Beeten und in Senken grünte und blühte es in vielerlei Farben. Insekten summten und eine bunte Mischung aus ätherischen Düften und feuchter Erde hing in der stillen Luft.
Varelia mochte die ruhige Stunde, die sie hier täglich verbrachte. Die Pflanzen waren stumme Begleiter, dankten ihr die Pflege mit reichem Wuchs. Auch wenn sie nicht immer pflegte. Heute saß sie auf einer kleinen Bank und beobachtete das Treiben der Tagpfauenaugen auf Sonnenhut und Ringelblumen. Nicht mehr lange und die Sonne würde für einen Moment auch den Rest des schmalen Gartens aus dem Schatten schälen, bevor sie im Westen zwischen die Häuser fiel.
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Jarel Moore
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Der Ritter hatte sich Mühe gegeben, sich nicht aus reinem Instinkt anzuschleichen, trotzdem kam er nicht umhin zu bemerken, dass die Erzpriesterin bei seinem Anblick zusammenzuckte. Und dass, obwohl er die Kleidung trug, die ihm zur Verfügung gestellt worden war. Einheitliches Braun, welches an den Schultern leicht spannte.
Der Ritter näherte sich ruhig und gemessenen Schrittes, ließ seinen Blick über die Kräuter im Garten schweifen, sog den würzigen Duft tief ein. Er half immer noch gern in der Küche und hätte seine Kräuter zu gerne hier geschnitten. Doch er wagte sich nicht hinein. Zumindest nicht zum Ernten.
Denn dies war ihr Reich. Schwester Varelias. Sie mochte ihn nicht. Wer konnte es ihr verdenken, denn dass, wofür sein Orden stand – besonders im Umgang mit den Anderlingen – war das genaue Gegenteil von dem, was sie hier tat.
Und einem Instinkt folgend hatte Jarel nie versucht, sich bei ihr einzuschmeicheln.
Sie war streng, intelligent und kampferprobt, was das Führen des Tempels anging.
Sie respektierte ihn. Er bewunderte sie. Aus sicherem Abstand.
Heute musste er mit ihr reden, wenn er an ein Trainingsgerät kommen wollte.
Sein Schwert würde er erst dann wiederbekommen, wenn sie die Rückreise antraten. Das war in Ordnung, denn sein Schwert hätte er auch nicht haben wollen denn – auch wenn er es ignorierte – der Arm schmerzte noch immer, wenn er länger belastet wurde.
Seinen Dolch hätte er gern bei sich gehabt. Aber nicht als Waffe sondern…ja…warum eigentlich?
Der Anblick des Gartens wollte etwas in ihm auslösen. Die pittoresken Anordnungen, Spiralen, Kreise, Absätze, kleine Terrassen.
Doch darum war er nicht hier.
„Erzpriesterin Varelia.“, sprach er sie an, verbeugte sich höflich. „Ich möchte euch bitten, mir eine Übungswaffe aus dem Waffenraum zu übergeben, damit ich trainieren kann. Dank eurer Hilfe und Arvjids bin ich so weit genesen.
Kein Geplauder. Er war höflich, kam aber gleich zur Sache.
Mit vor dem Körper verschränkten Händen blieb er in zwei Schritt Abstand stehen.
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Das plötzliche Auftauchen des Ritters versetzte ihr einen leichten Schreck, denn Varelia war in Gedanken versunken. Vieles wäre eigentlich zu tun, der Müßiggang ein seltenes Gut, doch selbst diesen verbrachte sie damit, im Geiste durchzugehen, was noch zu erledigen war. Nenneke wartete auf eine Antwort, der Brief aus Ellander lag schon fast zwei Tage auf ihrem Schreibtisch. Dann waren da die Bücher, die Planungen für die Winterlagerung, der Unterricht. Vieles ging ihr durch den Kopf, Gedanken, aus denen Jarels Auftauchen sie weckten. Sie wandte den Kopf ruckartiger, als es üblicherweise ihre Art war und streckte die Gestalt etwas. Dann erkannte sie den Eindringling und hob leicht das Kinn, um seinem Gruß mit einem Nicken zu begegnen, ohne jedoch aufzustehen.
