Das Haus der Melitele - inneres Heiligtum

Wyzima war die Hauptstadt von Temerien und einst Herrschersitz von König Foltest. Von hohen Stadtmauern umgeben, liegt sie an den Ufern des Wyzimasees; die Ismena fließt durch Wyzima und mündet in diesen. Das Bier "Wyzimas Gold" wird hier gebraut.
Nach der Ermordung des König streiten nun Herzoge und Barone um de Herrschaft.
Zeitweise war Wyzima der Sitze var Emreis, denn Temerien ist von Nilfgard besetzt.
in Wyzima ist der Orden der Flammenrose strak, inoffiziell regiert hier der Orden.
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Arvijd Kostjunari
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von/nach: die letzten Jahre
Datum: Hochsommer; Juli 1278
(ca. ein dreiviertel Jahr nach der Handlung in Velen/Oxenfurt bzw Jakobs Ankunft
- und 4 Jahre nach Arvijds Ankunft in der Welt)
betrifft: Jarel, Jakob
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Die Jahre waren vergangen, manche schneller als andere. Er hatte die Sprache gelernt, die Gemeinsprache und hatte sich nützlich gemacht. Schon bald hatte er nicht mehr verbergen können, welches medizinische Wissen in ihm schlummerte und auch wenn er sich hatte zurückhalten wollen, in einem Haus der Melitele deren Priesterinnen sich der Heilung verschrieben hatten, war es ihm unmöglich gemacht worden, sich nicht einzubringen.
Und schon bald war er als Arzt und Feldscher in der näheren Umgebung bekannt.

Und ein Arzt wurde dringend gebraucht.
Die Catriona Pest suchte das Land heim, eine aggressive Lungenkrankheit, die die Menschen schwächte, tötetet und obendrein hoch ansteckend war. Vielleicht war er zur rechten Zeit gekommen, denn die Hygienemaßnahmen, die er für den Tempel einführte retteten Leben. Die Atemwege zu bedecken, sich lieber einmal zu oft die Hände zu waschen und die Brunnen nicht neben den Latrinen und den Massengräbern auszuheben, all das war in seiner Welt, seiner Zeit selbstverständlich gewesen, hier rannte man zunächst gegen Mauern. Dennoch rettet er vielleicht gerade mit seiner Sturheit Leben.

Jene Jahre waren schnell vergangen, in denen die Anderlinge in der Stadt um ihre Freiheit gekämpft hatten.
Eichhörnchen waren nicht länger putzige Nager gewesen sondern bis an die Zähne bewaffnete Anderlinge - Anderlinge, so nannten die Menschen hier alle, die eben keine Menschen waren sondern eben etwas anderes. Der Mensch änderte sich wohl nie. Es glich dem Bürgerkrieg, den er bereits erlebt hatte in erschreckender Weise und viel zu routineirt versorgten die damals im Tempel die Opfer.

Auch die Jahre, in denen die Köpfe nur so gerollt waren waren schnell vergangen.
Könige wurden enthauptet, begonnen mit Demawend von Aedirn und nur kurze Zeit später Foltest.
Und je mehr er erfuhr und je tiefer er eintauchte umso grausamer offenbarte diese Welt ihr Gesicht.
Die Tochter Foltests, die zur Strige geworden war und das Zentrum vieler Verschwörungen gewesen sein sollte, die Zunft der Hexer, die eigentlich an jeder passenden und unpassenden Stelle Neutralität gelobten nur um dann doch an vorderster Front mitzumischen, die Magier, die eigentlich nur die Berater der Könige hätten sein sollen und von denen es nun hieß, sie hätten mit ihnen gespielt wie mit Marionetten, und zuletzt die Orden der Weißen Rose und der Flammenrose, die ihr blutiges Schwert nicht nur gegen die Verschwörer schwangen sondern oftmal viel zu weit damit ausholten.
ein heilloses Chaos, das zu durchblicken jedoch zum Glück nicht seine Aufgabe war.
Und schließlich, und hier war es dann unmöglich geworden, sich zurückzuziehen und nur die Verletzten des Bürgerkrieges zu versorgen,
Erneut war der Krieg ins Land gezogen, Nilfgard war bis an den Pontar vorgerückt und Wyzima war nun in der Hand des Feindes. Nun versorgten sie neben den Anerldingen und den eigenen Leuten also auch noch die der schwarzen Armee.
Aber ihm war es letztlich egal, die waren alle nur Menschen.
Und lange Zeit vergaß er darüber sogar, woher er kam.
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Jakob von Nagall
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von/nach: Eine Straße zwischen den Orten --> Das Haus der Melitele in Wyzima
Datum: Hochsommer; Juli 1278
betrifft: Jarel, Arvijd
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Es goss wie aus Eimern, als Jakob mit Jarel im Schlepp Wyzima erreichte. Er hatte aus beiden Mänteln und weiteren Ästen eine Art Schirm gebastelt, damit der Ritter nicht völlig durchnässt wurde. Dafür war er selbst nass bis auf die Haut, aber es war noch immer warm und entsprechend zu ertragen. Das Wappen der Flammenrose und das Wetter sorgten dafür, dass er am Tor keinerlei Schwierigkeiten hatte und so schleppte Mariposa die Trage bald durch die aufgeweichten Straßen.
Dass er nicht zur Komturei ritt, sondern zum Konvent der Melitele, war einfach ein Bauchgefühl. Jakob hatte seinen Ritter über die Monate beobachtet, hatte zugehört und ihn auf seine Art - im übertragenen Sinne - seziert. Etwas sagte ihm, dass er in diesem Zustand lieber unter dem Dach der Allmutter wäre und so klopfte der Knappe nach einigem Suchen dort an die riesige Pforte.
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Arvijd Kostjunari
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Ein Mädchen öffnete die schwere Flügeltüre. Sie mochte etwas jünger sein als Jakob und sie blickte
Kurz erschrocken von dem jungen Mann zu dem auf der improvisierten Trage.
Dann ließ sie ihm einfach die Tür vor der Nase zufallen und rannte wieder nach drinnen ehe er auch nur ein Wort zur Erklärung anbringen konnte.

Ein wenig erinnerte das Haus an eine romanische Kirche von der Erde, eine niedrige Steinmauer umgab sie, darin der Kräutergarten.
