Privatwohnung | Ferneck - das kleine Haus der Heilerin - neben dem der Alchemistin

Lange Zeit war Nowigrad kein Teil von Redanien, lange Zeit konnte die größte (mit ca. 30.000 Einwohnern) und zweifelsohne auch die reichste Stadt den Status einer freien Handelsstadt halten. Nach den letzten Kriegen aber ist sie mehr oder weniger zur inoffiziellen zur Hauptstadt der freien Nordländer, vor allem Redaniens geworden seit Dijkstra als Regent zusammen mit dem Handelsrat von hier aus die Fäden zieht.
Als Heimat des Kults des Ewigen Feuers hat in der Stadt allerdings auch das Wort des Hierarchen Gewicht.
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Sarray Cestay
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Die Bemerkung, Lysira schulde ihr etwas, verwirrte Sarray.
Die Bruxa war also eine Reisende. Eine Gestrandete. Davon gab es erstaunlich viele. Zumindest hier in Nowigrad. Vielleicht gab es hier irgendwo ein Nest. Oder eine Art Magnet für solche Wesen.
Wie auch immer. Sarray bemühte sich zu folgen.
Lysira sprach von Wahnsinn, Macht und Folter, von Flucht, von Verlust und Opfern. Und auch wenn die Bruxa es nicht aussprach…von Liebe. Selbstzerstörerischer, blinder Liebe.
Sie konnte also Lieben. Auf eine Art, auf der der Wert des eigenen Lebens nichts galt.
Sarray atmete durch, seufzte. Die Zwergin langte über den Tisch, legte ihre Hand auf die ihres Gegenübers und streichelte den Handrücken der Bruxa sanft mit dem Daumen.
Der Bruxa war so viel zugestoßen. Schreckliches. Verheerendes. Kein Wunder dass sie Angst hatte sich zu binden.
„Konntest du sie bestatten?“, war die einzige Frage, die noch offen war.
Zumindest die einzige, die sie zu fragen wagte.
Lysira
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Erst die Berührung Sarrays holte Lysira zurück in die Gegenwart. Sie schaute auf, noch immer lag in ihren Augen ein feuchter Glanz und darin lag unvorstellbarer Schmerz, doch zeigte sich keine Träne.
Sie konnte jetzt nicht antworten. Aus ihrem Inneren starrten die leeren Augenhöhlen ihre Schwester sie an. Jene Person, für die sie ganzes Leben lang mehr empfunden hatte, als es ihre Verwandtschaft gerechtfertigt hätte. Ein Geheimnis, von dem Orianna nie erfahren hatte.
Die Bruxa nickte nur. Ja, sie hatte sie selbst zu Grabe getragen und am liebsten hätte sie sich dazugelegt. Aber weder der Ungesehene noch Rhaena hatten ihr diesen Wunsch erfüllt.
Was war nun anders? Den Unterschied hatte Thalna gemacht, der Lysira ihr Leben verdankte. Und auch wenn es ihr eigentlich lieber gewesen wäre, hätte die Succubus sie einfach in Frieden sterben lassen, so schuldete sie ihr nun doch ihr Leben und deshalb musste sie darauf aufpassen. Wieder dachte Lysira daran, wie schön es doch wäre, Freundschaften erhalten zu können.
Sie spülte ihren Schmerz mit diesem bitteren Gebräu herunter und fing sich wieder. Eigenartiges Zeug. Es machte sie irgendwie nervös und hibbelig. Und noch rastloser. Ihre Pupillen vergrößerten sich ein wenig. Sie fragte sich, ob es eine so gute Idee gewesen war, das zu trinken, aber zumindest half genau dieser Gedanke ihr, aus der emotionalen Abwärtsspirale herauszukommen.
„Aber wo wir gerade dabei sind - was ist dir widerfahren?“, fragte Lysira ganz unverblümt.