"Meister Moore." Sie bemühte sich freundlich zu klingen, auch wenn es ihr nicht immer leicht fiel. Die Ritter des Flammenrosenordens, die Exekutive des Glaubens des Ewigen Feuers, waren ihr ein Dorn im Auge und sie machte selten einen Hehl daraus. Dass sie diesen hier so oft in ihrem Tempel zu Gast hatte, ihn duldete und nicht einfach in sein eigenes Ordenshaus weiter schickte, hatte diverse Gründe. Sie hatte über die letzten Jahre gelernt, dass er nicht so Recht in die Form passte, die Varelia von den anderen Rittern jenes Ordens kannte und die aufmerksame Frau glaubte sogar inzwischen zu ahnen, wieso das so war. Außerdem hatte er sein Mündel in ihre Obhut gegeben und sie würde ihren Kindern und Schwestern niemals verwehren, Kontakt zu Verwandten zu halten. Iola wollte sie allerdings nur ungern nach Nowigrad reisen lassen, also befürwortete sie sogar, dass Jarel sie hier besuchte. Zumal sie sehr an ihm hing und er durch und durch freundlich zu ihr war. Hier im Tempel kannte die Erzpriesterin den Mann als zuvorkommenden, ruhigen und ausgeglichenen Menschen, der mit Iola lachte, mit Brea scherzte und keine Messe ausließ, während denen er hingebungsvoll der Liturgie folgte. Das für sich genommen, sprach eine eindeutige Sprache.
Und nun wollte er eine Übungswaffe von ihr. Die Frage überraschte sie durchaus.
Die Erzpriesterin warf einen prüfenden Blick in die unbewegten Züge des Ritters, ließ diesen an ihm hinunter und wieder hinauf wandern. Ihre Gedanken dabei waren nicht zu deuten, aber er kannte sie gut genug, dass er wusste: wollte sie zustimmen, dann tat sie das für gewöhnlich sofort und ohne Umschweife. Varelia lehnte sich etwas zurück, die Hände im Schoß gefaltet und ließ den Blick wieder zum Tanz der Schmetterlinge wandern.
"Dieser Tempel ist ein Ort des Friedens. Unsere Waffen sind das Gebet, das Wort und die Heilkunst." Das entsprach zwar nur zum Teil der Wahrheit, aber es war die Wahrheit, die sie gerade haben wollte. Varelia sah ihn wieder prüfend an. Eine ihrer Brauen zuckte leicht empor. "Es war Euch immer genug mit uns zu beten. Wieso diesmal nicht? Für Kriegskunst und dergleichen zerstörerische Übungen könnt Ihr auch den Tempel Eurer Brüder aufsuchen." Sie kippte leicht den Kopf, wissend, dass es sich sofort anhörte, als wollte sie ihn weg schicken. Was sie normalerweise auch in dieser Form tat, nur störte sie heute etwas an diesem Ritter. Oder besser an dessen Auftreten. Ein wenig wunderte sie sich über sich selbst, als sie sich sagen hörte: "Wieso setzt Ihr Euch nicht einen Moment zu mir?"
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Jarel Moore
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Der Ritter stand noch einige Sekunden einfach nur da, den Blick leicht gesenkt, das linke Handgelenk vor dem Körper mit der rechten Hand haltend und dachte über ihre Worte nach.
Warum verspürte er jetzt – in genau diesem Moment – keinerlei Bedürfnis der Messe beizuwohnen?
Seine Beziehung zur gütigen Göttin war immer hingebungsvoll gewesen.
Er hatte sich in der Messe immer erfüllt gefühlt. Geborgen…gefühlt.
Gefühlt.
Sein Blick huschte einen unkontrollierten Moment unstet umher, bevor er am Schmetterling hängen blieb, der sich ruhig auf eine Blüte gesetzt hatte und langsam die beeindruckt leuchtend blauen Flügel öffnete und schloss…öffnete…schloss. Jarel atmete tief ein. Und aus. Unbewusst im Tempo der Flügel des bunten Insekts.
Gefühlt…
Ein weiterer unkontrollierter Moment, in dem Jarel seine Augenbrauen zusammenzog.
Vermisste er es, zu fühlen? Ständig an Jakob zu denken, Iola, Ljerka…Slava?
Slava.
Nein. Diesen Schmerz vermisste er nicht. Er wollte das alles nicht zurück. Selbst wenn er dazu in der Lage gewesen wäre.
Es war gut so, wie es war.
Er blinzelte, sein Blick klärte sich, erkaltete. Der Ritter straffte die Schultern und sah Varelia direkt in die Augen. „Ihr versteht mich falsch.“, erklärte er trocken.