Noch vor einigen Jahren waren hier noch tiefe Löcher ausgehoben gewesen die später als Massengräber dienen sollten für die vielen Opfer, die die Catriona Pest gefordert hatte, heute erinnerte kaum mehr etwas daran, außer dem Meer an Kräutern und Blumen die dort nun wuchsen und den Tod wieder in etwas Lebendes verwandelten. Gros war der Garten nicht, immerhin stand das Haus der Melitele hier mitten in der Stadt, doch er bot ein wenig bunte Abwechslung im Graubraun der Stadt.
Das alles konnte man vom Haupttor aus sehen.
Nach einer ganzen Weile öffnete die Türe sich erneut und ein etwas untersetzter Mann mit Glatze und markanter Nase und grauen Augen öffnete. Er hatte sich eben die Hände desinfiziert, man konnte es noch riechen und während er die Türe mit dem Ellbogen aufschob massierte er sich den starken Alkohol noch immer in die Handflächen und zwischen den Fingern ein.
"Es gibt einen Patienten wurde mir gesagt? Was ist denn passiert?" Wollte er wissen, während er zuerst Jake musterte, dann den Mann in der Trag, den er zunächst auch erst einmal nicht erkannte.
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Jakob von Nagall
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Während Jakob gegen den hohen Flügel der Pforte hämmerte, hörte er hinter sich ein unruhiges Wiehern. Mariposa trampelte unruhig von einem Huf auf den anderen, was Jakob dazu brachte, sein Hämmern einzustellen und hastig den Kopf zu wenden. Mariposa war niemals unruhig. NIE!
Angespannt wie er war, machte dieser Umstand ihn dermaßen unruhig, dass er zur Trage eilte und eben nach Jarel sehen wollte, als das Tor von der jungen Priesterin geöffnet wurde. Er hörte das Ächzen der Angeln, sah kurz eine verhüllte Gestalt durch den Regenschleier, die so schnell wieder verschwand, wie sie gekommen war. Mit einem Schlag fiel das Tor erneut zu und Jakob fluchte unflätig. Ohne sein Vorhaben zu beenden, rannte er mit einem "Wartet!", wieder zum Tor, um erneut zu klopfen.
Mari stampfte wieder und das Spiel begann von vorn. Wieder eilte er an Jarels Seite, grub in Decken und Mantelstoff nach dem Ritter... und wurde erneut vom Knarren des Tores aufgeschreckt. Diesmal war er schneller, sprang auf und eilte dem Mann entgegen.
"Herr... Wir sind von einer Endriage angegriffen worden. Er ist nicht schwer verletzt, aber ich glaube, er hat ihr Gift abbekommen. Er reagiert sehr stark auf Gifte.", beeilte er sich zusammenzufassen. Der junge Mann war sichtlich gebeutelt von der Sorge um seinen Mentor. "Er muss aus dem Regen.", unwichtig vielleicht, aber Jakob unterschied nicht mehr zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen.
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Arvijd Kostjunari
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Die wichtige Information war die Endriage. Eine Spinnen Abart, wenn auch eine gigantische Version, aber im großen und ganzen glich sich ihr Fressverhalten und damit auch das Gift. Zuerst sah er nicht einmal, um wen es sich handelte, er öffnete die Tür zur Gänze, das Mädchen wartete ebenso dahinter, schüchtern, den Blick gesenkt. Sie trug eine weite Robe, nur an der Taille gegürtet und eine Schultertuch mit Kapuze.
"Iola, bereite meinen Behandlungsraum vor." wies er sie an, ruhig aber bestimmt. Sie nickte nur und rannte los.
"Kommt rein, die Pferde müssen aber draußen bleiben." erklärte er. Vermutlich hatte er auch schon erlebt, dass jemand kurzerhand mit dem Pferd hereingekommen war.
Der Innenraum war hoch und weit, einzelne räume gingen von dem weiten Gang ab. Das war tatsächlich lange ein Tempel und seit einigen Jahren wurde es auch als Hospital genutzt. Am Ende des zentralen Ganges stand das Heiligtum der Melitele, drei Frauen mit geöffneten Handflächen, Rücken an Rücken. Eine sehr junge, eine von mittlerem Alter und eine Alte. Alle waren sie nackt und erstaunlich detailliert dargestellt und die Augen schienen dem Betrachter zu folgen.
Weitere Adeptinnen tauchten nun auf, boten an Jake die nassen Sachen abzunehmen.
"Ich bin übrigens Doktor Kostjunari." stellte er sich noch vor, gab ihm aber nicht die Hand. Er kniete neben dem Patienten und schob den Mantel beiseite, fühlte den Puls, die Temperatur und sah sich die Augen an - was sich bei dem schlechten Licht als schwierig erwies, vor allem bei so dunklen Augen.
"Das ist Ritter Jarel... ich kenne ihn." meinte er dann verwundert, dann musterte er Jakob.
"Ihr seid sein Knappe, richtig?" Helft mir, ihn in den Raum zu bringen." Er deutet in die Richtung, die die Iola verschwunden war.
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Jakob von Nagall
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Der Mann reagierte schnell und routiniert. So routiniert, dass er sogar mahnte, die Pferde müssten draußen bleiben. An die hatte Jakob schon nicht mehr gedacht, aber er würde sich später kümmern müssen, dass die Tiere ins Trockene kamen. Wenn Mari neben der Wunde noch eine Lungenentzündung bekam, kochte Jarel aus ihm eine Brühe für das Vieh... Aber erstmal der Ritter. Jakob packte mit an, um dem Arzt zu helfen, die improvisierte Trage ins Innere zu schaffen. Für den Ort und seine Erhabenheit hatte er dabei ersteinmal kein Auge.
Der Arzt stellte sich derweil vor, die helfenden Hände der Mädchen wehrte Jakob ab - er würde ohnehin noch einmal hinaus in den Regen müssen. Kostjunari. Kein Name, der in den hiesigen Landstrichen besonders geläufig klang. Aber er schien Jarel zu kennen und Jakob bejahte die Frage nach seiner Person. Also hatte Jarel von ihm erzählt?
Sein Blick fiel auf die bleichen, fast wächsernen Züge des Ritters, der für seine Verhältnisse fast schon klein in all den Decken und dem Mantelstoff wirkte. Jakob half dem Arzt wie befohlen, packte Jarel unter den Armen, den Kopf des großen Mannes an seinen Oberkörper gelehnt, während der Ältere die Beine nahm. Gemeinsam brachten sie den Ritter in das Behandlungszimmer.

Das Zimmer mutete merkwürdig modern an, wenn man kannte, was hiesige Heiler und sonstige Fleischer als "Behandlungszimmer" titulierten. Selbst das Refugium des Großspittlers in der Komturei war eher rustikal zu nennen. Es hieß zwar, dass die Zauberer weit fortschrittlicher unterwegs waren, wenn es um das Heilen ging, aber Jakob hatte bisher nur gute alte Hausmittel-Rührerei kennen gelernt.