„Im Fieber warst du zwischendurch fort, woanders… es hörte sich so an, als sei es keine besonders glückliche Erinnerung gewesen. Und du hattest mir im Eisvogel erzählt, dass du einst die Magie beherrscht hast aber dass deine Fähigkeiten verloren gegangen sind. Was hat zu diesem Verlust geführt?“
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Sarray Cestay
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Die Kiefermuskulatur der Zwergin verhärtete sich einen Moment, bevor sie wieder in ihre Kaffeetasse starrte.
Es dauerte eine kleine Weile, aber dann antwortete sie leise.
Mein Bruder Saryn und ich waren die jüngsten von 9 Geschwistern. Eigentlich war Saryn der jüngste. Ich bin vier Minuten älter als er. Unsere Mutter starb bei der Geburt.“
Sie hob den Blick und auch die Hände zu einer beschwichtigenden Geste.
Kein Grund für Mitleid. Man vermisst nichts, was man nicht kennt.
Wir waren Frühchen, daher wohl etwas zarter geraten als unsere Geschwister.“

Das ihre Mutter eine Affäre mit einem anderen Anderling gehabt haben könnte zog Sarray nicht einmal ansatzweise in Betracht. Nicht ihre Mutter! Niemals!
„Wir wuchsen in den Stollen Mahakams auf. In der Pubertät fand ich dann zu meinen Magischen Fähigkeiten. Nichts großartiges, aber doch genug für eine Ausbildung zur Heilerin.“
Sie nahm noch einen Schluck Kaffee und verlor sich in Gedanken.
„Wir schlossen uns dem Mahakamer freiwilligen Haufen an, Saryn und ich. Er war unglaublich flink und ein begnadeter Kundschafter. Wir dienten gemeinsam in der Schlacht von Altenpupen. Es war ein furchtbares Gemetzel.“
Sie schluckte mehrfach.
„Am letzten Tag meines Dienstes verlor Saryn sein Leben und ich meine Magie.“
Da war noch etwas, dass spürte Lysira genau.
Sarray hielt mit etwas hinterm Berg. Etwas, dass sie entweder nicht aussprechen konnte, oder sich dieser Wahrheit nicht stellen wollte.
Etwas unausgesprochenes, das wie ein Elefant im Raum das Gespräch zu ersticken drohte.
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Voli
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von/nach: Östlich von Nowigrad - Eine verlassene Ruine abseits der Straße
Datum: 30. Juli 1278 gegen Mitternacht
betrifft: Sarray, Lysira
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Voli verfolgte die Fährte der vermeintlich hilfesuchenden Frau nun bereits eine ganze Weile und die Dinge wurden zunehmend seltsamer. Geradlinig führte die Spur in Richtung Westen, folgte kurz einer Straße und verließ diese dann wieder, was für den Vran unverständlich war, denn Straßen führten für gewöhnlich zu menschlicher Zivilisation, was ja nun etwas war, dass eine verstörte, verängstigte Frau auf der Flucht durchaus begrüßen würde.
Vielleicht fürchtete sie, weiter verfolgt zu werden und nahm an, dass sie auf einer Straße ein zu leichtes Ziel abgab? Unwahrscheinlich, jedoch nicht unmöglich. Es hörte damit aber nicht auf, denn alsbald kam die Spur in die Nähe des Guts eines Landwirtes, machte um das Gehöft aber einen großzügigen Bogen, statt dort Zuflucht zu suchen.

Dies war wohl der Zeitpunkt, die Sache als erledigt zu betrachten und umzudrehen. Die Fäden fügten sich nicht zu einem erkennbaren Muster zusammen, sondern webten ein Bild, das sich den Gesetzen von Vernunft und Logik widersetzte. Es wurde unberechenbar und damit gefährlich. Voli schnaufte verdrießlich, machte kehrt und tat ein paar Schritte in Richtung Osten. Dann blieb er stehen, züngelte an der Luft und drehte den Kopf über die Schulter wieder Richtung Westen. Was hatte es nur mit dieser Frau auf sich? Er würde es nicht erfahren, wenn er jetzt umdrehte. Vielleicht war das auch besser so. Es hieß, dass man seine Schnauze nicht in jeden Kaninchenbau stecken sollte, denn in manchen hausten Schlangen. Da war etwas dran. Voli verschränkte die Arme und senkte sein Haupt. Er hatte sich nie mehr als nötig aus Redewendungen und Lehren der Älteren gemacht und wahrscheinlich trug das auch dazu bei, dass er noch lebte und nicht wie so viele andere bei dem Massaker im Reservat, der Flucht oder der Zeit danach umgekommen ist.