„Meine Frage galt nicht meinem Schwert. Eher einem Trainingsgegenstand. Ein Langstab zum Beispiel. Damit ich wegen des Vorfalls nicht ins körperliche Hintertreffen gerate.“
Nicht ganz die Wahrheit. Eigentlich gefiel es ihm, sich mit körperlichem Training so weit zu erschöpfen, dass er nicht denken musste.
Nicht mehr denken konnte.
Aber das ging zur Not auch ohne Stab. Warum war er also hierhergekommen?
Warum hatte er die Erzpriesterin aufgesucht? Hatte er unterbewusst reden wollen?
Was auch immer es war, er hatte es sich anders überlegt.
Seine Körperhaltung änderte sich. Er hob den Blick, straffte die Schultern und lies die Arme links und rechts vom Körper hängen.
„Danke für euer Angebot, aber ich denke ich werde mich wieder zurückbegeben. Verzeiht die Störung.“
Er verbeugte sich knapp, zupfte seine Ärmel zu Recht wand sich in einer stockenden Bewegung um und wollte gehen.
Er beschloss, mehr Abstand zu halten. Von allem. Zu jedem.
Funktionieren würde ausreichen.
Mehr war nicht von Nöten.
Es würde ausreichen. Bis er eine andere Lösung fand.
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Die Erzpriesterin sah sich das Schauspiel an und stemmte dann energisch die Hände auf die Knie, um sich zu erheben. Für eine Frau dieser Gegend war sie sehr groß, sodass nicht viel fehlte und sie könnte dem Ritter gerade in die Augen sehen. Die letzten Millimeter pflegte sie durch Wirkung zu überbrücken. Böse Zungen behaupteten, in der Linie ihrer Vorfahren verberge sich der ein oder andere Elf, was die Größe, die Form der Augen und auch die durchaus attraktiven Gesichtszüge befürworteten. Varelia selbst achtete nicht auf Äußerlichkeiten und ließ sich von solcher Nachrede auch nicht beirren. Alle Kinder dieser Welt waren Meliteles Kinder, ganz gleich, welches Blut in wessen Adern floss. Allein dummes Geschwätz zog Grenzen und machte Unterschiede, wo dereinst keine gewesen waren. Glaubenslehren, verquere Moralvorstellungen, jahrhundertelange Entzweiung...
Sie strich ihr Kleid glatt, während Jarel sich anschickte wieder zu gehen, legte dann die Hände vor sich ineinander, als würde sie auf etwas warten. Der Blick der forschenden Augen hatte sich an ihrem Besucher fest gesogen. "Ihr habt nicht gestört - aber Recht habt ihr. Genug des Müßiggangs." Ihre Lippen verzogen sich streng, sich scheinbar selbst tadelnd, dann krauste sie die Stirn. Ein Gesichtsausdruck, der selten etwas Gutes bedeutete.
"Körperliche Ertüchtigung sucht Ihr also? Gut - helft einer alten Frau die Alraunen zu ernten. Die Biester sitzen fest wie Felsen. Danach seid Ihr ertüchtigt, ganz ohne Stab und Schwert." Wie so oft bei ihr, klang es nicht nach einer Bitte und sie wartete auch nicht wirklich auf eine Antwort, sondern setzte sich in Richtung eines kleinen Anbaus in Bewegung, um sich Handschuhe und Werkzeug zu holen. Sicher könnte er nun auch einfach gehen. Sie hatte keine Verfügungsgewalt über ihn.
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Jarel Moore
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Jarel drehte sich erstaunt um. Der Erzpriesterin helfen?
Ihr so nahekommen? Kurz hob er die Braue.
„Es ist mir eine Ehre.“, antwortete er im Brustton der Überzeugung und folgte ihr tatsächlich in Richtung des Anbaus.
Und schon war sein Vorsatz, sich von allen Fern zu halten Höflichkeit – und vor allem Neugier- gewichen. Er bewunderte Valeria für ihre natürliche Dominanz.
Slava hätte sofort erkannt warum. Nur Jarel, der reflektierte so weit nicht. Er dachte darüber nach, was man mit Alraune – Mandragora – alles anstellen konnte.
Und wie immer kannte er sich nur damit aus was, welche Gifte man daraus herstellen konnte. Und welche Droge.
Das würde er aber besser nicht verraten.
Aber er würde besonders vorsichtig sein, denn gegenüber der halluzinogenen Wirkung des aus den Wurzeln austretenden Saftes war er mehr als empfindlich.