So wie das hier stellte er sich die Universität vor.
Sie hievten Jarel auf einen Behandlungstisch und Jakobs Augen huschten nervös zwischen dem Arzt und dem wie tot daliegenden hin und her, während sich um seine Stiefel das Wasser sammelte.
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Arvijd Kostjunari
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Der Arzt hatte es eher allgemein verstanden, auch wenn er den Ritter kannte, sie hatten zuletzt lange bevor er Jakob gefunden hatte gesprochen. Aber er war durchaus vertraut mit dem Orden und den Gepflogenheiten des Ordens, und er wusste, dass jeder Ritter angehalten war seinen eigenen Nachfolger auszubilden und was hatte der Junge Mann an der Seite des Alten sonst zu bedeuten? Dass es eine ganze Reihe von Verfänglichkeiten gab, die diese Konstellation erklärten, daran dacht der Arzt nicht, er sah die Dinge so wie sie sein sollten.
Und so begann er halbwegs ungeniert den Ritter zu entkleiden, er musste wissen wo die Einstichstelle war und die nasse Kleidung war seiner Genesung ebenfalls abträglich. Allerdings fand er keinen Biss. Die Endriage musste das Gift in die zuvor geschlagene Wunde gespritzt haben... es noch aus dem Blutkreislauf auszusaugen wäre aber ohnehin bereits zu spät gewesen.
Es war Glück, dass man den Mann zu ihm gebracht hatte, aber vermutlich waren sie ohnehin auf dem Weg gewesen.
Das gute am Gift der Endriagen war, dass es das Opfer nur gelähmt war aber am Leben blieb, nur die Skelettmuskulatur war gelähmt sowohl das Herz als auch die Atmung funktionierte auch weiterhin, er würde als nicht sterben. Der Nachteil war, dass das Gift bereits mit der Vorverdauung des Körpers begann, damit die Spinnenartigen das Opfer am Ende nur noch aussaugen mussten.
Die Schwestern der Melitele verfügten über ein gigantische Menge an Wissen über die hiesige Flora und Fauna, vor allem ging es ihnen um den Einsatz zu Heilzwecken, dem Gift der gigantischen Spinnenverwandten sagte man auch Heilkräfte nach, und es war auch nicht ganz von der Hand zu weisen, aber so einfach war es bedauerlicherweise nicht, erst recht nicht im Falle des Ritters.
Arvijd nahm sich lange Zeit ihn gründlich zu untersuchen.
Iola hatte ihm geholfen und nun lag der Ritter bis auf die Hose entkleidet auf dem Tisch und Arvijd hörte mit einem Stethoskop das Herz ab. Es handelte sich um eine frühe Form davon, ein etwa eine Elle langes Hörrohr mit einem Trichter am Ende. Eine Idee seiner Zeit aber hier leicht zu verwirklichen, dennoch passte es nicht in das ausgehende 12te Jahrhundert, bis zu seiner Erfindungen wäre noch einige hundert Jahre ins Land gegangen. Das galt auch für manche seiner anderen Apparaturen wie zum Beispiel eine primitive Version eines Mikroskops, einen einfachen Beatmungsbeutel und einen Maske.
Und nicht zuletzt eine Schale mit Wasser und reinem Alkohol zur Desinfektion auch der Hände zwischen verschiedenen Behandlungsschritte. Und diese Schritte waren etwas dass dem Arzt in Fleisch und Blut übergegangen war.
Für die Schwestern der Melitele, die sich allesamt der Heilung verschrieben hatten waren es Wunder, aber keine machte sich große Gedanken darum, wie er auf die Ideen kam und Iola, die ihm die meiste Zeit assistierte hatte, wie auch ihre Vorgängerin mit dem gleichen Namen ein Schweigegelübde abgelegt - ob das die Inspiration war oder Iola nur ein Spitzname hatte er nicht erfahren - er hatte aber auch nie nachgefragt. Aber sie stellte allein deshalb keine Fragen. Umso mehr hatte er sich angewöhnt von Zeit zu Zeit einfach zu referieren.
Er prüfte auch die Haut, und ihre Beschaffenheit, und murmelte seine Erkenntnisse zur Austrocknung und nahm aus der Wunde eine Blutprobe und besah sie unter dem Mikroskop, auch das kommentierte er leise.
Irgendwann kam er zu seinem Schluss.
Er erklärte Iola kurz, was sie anrühren sollte und sie eilte davon.
"Er wird es überleben. Ich gebe ihm etwas um das Spinnengift zu neutralisieren, denn nichts anderes sind Endriagen, sie gehören zu Gattung der Spinnenartigen. Da Gift bewirkt eine Lähmung der Skelettmuskulatur und im weiteren Verlauf deren extraintestinale Vorverdauung. Er hat aber Glück gehabt, die Hämolyse hat noch nicht eingesetzt, er hat also noch Zeit. Ich gebe ihm etwas um das Gift zu spalten und unschädlich zu machen, und dann werde ich seine Wunde reinigen und nähen. Ab dann kann man nur abwarten, das Gift wird von selbst abgebaut und dann wird er nach und nach wieder in der Lage sein, sich zu bewegen. Ich denke in etwa 3 bis 4 Tage. Er ist auch jetzt bei Bewusstsein oder war es zumindest kurz. Der Schmerzschock hat ihn erneut ohnmächtig werden lassen... Wie schätzt ihr ihn ein? Wäre es ihm lieber für die Dauer der Behandlung narkotisiert... also betäubt zu werden oder will er lieber bei Bewusstsein bleiben?"
Auch Arvijd kannte den Ritter zwar, aber es war so eine Eigenart des Arztes, dass es ihm etwas schwerfiel, solche persönliche Details zu behalten.
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Jakob von Nagall
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Arzt und Schwester – in Jakobs Kopf bekam die Melitele-Priesterin gleich eine passende Position – machten sich über den Verwundeten her und der Knappe fühlte sich auf den Platz eines Statisten und Zuschauers versetzt. Nutzlos, weil hilflos, versuchte er einfach nicht im Weg zu stehen, während die beiden Menschen Jarel routiniert aus seinen Reisekleidern schälten, wobei sie wenig zimperlich waren. Doch es war unumgänglich die nassen Sachen schnell von Jarel zu entfernen – selbst Jakob spürte, wie die Nässe seinen Körper auszukühlen versuchte. Eben noch erhitzt von dem eiligen Ritt hierher war ihm nicht aufgefallen, dass im Heiligtum eine Kühle herrschte, wie sie Gotteshäusern mit ihren dicken Mauern oft anhaftete.