Die Neugier gewann den Kampf, denn er würde sich sonst auf ewig grämen. Also führte die Reise weiter in Richtung Westen immer der Spur nach, bis sich ihm ein Hindernis bot, das er nicht überwinden konnte. Dies wären spätestens die Mauern der Stadt Nowigrad, welchen er, das wusste er, bereits sehr nahe gekommen ist.

Weitere Stunden der Suche vergingen, in denen Voli viel Zeit verlor, musste er doch die Spur ein ums andere Mal aufgeben und zu einem späteren Zeitpunkt wiederfinden, wenn sie zu nahe an menschlichen Behausungen vorbei führte oder einer belebten Straße folgte. Doch er fand sie immer wieder, auch wenn etwas in ihm, etwas Vernünftiges, die Hoffnung nicht aufgab, sie zu verlieren. Die Reise endete schließlich nahe der Mitternachtsstunde in einem Vorort von Nowigrad. Die hohen Mauern der Stadtfeste zeichneten sich gegen den finsteren Horizont des Nachthimmels ab und mahnten ihn zur Umkehr. Doch Voli hatte Glück, denn die Spur führte nicht nahe an die Mauern heran, sondern schlängelte sich zielstrebig zu einem kleinen Haus auf einer Anhöhe, welches der Vran erreichen konnte, ohne sich groß der Gefahr auszusetzen gesehen zu werden, auch wenn er dafür den Vorort betreten musste.

Er kannte diese Art von Ansiedlungen, denn sie hatten entfernt etwas von einem Reservat der Vran. Sie waren Zuflucht für alles, was nicht den Luxus hatte, als Mensch das Licht der Welt zu erblicken. Dieser Gedanke bestätigte sich auch mehr und mehr, als er sich geduckt näher an das Haus auf der Anhöhe schlich und dabei immer wieder anhielt um zu lauschen und den Geschmack der Luft zu prüfen; sie schmeckte nach Elfen und Zwergen. Andersartig.

Das Haus kam nun in greifbare Nähe und so auch die Quelle des Geruchs, den er nun so lange verfolgt hatte. Der Duft von Patchouli und Vergissmeinnicht.
Lysira
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Einige Stunden bevor Voli das Haus erreichte, war es in etwa um die Mittagszeit.

Lysira hatte Sarray aufmerksam zugehört, sie beobachtet während sie sprach. In gewisser Weise teilten sie ein ähnliches Leid, beide hatten sie einen schweren Verlust erlitten. Die Bruxa spürte auch, dass dies nur die Spitze des Eisbergs gewesen sein musste.
Sie sagte nichts. Es gab keine Worte, die in einer solchen Situation hilfreich waren. Nichts vermochte die Verstorbenen zurückzubringen.
Sanft legte sich Lysiras Hand auf die von Sarray. Ihr Blick suchte den der kleinen Blondine, ein Blick der aussagte, dass sie nicht alleine war.
Tatsächlich war ihr der Mahakamer Haufen ein Begriff. So viele Schlachtfelder hatte sie gesehen, so viel Grausamkeit. Natürlich hatte sie nicht gekämpft, was interessierte sie schon die Politik der Sterblichen? Sie war immer nur auf den Schlachtfeldern aufgetaucht, nachdem es vorbei gewesen war. Hatte nach Verwundeten gesucht, die zum Sterben zurückgelassen worden waren. Es war stets leichte Beute gewesen, zumindest nach logischer Betrachtung und sie hatte sich selbst in dieser Zeit sehr in Sicherheit wiegen können, aber das bedeutete nicht, dass die Anblicke nichts mit ihr gemacht hätten.