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Ein seltsamer, doch angenehmer Laut erklang: die Erzpriesterin lachte. Kurz, doch wirklich. "Ihr seid wirklich ein seltsamer Mensch. Reden wollt Ihr nicht mit mir, aber mit mir im Dreck wühlen ist Euch eine Ehre?" Wie viele Leute hätten gern eine persönliche Unterredung mit der Erzpriesterin... Sie schüttelte kaum merklich den Kopf, doch der kurze Moment der Heiterkeit verging ebenso schnell wie er gekommen war und sie zog die Tür des kleinen Schuppens auf. Drinnen standen und hingen Gartengeräte in ordentlicher Reihe, auf einem kleinen Regal standen Kisten und Töpfe. Varelia zog eine Kiste heraus und entnahm dieser ledernde Handschuhe und ein mit Ruß geschwärztes Tuch. Nach einem skeptischen Blick auf die Handschuhe, reichte sie Jarel nur das Tuch, warf die Handschuhe zurück und nahm ein anderes Paar, außerdem ein weiteres Tuch. Jarel reichte sie eine Grabegabel.
"Für Eure Hände habe ich keine Handschuhe. Grabt, aber fasst die Pflanze nicht an, das übernehme ich." Die zweite Hälfte der Anweisungen wurde gedämpft durch das TUch, das sie sich über Mund und Nase gelegt hatte, um es sich im Nacken zu verknoten. Dann führte sie ihn zu einem der Hügelbeete, wo dicht an dicht fleischige Pflanzen mit lilaweißen Blüten standen.
"Wir nehmen einzelne heraus, weil sie dieses Jahr so dicht stehen. Bleibt mit der Nase weg. Hier, mit dieser fangen wir an.", wies sie ihn an und zeigte auf eine dicht wachsende Staude. Sobald Jarel die fest mit feinen Wurzeln durchzogene Erde gelockert hatte, begann Varelia mit geschicktem Drehen und Rucken die Knolle zu lockern, wobei sie umsichtig arbeitete, um nicht zu viele Wunden in die Pflanze zu reißen, aus denen ihr Saft austreten konnte. Das, was sie aus der Erde beförderte, erinnerte entfernt an ein Menschlein, mit Armen, Kopf und Beinen. Ein Umstand, weshalb der Volksglaube der Alraune allerlei verrückte Dinge andichtete. Der Tempel kultivierte die Pflanze hauptsächlich des Saftes und der darin enthaltenen Narkotika wegen, die man brauchte, um Wunden oder auch Menschen zu betäuben. Auch der Missbrauch war Varelia bekannt und so hütete sie ihre Alraunen wachsam, vor allem wenn sie erst in der Kräuterkammer auf ihre weitere Verwendung warteten.
Knolle für Knolle wanderte in den Korb und auch wenn es schon dem Abend zuging, geriet die Erzpriesterin ins Schwitzen. Manche der größeren Pflanzen saßen so fest, dass der Ritter kräftig hebeln musste, während sie drehte, die Hände in den Handschuhen tief in die Erde gegraben, bis die Wurzel schließlich mit einem knirschenden Geräusch nachgab. Selbst durch Kohle und Stoff konnte sie dann den Geruch des Saftes riechen und warf die Wurzel eilends in den abseits stehenden Korb.
"Teufelszeug und doch Seegen der Mutter zugleich.", sprach sie, als sie Jarel bedeutete, dass es genug sei. Sie nahm das Tuch von Gesicht, in das der Ruß mit ihrem Schweiß schwarze Spuren gezeichnet hatte. Dennoch schaffte sie es, würdevoll auszusehen, während sie auch die Handschuhe abstreifte. Eingehend musterte sie ihren Helfer.
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Jarel Moore
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Das Tuch band der Ritter sich ungewöhnlich routiniert um. Als würde ein Tuch vor dem Mund zur Berufsbekleidung eines Ritters gehören. Und er arbeitete überaus konzentriert. Teilweise so konzentriert, dass er beinahe langsam wirkte. Entweder hatte er Respekt vor den Pflanzen, oder sogar Angst. Zumindest zeigte er Geschick beim Umgang mit dem Zeug und war sich der Gefahr bewusst.
Jarel sah immer noch in Richtung des Korbes, während er das Tuch abstreifte.