Aber er wagte nicht, von Jarels Seite zu weichen oder auch der des Arztes – vielleicht musste er ja noch etwas wissen. Die Pferde konnten warten und er ebenso. Da er also nicht helfen konnte, beobachtete er. Die Werkzeuge und Methoden dieses Doktor Kostjunari wirkten wie aus der Welt gefallen, je länger der junge Mann zusah. All die Dinge waren ihm vertraut – antiquarisch auf einer Seite, aber vertraut – und doch hatte er solcherlei Instrumente auf dem Kontinent noch nie gesehen. Gut, er war auch noch nicht wirklich weit aus Nowigrad raus gekommen, kannte nur das kleine Hospital am Tempel und die fahrenden Bader, bei denen man schon beim Blick in den Wagen schlagartig wieder gesund wurde.
Und der hier desinfizierte sich sogar die Hände. Immer wieder. Jakob sah fast schon fasziniert zu, denn die wenigsten Menschen in dieser Welt begriffen den Zusammenhang von unsauberen Fingern und Infektionen, so schien es ihm oft. Die Zauberer vielleicht, aber er hatte nie einen gesehen.
Die stille Priesterin eilte davon und der Medicus begann zu sprechen. Jakob hatte die Gemeinsprache im Tempel des Ewigen Feuers gelernt und glaubte eigentlich inzwischen über ein recht umfangreiches Vokabular zu verfügen, aber wenn man sich nur unter Schwertkämpfern und Klerikern aufhielt, lernte man eben auch nur deren Begrifflichkeiten. Entsprechend fiel es ihm schwer, komplett zu folgen, als Kostjunari von einem Fachwort zum nächsten sprang. Doch es wurde schnell wieder geläufiger, als er von reinigen und nähen und drei bis vier Tagen Ruhe sprach. Und das Jarel bei Bewusstsein war oder es bisher gewesen war, bevor er dieses vom Schmerz verloren hatte.
Die Vorstellung behagte ihm nicht. Gefangen in sich selbst, gelähmt von einem Gift, aber trotzdem bei Verstand. Wie schrecklich dieses zur Reglosigkeit-verdammt-Sein war, wusste der Knappe, den sein eigener Leidensweg lange genug mit Verbänden und Seilen an ein Bett gefesselt hatte. Langsam kam er wieder näher an den Behandlungstisch, betrachtete das stille Gesicht.
Bis der Arzt eine Frage an ihn richtete, die ihn wie angestochen aufblicken ließ. „Nein.“, kam es wie aus der Pistole geschossen, „Keine Drogen.“ Er wollte eigentlich so etwas klug klingendes wie ‚Narkotika‘ sagen oder ‚Betäubungsmittel‘, aber beide Wörter waren ihm entweder entfallen oder nie da gewesen. War dann jetzt auch egal, wie das klingen oder aussehen mochte. Er presste die Lippen aufeinander, weil es ihm im gleichen Moment um Jarels Willen Leid tat, aber er hatte damals nicht gefragt, weil er es nicht hatte wissen wollen – das was und wieviel. Wie sollte er nun einschätzen, wo die Grenze war? Bei welchen Rauschmitteln oder Narkotika. Paradoxerweise wusste er das bei Slava, den er seit Monaten nicht gesehen hatte und nie leiden konnte besser, als bei seinem eigenen Mentor.
Ein leichtes Kopfschütteln. „Es muss so gehen.“, schien er sich selbst Bestätigung geben zu müssen.
Jakobs Blick fiel wieder auf Jarel, huschte über die frische Wunde und die vielen alten Narben, blieben an einer hängen. Musste der Arzt das wissen? Leicht krauste er die Stirn, suchte wieder nach den richtigen Vokabeln, wies dann auf die Narbe. „Er hat hier… etwas Fremdes… also. Er nimmt ein Medikament, damit das Immunsystem es nicht angreift.“ Beim Licht, er kam sich wieder vor wie am ersten Tag seiner Ankunft hier.
Seine Augen kehrten endlich zu Doktor Kostjunari zurück – während der ganzen Zeit schien er nicht einmal geblinzelt zu haben.
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Arvijd Kostjunari
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Auf die Blicke des Knappen und wie er die Ausrüstung taxierte achtete der Arzt nicht. Solche Details entgingen ihm in der Regel.
Die Vehemenz allerdings, mit der der junge Mann verneinte fiel ihm doch auf. Richtig, er erinnerte sich, der Mann war ein trockener Alkoholiker.
"Ach richtig. Ich weiß schon... er hatte es erzählt.." erwiderte er noch, etwas gedankenverloren, denn die nächsten Erklärungsversuche des Knappen ließen den Arzt aufmerken. Etwas fremdes... Eine umständliche Erklärung für etwas in dieser Welt unerklärliches.
Der Junge schon nicht der allerklügste zu sein, nahm man seine Wortwahl als Maßstab.
Er hatte wohl Mühe, seinen Erklärungen zu folgen und noch mehr zu erklären, was der Mann im Leib trug.
Er selbst hätte nur zu gerne versucht, Augen zu transplangieren, am Menschen, aber dazu war es nicht mehr gekommen. Ivan Faslan, Emyjas Vater. Hätte er ihm erlaubte, diese operation durchzuführen, er wäre wohl nciht in den Flammen seines eigenen Hauses umgekommen.
Aber ein Organtransplantat? In diesem Fall also eine Leber... das war selbst für sein dafürhalten unglaublich. Die vielen Blutgefäße, so ein stark durchblutetes Organ starb innerhalb kürzester Zeit ab.
"Unglaublich... Ein Transplantat?" entfuhr es ihm, er dachte längst nicht mehr darüber nach, dass ein Mensch dieser Zeit die recht holperige Erklärung wohl kaum richtig interpretieren konnte. Vermutlich hätte ein Arzt dieser Welt eher an einen Parasiten gedacht und bisher waren auch seine fortschrittlichen Ideen und Apparate nie hinterfragt worden, nie war jemand misstrauisch geworden. War man nicht schon aus anderen Gründen damit konfrontiert gewesen, weshalb sollte man sonst auf die Idee kommen, ausgerechnet einen Fremden von einer anderen Welt vor sich zu haben? Deshalb verschwendete er kaum einen Gedanken an Geheimhaltung.