Hier war sie sanft gewesen, zärtlich nahezu, während sie die zurückgebliebenen erlöste, ihnen einen friedlichen Tod gewährte.
Die Traumata, die Sarray im Krieg durchlebt haben könnte traten der Bruxa innerlich vor Augen. Wie schaffte es diese kleine quirlige Person trotz allem meist so optimistisch und positiv gestimmt zu sein? Woher kam diese unbändige Lebensfreude, die sie so oft ausstrahlte?
Mit sanftem Druck streichelte Lysira Sarrays Hand, sie sagte nichts, doch ihr Blick sagte klar aus, dass die Bruxa jetzt für sie da war und zuhören würde, wenn sie jetzt fortfuhr. Aber auch, dass sie Sarray nicht bedrängen würde und genauso da wäre, wenn die kleine Blondine nichts weiter sagen würde.
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Sarray Cestay
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Mit einem Mal war die melancholische Art der Zwergin vorbei.
Sie lächelte, als wäre nichts gewesen.
„Ich hab Hunger. Das Brot ist alle. Soll ich dir die Scherben zeigen? Da gibt es einen Bäcker, der macht Törtchen, das hast du noch nicht…ähm…also ich mag die gern.“
Und den kleinen Jungen mit dem Bauchladen und den gerösteten Nüssen hoffte sie dort auch zu finden.
„Und wir können uns nach Kleidung für dich umschauen. Ein paar Münzen habe ich noch.“
Lysira
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Es fiel Lysira schwer zu ergründen, ob es einfach Sarrays Art war schnell in ihrer Stimmung umzuspringen, ob sie eine Fassade aufgebaut hatte, so wie die Bruxa sich selbst gern hinter einer Fassade verbarg oder ob es ihr nun verzweifelt nach Ablenkung verlangte. Ganz leicht hob Lysira eine Augenbraue, aber sie hakte nicht weiter nach.
„Vorletzte Nacht hast du mir doch die Scherben gezeigt, weißt du nicht mehr?“, fragte sie und schmunzelte dabei ein wenig.
„Aber lass uns gern nochmal dorthin gehen“, fügte sie hinzu, als ihr in den Sinn kam, dass Sarray das möglicherweise gerade einfach brauchte, um ihren Kopf wieder freizubekommen. Sie selbst fühlte sich nicht so ganz wohl dabei in der Mitte des Tages in die voll belebte Stadt zu gehen. Zu viele Gerüche, Geräusche, Menschen. Und Licht, so viel Licht. Es ist nicht so, dass es ihr schaden würde, aber das hieß noch lange nicht, dass sie sich darin wohl fühlte. Aber vermutlich war es wirklich das Sinnvollste. Sarray brauchte etwas zu essen und Lysira ein neues Kleid. Und vielleicht brauchte ja auch Ljerka irgendetwas, was sie ihr mitbringen konnten, was sie vielleicht zumindest ein wenig von der Tatsache ablenken konnte, dass Lysira abreisen würde, nachdem die Heilerin zurück gekehrt war.
Es kam der Bruxa bereits jetzt schon merkwürdig vor, dass Ljerka so lange fort geblieben war. Natürlich kannte sie die Sitten und Gebräuche der sterblichen Rassen nicht gut genug, um klar zu erkennen, dass irgendetwas hier nicht stimmen konnte, dennoch wunderte es sie, sie hätte die Heilerin doch etwas anders eingeschätzt angesichts des Zustandes, in dem Sarray sich zu diesem Zeitpunkt befunden hatte. Jedoch entschied sie fürs erste über diese Gedanken Schweigen zu bewahren, nun galt es erstmal, Sarray dabei zu helfen durch positive Eindrücke die Schatten der Vergangenheit zurück in ihre Käfige zu drängen und Sorge wäre dabei nun sicherlich nicht hilfreich.