„Mit dieser Menge an Mandragora kann man ein ganzes Dorf in den Wahnsinn treiben.“, erklärte er leise und gab der Erzpriesterin das Tuch zurück. Sein Bart war pechschwarz. Und seine Mundwinkel auch.
Durchamtend verlor er sich einen Moment in Erinnerungen. Oder besser an einen Zeitraum, an den er kaum Erinnerungen aufzuweisen hatte.
Mehr als ein Jahr, verloren an Drogen. Angefangen mit Alkohol, Rauchkräutern, grüner Fee über Mohnblumensaft und zuletzt das, mit dem er sich die Gesundheit endgültig ruiniert hatte.
Eine Mischung aus Opiaten, Belladonna, Laudare und Mandragora. Vernichtend für den Verstand. Vernichtend für die Gesundheit. Hätte Ilarion nicht gesucht und gefunden…
Jarel schluckte und senkte den Blick. Vergangen. Längst vergangen.

„Wird es hier als Betäubungsmittel genutzt?“, fragte er ohne besondere Betonung und sah die Erzpriesterin endlich wieder an. In seinen Augen war nichts Besonderes zu lesen.
Eigentlich war gar nichts darin zu lesen.
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Varelia war zufrieden mit der Ausbeute und auch mit ihrem unverhofften Helfer. Nein, sie mochte nicht, was er verkörperte, was er vertrat und darstellte. Würde es niemals mögen und nicht aufhören dagegen zu sprechen, sobald das Thema auf den Tisch kam. Aber sie konnte den Mann, den Menschen dahinter respektieren, weil er sich - solange er hier war - auch respektvoll ihrem Haus und dem Glauben darin gegenüber verhielt. Wirklich schlau wurde sie allerdings nicht aus dieser Konstellation. Kam Jarel nach Wyzima, wohnte er oft hier in den Gästezimmern statt im eigenen Ordenshaus, das sich ja nur einige Straßen von hier entfernt befand und sicher weit mehr Annehmlichkeiten zu bieten hatte. Vor allem wenn man bedachte, wer er war - was Varelia als Erzpriesterin dieser Stadt natürlich wusste. Sie lebte lange genug in diesen Mauern, hatte sich immer wieder offen gegen de Aldersberg gestellt und dessen Fall und Nachfolge entsprechend mit Argusaugen beobachtet.
Die Worte des Ritters holten sie aus ihren Gedanken. Sie nahm das Tuch entgegen und versuchte in den Zügen Jarels dessen Gedanken zu lesen, während sein Blick auf dem Korb ruhte. Er nannte die Pflanze bei jenem Namen, den die Gelehrten ihr gaben, zeigte aber mit keiner Regung, was dabei in ihm vorging. Überhaupt wirkte er die ganze Zeit sehr in sich gekehrt.
Varelia atmete durch und streckte den Rücken, dann begann sie die Geräte aufzuräumen. "Wir bereiten verschiedene Tinkturen damit zu. Schmerzlindernde Salben und Spülungen, unter anderem." Sie rieb sich die Hände - einer ihrer Finger hatte im Vergleich zu den anderen alle Farbe verloren. Ein altes Leiden. Ihr Blick ruhte wieder auf Jarel. "Auch Betäubungsmittel, ja. Und natürlich den Konzentrierten Saft als Rohstoff." Pures Gift, den sie zuweilen an ausgewählte Alchemisten verkaufte.
Der Erzpriesterin entging nicht, dass keine der Informationen eine nennenswerte Reaktion bei ihrem Gast hervor rief. Seltsam, selbst für ihn, der zugegeben schwer aus der Reserve zu locken war, aber so steinern hatte sie ihn selten erlebt. Sie trat an den Korb und schlug die Ecken des Tuchs, welches den Korb auskleidete, über den Wurzeln zusammen. Dann packte sie einen der Riemen, wortlos wartend, dass er den anderen nahm, damit sie die Beute hinein bringen konnten.
"Woher kennt Ihr die Alraune?" Oder war es nur Hörensagen, wie bei den meisten? Das der Ritter sie eigentlich um ein Trainingsgerät gebeten hatte, war für Varelia inzwischen zu den Akten gelegt. Heute könnte er höchstens noch mit einem Besenstiel rechnen. Das sie das nicht auszusprechen brauchte, gehörte zu einer der Gesetzmäßigkeiten in diesem Tempel und ohnehin würde gleich die Glocke zum Abendgebet läuten, welches Jarel in ihrer Begleitung wohl kaum auslassen konnte.