Und er nahm Immunsuppressiva...
Eine Weile musterte der ältere Arzt den jungen Mann über eine imaginäre Brille hinweg.
"Dir ist klar, was du mir da sagst, oder?"
Seine Worte klangen wohl scharfsinniger als beabsichtigt. Er ahnte derzeit nicht, dass er einen Reisenden vor sich hatte, viel mehr vermutetete er einfach eine medizinische Sensation, die ihn faszinierte. Wer konnte schon wissen was diese Hinterwäldler dieser Welt so vollbrachten.
An mancher Stelle waren sie heillos rückständig, gruben Brunnen neben Latrinen und schrieben Infektionen bestenfalls Miasmen zu, an anderer Stelle verspleißten sie Gene verschiedenartiger Wesen mit denen eines Menschen. Ja, auch davon hatte er schon gehört.
Aber das war vermutlich die Kluft die zwischen dem Wirken der Magier herrschte und der Unterschicht.
Und den hier hatte er bislang nur schwer einordnen können. Er wirkte und benahm sich oft eher wie einer der letzteren, dennoch. Ein trockener Alkoholiker, das war hier die Ausnahme, hier sah man eine Sucht in der Regel nicht als Krankheit. Man soff sich zu Tode oder bis etwas anderes einen am trinken hinderte.
Er aber war trocken geworden. Und er spielte Flöte, und damit meinte er nicht, dass er dem eigenen Geschlecht zugeneigt war, sondern tatsächlich das Instrument. Dass auch das andere zutraf, darauf wäre der Arzt im Leben nie gekommen.
Sie hatten auch schon zusammen musiziert. Er selbst hatte seit seiner Ankunft begonnen Laute zu spielen. Mehr schlecht als recht seiner Ansicht nach, aber immerhin, ein wenig Zeitvertreib und Entspannung wenn sich düstere Gedanken einstellen wollten.
Und was an dem Patienten ebenfalls interessant war, obwohl er dem Orden angehörte verehrte privat wohl viel mehr die Melitele, die Muttergöttin und Göttin der Heiler. Sie hatten während seiner vierteljährlichen Besuche immer viel gesprochen und philosophiert. Er hatte vom Krieg erzählt und dass er seine Familie zurückgelassen hatte. Schicksale wie viele andere in dieser Welt. Hatte er den Krieg ja selbst gesehen, den Überfall der Nilfgarder.
Aber der Ritter konnte lesen und schrieben, wirkte durchaus gebildet. Wo also hatte er einmal hingehört?
Er hatte gemutmaßt, dass der Mann der Oberschicht angehört hatte und dass ein schweres Schicksal ihn zum Trinker hatte werden lassen, aber seine Erziehung hatte ihm einen Weg hinaus gezeigt.
Die Lebertransplantation passt jedoch nicht ins Bild, das galt auch in seiner Welt als unmöglich, ein derart stark durchblutetes Organ konnte nciht verpflanzt werden, unmöglich, und doch erzählte der Junge genau das.
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Jakob von Nagall
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Jakob hatte das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben. Einen unverzeihlichen. Innerlich wie äußerlich zog er sich daher schnell auf das Terrain zurück, was ihm seit jeher am vertrautesten war: abweisende Gleichgültigkeit. Er redete sich zu, er habe genug gesagt und zuckte daher auf die Frage nur mit den Schultern, merkte sich aber für alle Fälle die Vokabel, die wohl 'Transplantat' bedeutete. Jetzt wo der Arzt sie verwendete, erinnerte er sich, dass auch Jarel dieses Wort schon verwendet hatte. Aber sie redeten einfach meistens über andere Dinge, was andere Worte brauchte, die ihm daher geläufiger waren.
Jakob erwiderte den Blick des Arztes und zuckte wieder mit den Schultern. "Das, worüber ich denke, das Ihr es wissen müsst. Um ihn zu behandeln.", hielt er sich auf sicherem Terrain. Es war lange her, dass er einem anderen Reisenden begegnet war und daher kam er zunächst nicht auf die Idee, die klugen kleinen Helfer des Arztes und dessen fortschrittlich erscheinendes Verhalten könnten aus einer anderen Zeit stammen. Erst langsam sickerte diese Möglichkeit zu ihm durch und er sah sich noch einmal genauer um. Stand da ein Mikroskop?! Ja... der Arzt hatte vorhin die Blutprobe darunter angesehen und dann von Hämo... irgendwas geredet. Mit Hämo- ging in der Älteren Rede das meiste los, was mit Blut zu tun hatte. Allmählich wurde Jakob ruhiger und entsprechend nahm auch sein Kopf die Arbeit wieder auf. Wenn dieser Arzt die Ältere Rede benutzte, dann hatte er vielleicht wirklich einfach nur an der Universität studiert und von dort all die Gerätschaften mitgebracht.
Trotzdem. Ein fader Beigeschmack blieb bei dieser Erklärung.
Die Schwester kehrte mit den bestellten Salben und Pasten zurück, sodass die Unterhaltung vorerst beendet schien, denn es würde weiter gehen. Jakob stand noch einen Moment unschlüssig am Kopfende des Tischs, wirkend, als würde er dem älteren Mann jeden Moment sanft die Hand auf den Kopf legen. Doch er rührte sich nicht. Er fühlte sich schuldig, weil der Endriage nicht mehr entgegen gesetzt hatte. Und das nur, weil er mit Sauerbraten nicht vernünftig umgehen konnte. Der Gedanke brachte ihn zu zwei Dingen: 1. sein Ehrgeiz meldete sich und 2. die Pferde standen noch immer im Regen.
"Braucht Ihr meine Hilfe noch? Die Pferde müssen versorgt werden und das Gepäck...", wandte er sich an den Arzt. Dieser wirkte, als sei er schon wieder ganz versunken in seine Arbeit und entließ ihn knapp.

Draußen waren die Sturzbachartigen Regenfälle in einen Dauerniesel über gegangen, den Mariposa und Sauerbraten mit hängenden Ohren ebenso über sich ergehen ließen. Jakob brachte sie in einen Mietstall, in dem die Pilger, die zum großen Tempel des Ewigen Feuers und zum Tempel der Melitele kamen, ihre Tiere unterbringen konnten. Irgendwie wollte er nicht zum Ordenshaus - dafür wäre auch später noch Zeit. Er nahm beiden Tieren Sattel und Zaumzeug ab, rieb sie trocken und ließ sich vom Wirt Pechsalbe geben, um Maris Bein zu verarzten. Er wies den Mann außerdem an, einen Sattler zu beauftragen, um die Schäden an Mariposas Sattel zu beheben. Das Wappen der Flammenrose, welches allgegenwärtig auf seinem Gambeson und den Lederarbeiten war, verbarg Jakob so gut es ging, damit der Mann nicht misstrauisch wurde und am Ende fragte, weshalb er nicht in die Komturei ging. Doch der freute sich über das Geschäft und zog seiner Wege, nachdem er beiden Pferden noch einen Futtersack umgeschnallt hatte.