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ERZÄHLER
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Und so machten sich die beiden auf den Weg in die Scherben. Sarray wurde nicht müde, Lysira erneut alle Läden, Händler und Gaststuben zu zeigen, von der sie ihr die meisten bereits gezeigt hatte, aber doppelt hielt bekanntlich besser und außerdem war es natürlich auch ein Unterschied, ob man sich diese bei Tag oder bei Nacht anschaute. Der Zwergin schien das Ganze so gut zu tun, dass Lysira das Spiel mitspielte und sich so interessiert zeigte, als sähe sie alles zum ersten Mal. Zudem hatte sie selbst nun einige Kronen dabei, die sie alleine schon aufgrund ihres großen Gewichts loswerden wollte und auch Sarray trug ihre Geldkatze recht locker.
Am Ende des Tages war die Bruxa neu eingekleidet, dieses Mal in ein tannengrünes Kleid, das nicht weniger knapp geschnitten war als das Letzte. Durch die leichte daran angebrachte Schnürung schmeichelte es ihrer Figur ganz besonders, obgleich ihr etwas weniger Beengendes lieber gewesen wäre, aber man musste Kompromisse eingehen. Dafür kaufte sie sich aber auch einen neuen langen Reisekapuzenmantel, der deutlich weniger zerschlissen war, als der Alte.
Auch waren beide auf dem Rückweg voll beladen mit einem großen Vorrat an Nüssen, Backwaren, anderen haltbaren Lebensmitteln und allerlei Kräutern, die sie nun in Jutesäcken über den Schultern zurück nach Ferneck schleppten. Lysira hatte angemerkt, dass Ljerka nach ihrer langen Abwesenheit sicherlich eine volle Vorratskammer zu schätzen wissen würde. Vielleicht war es aber auch bloß ein Vorwand gewesen, um die letzten Momente noch etwas herauszuzögern.
So kam es, dass sie erst in den Abendstunden nach Ferneck zurückkehrten. Schon war der Bruxa anzumerken, dass die letzte Mahlzeit bereits wieder einige Zeit zurücklag. Ihre Körpertemperatur war wieder in einen Bereich abgefallen, der für einen Menschen bereits kritisch gewesen wäre und ihre Lippen waren deutlich blasser geworden, nur die Schatten unter den Augen hielten sich noch in Grenzen. Einige Stunden hatte sie noch, bis der Durst zu einer Qual werden würde.
Als das Haus in Sichtweite kam, ahnten die Beiden noch nicht, dass von Ljerka noch immer jede Spur fehlte. Und auch den Vran, der Lysiras Spuren zu dem Haus gefolgt war, bemerkten sie zunächst nicht.
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Sarray Cestay
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Tatsächlich gab es in den Scherben auch viel Neues zu sehen. Manche Läden und Stände waren am Tage ganz anders bestückt als in der Nacht und natürlich hatten des nachts nicht alle geöffnet.
Dementsprechend war Sarray ebenso schwer bepack wie Lysira zurückgekehrt. Während sie ihre ‚Beute‘ verstaute war sie erstaunlich still. Einerseits machte sie sich sorgen um Lysira, andererseits – und das wog in diesem Moment schwerer – war Ljerka immer noch nicht zurück.
An der Unterlippe kauend durchsuchte sie erst noch einmal alles, auf der Suche nach einem Hinweis oder einer Nachricht. Nichts. Überhauptnichts.
Das war alles nicht gut. Gar nicht gut. Ljerka war noch nie verschwunden. Ob ihr etwas zugestoßen war? Ob der Oberspion sie kassiert hatte, um sie mit Fragen zu löchern?
„Ich mache mir Sorgen um Ljerka.“, teilte sie nach dem ungewöhnlichen langen Schweigen der Bruxa mit.