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Jarel Moore
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Den Riemen des Korbes ergriff er – selbstverständlich – sofort und half den Korb hinein zu tragen.
Zu anderen Zeiten hätte er darauf bestanden die Ernte allein zu tragen, doch der Erzpriesterin wiedersprach man nicht. Er zumindest nicht.
Mit der Antwort auf ihre Frage jedoch ließ er sich ungewöhnlich viel Zeit.
Er hing seinen Gedanken nach.
Seine Erfahrungen mit den Wirkstoffen der Pflanze, die sie gerade geerntet hatten?
Er erinnerte sich kaum. Ein ganzes Jahr seines Lebens war für ihn nur in Bruchstücken greifbar. Und selbst diese waren verschwommen, unklar und er war sich unsicher, wie viel davon dem Wahnsinn entsprungen war.
An das DAVOR erinnerte er sich genau. An den Fehler, an dem seine Beziehung zerbrach. Daran, wie Ilarion regelrecht vor ihm floh. An seinen Absturz im Anschluss. Und daran, worin eben dieser Absturz seinen Anfang gegründet hatte: Dem plötzlichen Ersterben seiner Gefühle. Der gleichen Ruhe und Leere, die ihn jetzt eingeholt hatte.
Noch immer starrte der Mensch den Korb zu seinen Füßen an.
Er war am selben Punkt wie damals. Leere und Ruhe, aber auch Gleichgültigkeit und Desinteresse. An allem. An jedem. Wohin hatte es ihm damals getrieben? In die Arme dessen, welches die Gestalt, die ihm das Zeug damals verkaufte ‚Dûrfae‘ nannte. In die Arme der Droge, die Umgangssprachlich nur ‚Lichteraus‘ genannt wurde. Ein Versuch, der Leere zu entkommen.
Er horchte in sich und wartete auf ein Echo. Sehnsucht. Reue. Zuneigung. Stolz…
Nichts. Gar nichts. Und es störte ihn nicht.
Endlich riss er seinen Blick los, sah Varelia mit leerem Blick in die Augen und antwortete. „Sagen wir, in einem anderen Leben war ich einigen Wirkstoffen davon näher, als ich es sein sollte.“
Er nickte, sah zur Tür. Für ihn war das Thema damit beendet. Seine Mundwinkel zuckten zu einem höflichen Lächeln hoch.
„Ich sollte mich waschen gehen. Oder benötigt ihr noch weitere Hilfe?“
Die Frage nach einem Trainingsgegenstand hatte auch er abgehakt. Es würde auch ohne gehen.
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Sie wartete geduldig, beobachtete den großen, dunklen Mann, wie dieser wiederum sinnierend den Korb betrachtete. Sie konnte nichts in seinen Zügen lesen, ebensowenig in seinen Augen und das missfiel ihr. Üblicherweise verrieten Menschen sich und ihre Gedanken mit winzigen Gesten, motorischen Reaktionen, die völlig unbewusst vonstatten gingen. Lernte man, mit Menschen und deren Problemen umzugehen, lernte man auch, solche Zeichen zu deuten. Und Varelia hielt sich für gut darin, doch gerade stand sie vor einem Buch mit vielen Siegeln. Eine Statue hätte ihr mehr verraten, aber vielleicht war gerade diese Starre beredt genug.
Dann antwortete er doch noch, vage und trotzdem ausreichend für die Erzpriesterin. Sie nickte leicht, folgte ihm dann hinaus, denn auch sie musste sich vor der Messe reinigen. Unbewusst rieb sie sich weiter den tauben Finger, um wieder Leben hinein zu bringen, aber vermutlich half wie so oft nur ein heißer Becher Tee oder ein wenig warmes Wasser.
"Leistet Ihr uns bei der Messe wieder Gesellschaft, jetzt, da Ihr nicht mehr das Bett hüten müsst?" Eine offene Frage, trotzdem schaffte die Frau es zuweilen, mit solchen Worten ein schlechtes Gewissen zu erschaffen. Für die Gäste des Tempels gab es keine Pflicht zum Gebet, zumal Jarel und sein Knappe nicht ihrer Konfession angehörten, dennoch befürwortete Varelia es natürlich, wenn man der Gottheit, unter deren Dach man weilte, die Ehre erwies. Und außerdem mochte sie die Stimme des Ritters, die sich wie ein warmer Teppich unter die klaren Gesänge der Frauen zu legen pflegte.
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