Jakob prüfte noch einmal, dass auch frisches Wasser da war, dann tätschelte er Sauerbraten, kraulte Maris Stirn und eilte beladen mit ihrem Gepäck wieder zurück in den Tempel. Dort wies ihm eine der Schwestern ein kleines Gästezimmer.
Ein Zimmer. Für ihn allein.
Dabei war es ganz egal, dass der Raum die Größe eines Kleiderschranks hatte und zusammen mit Bett, Waschtisch und dem Gepäck gepresst voll war. Es waren vier Wände und nur er. Nicht dreißig andere Knappen, die des nächtens - und auch bei Tag - alle möglichen Geräusche und Gerüche produzierten. Es gab sogar ein winziges Fenster, dessen Laden allerdings gegen den Regen geschlossen war. Erhellt wurde das kleine Refugium von einem Talglicht.
Lange blieb Jakob allerdings nicht, um die neu gewonnene Privatssphäre zu feiern. Er zog sich trockene Kleider an und eilte wieder in den Tempel hinaus, um nach Doktor Kostjunari und Jarel zu suchen.
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Jarel Moore
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Er fand den Arzt über Jarel gebeugt. Mit halb geöffneten Augen murmelte der Ritter unverständliches, rollte mit den Augen und warf den Kopf hin und her.
Immerhin. Den konnte er schon wieder bewegen. Kostjunari hatte ihm versichert er überlebt.
Das es einfach werden würde, davon war nicht die Rede gewesen.
Noch ehe Jakob es zum Bett geschafft hatte, fielen dem Verletzen die Augen schon wieder zu.
Viel ruhiger wurde er jedoch nicht. Unter den von Schweiß glänzenden Liedern rollten die Augen wild, er murmelte, stöhnte und ächzte weiter.
Offensichtlich ein wirklich, wirklich böser Traum…
***
Jemand schüttelte ihn an den Schultern, weckte ihn energisch.
„Mein Augenstern, wach auf!“
Er blinzelte und sah in die graugrünen Augen über sich. Die Augen seiner Mutter, deren wunderhübsches, von wilden goldenen Locken umkränztes Gesicht immer aussah, als würde es wie unter einem Heiligenschein leuchten.
„Steh auf. Die Stadt wird angegriffen. Wir müssen fliehen!“
Wiederwillig schob er die Beine vom Bettrand und lies sie in der Luft baumeln, war noch immer weder ganz wach, noch in der Lage zu erfassen, was um ihn geschah. Er gähnte und rieb sich die Augen mit den Fäusten.
Blinzelnd sah er sich in seinem Zimmer um.
Seine Mutter war zu seinem Kleiderschrank gehetzt und suchte hektisch etwas.
Es war Nacht. Trotzdem drang durch die beiden hohen Bundglasfenster flackerndes Licht.
Das war nicht die einzige Beleuchtung. Ein Lüster, in deren geschmiedeten Fassungen mehrere magische Kristalle befestigt waren tauchte **sein** Zimmer in bläuliches Licht.
**Sein** Zimmer mit all **seinen** Sachen.
Die Wände waren teils bunt bemalt, teils mit blauem Stoff bespannt. Dem Bett gegenüber eine eigene Feuerstelle, die Glut darin verloschen.
Der Raum war regelrecht vollgestopft mit Schätzen und Habseligkeiten, bei denen so manches Kind gedacht hätte, genau so müsse der Himmel aussehen.
Bögen in unterschiedlichen Ausführungen, alle auf seine Größe angepasst und jeweils einem passenden Köcher mit dutzenden bunt befiederten Pfeilen. Sogar eine Armbrust prangte an der mit farbigen Tuch bespannten Wand. Schwerter in Kindergröße, zwei passende Schilde mit einem goldenen Löwenkopf auf silbernem, poliertem Metall, unzählige Bücher, ein Schaukelpferd, eine geschnitzte Miniaturburg mit passenden Figuren und Pferden. An der Wand ein gemaltes Portrait von ihm auf einem Pony. Seinem Pony.
Langsam sickerten auch die Geräusche in sein Bewusstsein. Schreie, Lärm, Knistern und Knacken.
„Mutter?“, fragte er unsicher mit einer Stimme, die nur noch einige Jahre vom Stimmbruch entfernt war.
Sie kam zurück zu ihm, seine Halbstiefel in den Händen, den Winterumhang über dem Arm.
„Es ist die Geißel Schatz. Papa wartet unten, wir müssen weg.“
Eine Detonation erschütterte das Gebäude, rüttelte an den Mauern, beförderte Staub aus den Ritzen, der herunter rieselte wie feiner Schnee. Er liebte Schnee.
Und endlich war er richtig wach. Kaum fähig zu sprechen und nicht in der Lage sich zu rühren sah er zu, wie seine Mutter ihm die Stiefel anzog und spürte, wie sie ihm den Umhang umlegte und die Fibel vor seinem Hals schoss.
Ihre Finger zitterten so sehr, dass sie sich dabei in den Finger stach.
„Ich will nicht gehen…“, maulte er nun doch mit heller Stimme, die noch einiges vom Stimmbruch entfernt war.
„Wir müssen.“
Sie griff seine Hand und zerrte ihn vom Bett. Er stolperte hinter ihm her, durch den Flur. Hier waren der Lärm und die Schreie noch besser zu hören. Grässliche Schreie. So etwas hatte er noch nie gehört.
Sie zerrte ihn weiter, die Treppe hinunter, durch die Küche der Taverne zur Hintertür. Dort wartete sein Vater. Er trug einen Teil seiner uralten Rüstung und sein Schwert. Er war so stark! Er würde sie Beschützen!
„Wir könne los, Frederic.“ Der Mann kniete sich vor ihm, legte ihm zwei handschuhbewehrte Hände auf die Schultern. Er war breitschultrig und hatte ein gutmütiges Gesicht mit warmen, immer lächelnden braunen Augen, die von bernsteinfarbenen Sprenkeln durchzogen waren. Das schwarze Haar trug er zum Pferdeschwanz.