„Ich denke, du musst bald wieder jagen. Hättest du vorher noch Zeit, mit mir nach ihr zu suchen? Du hast da bestimmt Fähigkeiten, oder? Ich hätte eine Idee, wo ich anfangen möchte zu suchen.“
Sie seufzte und sah die Bruxa ernst an.
„Dazu muss ich dir aber etwas erklären. Wir sind vor kurzem in etwas hineingeraten. Ljerka hat einen Kumpel, und der hat einen Freund, und der ist Spion und hat mich letztens…nennen wir festgesetzt und befragt.“
Das ließ sie einen Moment wirken, bevor sie fortfuhr. „Sollte er sich jetzt Ljerka gekrallt haben, wüsste ich wo ich anfangen könnte zu suchen. Bevor du antwortest…ich muss man kurz nach hinten.“
Hinten, im Hinterhof, stand das kleine Holzhäuschen mit dem Herz in der Tür, das wusste Lysira.
Immer noch tief in Gedanken wuselte die Gnomin los. Sie hatte es eilig, starrte nur zu Boden und übersah auf dem Weg hin etwas Essentielles. Und das würde sich schnell rächen.
Schon auf dem Rückweg zu der Schwengelpumpe mit dem Eimer darunter traf es Sarray wie einen Blitz. Ein riesiger Schatten in der Form einer….Gurke?...war gerade im Begriff, die Blase zur Seite zu schieben, die als Fenster zu der kleinen Hütte diente.
Was war denn das?!
Die Zwergin gab einen leisen Schreckenslaut – ähnlich dem Quieken eines Ferkels – von sich und erstarrte an Ort und Stelle, käseblass und beide Hände am Griff der Pumpe.
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Voli
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Es war eindeutig: der Duft von Patchouli und Vergissmeinnicht, den er nun so lange verfolgte, war hier an diesem Haus am stärksten. Klar, er zweigte in dünnen Fäden in verschiedene Richtungen ab und verlief sich im Vorort vor den Stadtmauern, aber am konzentriertesten war er hier. Volis Zunge schnellte nun in immer kürzeren Abständen durch die Luft, während er die kleine Anhöhe erklomm, immer geduckt, immer mit kurzen Pausen, in denen er inne hielt und seine Umgebung prüfte. Die Nacht war bereits soweit fortgeschritten, dass sich die Welt vor Volis Augen, welche das infrarote Spektrum wahrnehmen konnten, in Grautöne hüllte und ein gänzlich anderes Bild vermittelte, als es am Tag der Fall war.

Er erreichte schließlich die Wand auf der Rückseite des beschaulichen Gebäudes, positionierte sich neben einem Fenster und lauschte. Kein Geräusche, kein Licht. Nur der Geruch des Parfums und die Düfte der Nacht. Es schien niemand anwesend, doch war dies von seiner Position aus schwer zu sagen, ohne dass er einen Einblick ins Innere des Gebäudes bekam und prüfen konnte, wie warm der Raum und wie alte die Gerüche waren. Ein kurzer Blick würde genügen. Voli richtete sich halb auf, um auf der Höhe des Fensters zu sein, welches von einer Tierblase, gespannt in einem Holzrahmen, verschlossen wurde. Normalen Augen würde die Blase einen milchigen, grob umrissenen Einblick auf das Innere des Raums ermöglichen, doch für Volis Augen, welche momentan auf Wärme reagierten, war alles schwarz. Mit einer Klaue kratzte er prüfend über die trockene, raue Oberfläche, rüttelte dann am Holzrahmen. Er ließ sich aufschieben. So leise wie irgend möglich schob der Vran ihn zur Seite und steckte dann ganz ungeniert den Kopf in den Raum. Ließ alle Sinneseindrücke auf ihn wirken. Patchouli, Vergissmeinnicht, Zwerg, Mensch, frisches Brot, verschiedenste Kräuter und Wurzeln, tierische Fette, Extrakte und Öle, Blut in unterschiedlichem Alter, diverse Seifen, Alkohol, Wunden, Eiter, Tod. Der Raum zeigte Spuren von Wärme, doch Voli sah niemanden. Er wollte seinen Kopf noch weiter in den Raum stecken als plötzlich.