Doch jetzt lächelten die Augen nicht. Jetzt lag Furcht darin. „Du bleibst immer bei deiner Mutter und mir, hörst du Junge?“, sagte er scharf und äußerst eindringlich. Er war schon immer der strengere gewesen. Oft hatten seine Eltern sich darüber gestritten, dass Mutter ihn zu sehr verhätschelte.
Dieses Mal wiedersprach seine Mutter nicht, als er noch einmal schneidend scharf die Stimme erhob.
„Du bleibst **um jeden Preis** bei uns!“
Er nickte nun. Sein Vater zog blank, nahm seine rechte Hand und seine Mutter seine linke.
Sie traten durch den Hintereingang in den Innenhof. Hier war es noch ruhig, aber das Gebäude gegenüber stand in hellen Flammen. Oder besser, die Reste des Gebäudes. Etwas hatte es getroffen und zur Hälfte einstürzen lassen.
Er gab einen erschrockenen Laut von sich. Dort wohnte sein bester Freund. Wo war er? Wo war Thomeas?
Er wollte seine Eltern danach fragen, doch da erschütterte die nächste Detonation den Boden. Seine Ohren klingelten. Vor Angst handlungsunfähig ließ er sich weiter zerren, auf die Hauptstraße.
Noch gestern war dies eine der schönsten Straßen der Stadt gewesen. Mehrstöckige Gebäude mit schmucken Fassaden, großen Fenstern hinter Bögen aus Sandstein und Auslagen feinster Waren, geschmückten Türen und bunten Fenstern in den Obergeschossen.
Jetzt brannte alles. Menschen flohen, einige versuchten ihr Hab und gut zu retten. Vergeblich.
Er sah einen Reiter auf einem riesigen Worg nahen. Kein Mensch. Ein Orc. Ein massiges, grundhässliches, muskelstrotzendes, grünhäutiges Wesen, eine riesiges Schwert schwingend, an dessen Spitze sich ein ausladender, von roter Flüssigkeit tropfender Haken befand.
Mehr sah er nicht. Seine Mutter drückte ihn in eine Nische und sein Vater stellte sich vor sie.
Aber er hörte es. Das Kreischen, das Schreien, das grässliche Geräusch, wenn die Klinge traf und Körper zerriss. Er hörte das Ersterben der Schreie und das Aufschlagen der toten Körper. Dann war der Orc fort.
Seine Vater trat zurück auf die Straße, seine Mutter zerrte ihn mit.
Überall Tod, die Luft stank nach Blut und Schwefel. Und nach noch etwas. Nach Verwesung.
Die Familie floh. Nicht in Richtung Haupttor. Soviel begriff er. Und er ahnte auch, wohin es gehen würde. Oft hatte er sich mit Thomaes dort aus der Stadt geschlichen.
Seine Eltern zerrten ihn auf die andere Straßenseite, durch die Scharen von Fliehenden und Verletzen um etwas auszuweichen, das hier nicht hingehörte. Einen großen, eisernen Kessel aus dem giftig grünlich leuchtender Nebel schwappte.
„Komm dem niemals zu nahe Junge!“, schrie ihm sein Vater warnend entgegen, den Kampfeslärm und die Kakophonie des Grauen übertönend, die sie umgab.
Er stolperte über abgerissenen Körperteile, umrundete Leichen.
Das war das furchtbarste, was er in seinem behüteten Leben gesehen hatte. Und doch würden diese Bilder bald um ein hundertfaches von schlimmeren Grauen überdeckt werden.
Eine weitere Detonation trieb sie voran, doch sie kamen nur mühsam weiter. Kaum einen Straßenzug weiter drängte seine Mutter ihn wieder an eine Wand. Dieses Mal war es kein Orc, der ihr Angst machte.
Es war ein Mensch mit einer bizarren Keule in der Hand, der ihnen gurgelnd und grunzend entgegenkam. Den Blick dieses Menschen würde der Junge niemals vergessen. Dachte er zumindest in diesem Augenblick.
Es war ein erwachsener Mann, wohl einmal muskulös und kräftig. Schwankend kam er auf sie zu, den Mund halb offenstehend, der Unterkiefer seitlich verschoben. Sein Schritt war schwerfällig und schlurfend, was seinem Vater genug Zeit gab sich bereit zu machen.
Dass, was er in der rechten Hand wie eine Keule schwang war sein eigener linker Arm, abgerissen an der Schulter, aus der noch gesplitterte Knochen ragten.
Das schlimmste jedoch war der Blick, den der Junge erhaschen konnte. Leere. Seelenlosigkeit, verlassen von allem was gut und heilig war. Der Tot höchst selbst sah ihn an. Nein, durch ihn hindurch.
Sein Vater erledigte das Monstrum mit einem einzigen gezielten Schwertstreich.
Ohne Arm hatte es überlebt. Ohne Kopf fiel es zusammen wie eine Marionette, deren Fäden durchtrennt worden waren.
Wieder ging es weiter, abermals die Straßenseite wechselnd um einem weiteren der Kessel ausweichend, als hinter ihnen die Schreie wieder lauter wurden.
Ein weiterer Orc – vielleicht auch derselbe – durchpflügte die Menschen wie ein Schar den Acker.
Und dann…
…hielt niemand mehr seine linke Hand. „Mutter!“, kreischte der Junge in höchster Panik und erweckte die Aufmerksamkeit seines Vaters damit.
Seine Frau war nicht zu sehen. Sofort wand der Mann sich vollständig um. „Mirina!“, brüllte er und schob ihn zurück bis zu einem im Rauch der Feuerschwaden halb verborgenen Hauseinganges.
„Du bleibst hier.“, erklärte ihm sein Vater und zog ihm die Kapuze über. „Rühr dich nicht vom Fleck, verstanden?“ Er nickte. Und sein Vater war fort.
Auf der Straße fielen die Leute wie Fliegen. Und standen wieder auf, um sich die Überlebenden vorzunehmen. Sein Verstand hakte zum größten Teil aus. Wie gerne wäre er jetzt einer von den Männern gewesen, die im Schatten verschwanden und in ihm wandeln konnten. Ein Schattenläufer! Das wollte er jetzt sein. In der Lage einfach an all dem vorbeizugehen und es hinter sich zu lassen.
Wie durch fremde Augen betrachtete er unter der schützenden Kapuze hinweg das Grauen auf der Straße. Tod, Fallen, Auferstehen, Tod.
Und plötzlich abermals eine Hand. Sein Vater! Und er hatte seine Mutter gerettet!
Jetzt würde alles gut werden. Alles würde gut werden!
Sie flohen weiter. Sein Vater tötete Wiedergänger, zerrte sie voran. Seine Mutter blieb bleich und still hinter ihm.
Eine gefühlte Ewigkeit später erreichten sie den Ort von dem er nicht gewusst hatte, dass auch sein Vater ich kannte. Ein überwuchertes Stück der Außenmauer, ein verrostetes, vergessenes Gitter, unter dem einmal ein längst ausgetrockneter Bach durchgeflossen war.
Dann waren sie draußen. Sie liefen über eines der angrenzende Felder in Richtung der Berge. Sie hatten es geschafft! Sie lebten! Sie waren gerettet!

Wie sehr er sich da irrte.
Sie rannten und rannten, doch seine Mutter blieb immer wieder zurück.
„Frederic…ich kann nicht mehr. Lauft ohne mich…“
Sein Vater schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. Natürlich nicht! Sie würden Mutter niemals zurücklassen!
Er blickte zurück. Die Stadt brannte. Über die Stadtmauern sah er eine Glocke aus Rauch, Feuerschein und grünlichen Leuchten. Lordaeron war gefallen.
Unweit von ihnen tauchten im Licht der Sterne einige Gebäude auf. Eine Windmühle, Ein Haus, eine Scheune. Ihr Vater zerrte sie in die Scheune, verriegelte die klapprige Tür hinter innen.
Neben der Tür steckte eine Fackel in einer Halterung, die sein Vater umständlich entzündete.
Zeit durchzuatmen. Zeit auszuruhen. Im vorderen Bereich der Scheune standen Säcke mit Getreide, anderen mit Mehl. Und weiter hinten lag ein einladender Haufen Stroh, zu dem sein Vater seine Mutter führte. „Ruh dich aus, Mirina. Wir passen an der Tür auf. Im Morgengrauen werden wir in die Berge fliehen.“
Er war auch müde. Er wollte auch schlafen und sich neben seiner Mutter ausstrecken!
Doch sein Vater zog ihn wieder nach vorne, zur Tür.
Schwer amtend kniete er sich neben vor ihn und sah ihn ernst an. „Du hast die gesehen, die Tod waren und wieder aufgestanden sind.“
Er nickte. Wie hätte er das übersehen sollen?
„Das sind Verlassene. Man kann sie nur töten, wenn man sie verbrennt oder ihnen den Kopf abschlägt.“
Sein Vater presste beim Anblick des verstörten Gesichtes vor ihm die Zähne zusammen.
„Wiederhole das!“
„Kopf abschlagen und Feuer.“, hörte er sich selber sagen.
Sein Vater nahm die Fackel aus der Halterung und drückte ihm sie in die Hand.
„Ich gehe draußen nachsehen. Sollte irgendetwas hereinkommen, das nicht ich ist, verbrenne es.“
Er nickte mechanisch, nicht begreifend, was sein Vater da verlangte.
Er ging. Er ließ sie alleine.
Zitternd stand er an der Tür und hielt die Fackel so verkrampft in den Händen das es schmerzte.
Das Zeitgefühl war ihm längst abhandengekommen.
Eine Ewigkeit später öffnete sich die Tür wieder. Er hob die Fackel und machte sich bereit.
„Ich bins.“, erklärte sein Vater und trat ein. Hinter den beiden regte sich etwas.
Mutter war wieder aufgestanden. „Miri. Gut. Bist du kräftig genug wieder…“
Weiter kam er nicht, denn seine Mutter trat in den Schein der Fackel.
Leere, seelenlose Augen, schleppender Gang hob sie die Hände, ging auf seinen Vater zu. Dieser hauchte nur „…nein…“ und erstarrte voller Grauen. Er zog nicht das Schwert, lief nicht fort.
Das Gesicht im hilflosen Grauen erstarrt ließ er zu, dass die Liebe seines Lebens und Mutter seines Sohnes ihre Hände um seinen Hals legte und in Zeitlupe zudrückte. Erst da erwachte der Mann zum Leben und versuchte in Panik die Hände um seinen Hals zu lösen. „Mi….grk…“
Das Schwert zu ziehen kam nicht in Frage. Niemals würde er…
Langsam ging er in die Knie und ohne den Hauch eines Gefühls in den Augen sah der Wiedergänger ihm dabei zu.
Und keine drei Schritt weiter stand er, die Fackel in der Hand.
Etwas zerbrach in ihm, starb lautlos, machte Platz für etwas anderes. Als würde er neben sich stehen sah er sich selbst hinter seine Mutter treten. Ausfallschritt. Stoß.
Er rammte die Fackel der Frau die ihn geboren hatte von hinten in den Rücken. Die die Klauen um die Kehle seines Vaters öffnete und sich ihm zuwandte. Er schritt zitternd zurück.
Erst dann registrierte die Untote das sie brannte und versuchte mit irrsinnigen Drehungen und linkischen Bewegungen die Flammen zu löschen, geriet ins Stroh.
Die Flammen fanden schnell Nahrung und nur Sekunden später war die Fackel nicht mehr das einzige, was den Raum erhellte.
Wie ferngesteuert ging er zu seinem Vater und zerrte ihn auf die Beine, zog ihn nach draußen.
Als er die Tür des Schuppens von draußen verriegelt zerfiel seine Kindheit zu Asche, gemeinsam mit seiner Unschuld.

***
Jarel war nur mit Mühe in der Lage, seine Augen zu öffnen. Er erkannte die Gesichter über sich nicht, noch immer irrte sein Blick unstet umher.
Was vom Traum blieb war das tiefe Gefühl erdrückend schwerer Schuld und das Gefühl, verlassen worden zu sein.
Nicht ganz hier, nicht ganz dort wechselte das Bild des Traumes, wie es nur in der Welt des Unterbewussten logisch war.
Zwei Männer, ein Fenster, der Schein einer Kerze, Nähe, Sehnsucht, Geborgenheit.
Und während er endlich hinab glitt in einen schwarzen, traumlosen Schlaf murmelte der Ritter etwas, kaum mehr als ein Hauch, wild zusammengewürfelt aus Sprachen, die für die Anwesenden zum Teil unverständlich waren. „Geh nicht, nîn Faron. Bleib bei mir Slava... “ Der Rest des Satzes war zu unverständlich um noch etwas heraushören zu können.
Und endlich lag er still. Und schlief, während sein Atem sich beruhigte und der Schweiß langsam auf seinem Gesicht trocknete.
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