Ein Schrei, nein, ein Quieken, hoch und schrill, direkt hinter ihm. Den Vran überraschte es so sehr, dass er hochfuhr und dabei sein dicker Hals mit einem dumpfen ‘RUMS’ gegen den Fensterrahmen schlug, bevor er sich erfolgreich aus der Öffnung winden konnte. Als er es dann doch schaffte und sich umdrehte, war die Quelle des Geräuschs unverkennbar. Eine Zwergin nur wenige Schritte von ihm entfernt. Woher kam sie und vor allem, wie konnte Voli sie übersehen, wo sie sich ihm jetzt doch so hell und intensiv zeigte wie ein Leuchtfeuer? Keine Zeit für eine Antwort. Der Vran reagierte instinktiv, drückte sich, kaum dass er seinen Kopf aus dem Fenster gezogen hatte, von der Hauswand ab, riss die Kiefer zu einem drohenden, markerschütternden Fauchen weit auf und stürmte das kurze Stück gleich einer Gerölllawine auf allen Vieren auf die Zwergin zu.

Es ging alles sehr schnell. Sie war wie erstarrt vor Schreck und in nur wenigen Augenblicken war Voli bei ihr. Dicke Arme schlangen sich um das kleine Geschöpf, drehten es von ihm weg und hoben es an mit der Leichtigkeit, mit der man ein Kleinkind hochheben würde. Ein Arm drückte die Zwergin dabei grob an seine Brust, dass es ihr die Luft aus den Lungen presste, die freie Pranke erstickte dabei einen anschwellenden Schrei, indem er sie einfach auf ihr Gesicht presste. “Ssstill” zischte er ihr ins Ohr und sie konnte die gegabelte Zunge an ihrem Nacken spüren, als der Vran beiläufig ihren Geruch kostete. “Kein Laut” Voli blickte sich hastig um. Es war nicht unwahrscheinlich, dass noch jemand hiervon etwas mitbekommen hatte.
Lysira
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Sarray sprach genau das aus, was Lysira bereits durch den Kopf ging. Ljerka hatte ihre Rückkehr zu einem deutlich früheren Zeitpunkt angekündigt und war noch immer nicht hier. Und eigentlich war sie schon darauf vorbereitet gewesen, in dieser Nacht weiterzuziehen, eigentlich hatte sie auch gerade schon überlegt, wo sie ihre nächsten Opfer suchen würde. Sie wusste nicht mit Sicherheit, ob die Banditen dort sein würden, wo sie sie vermutete und hatte sie auch noch nicht beobachtet. Natürlich gehörte es zwangsläufig zum Raubtiersein dazu, auch mal Beute zu schlagen, die es weniger verdiente als andere, aber trotzdem bestand ohne vorherige Beobachtung immer auch die Gefahr eines Hinterhalts.
Hinzukam, dass die Bruxa wusste, dass die Zeit tickte. Denn hatte der Durst erst ein gewisses Level erreicht, war sie eine Gefahr für jeden, der sich in der Nähe aufhielt. Käme es später zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung, noch dazu mitten in der Stadt, konnte dies verheerende Folge haben. Sowohl für Sarray, als auch für die Bruxa selbst, denn sie wusste ja nun, dass es in der Nähe einen Hexer gab.
Doch der ernste Blick der Zwergin, ihre Sorge… wie hätte Lysira da ,nein‘ sagen können? Dennoch wog sie ihre Antwort sorgfältig ab und ehe sie sprechen konnte, verschwand Sarray an einem Ort, von dem die Bruxa wusste, dass man sie dort besser nicht störte.
Sie seufzte. Dann ließ sie den Blick durch die Räumlichkeiten schweifen. Er blieb an einem über einen Stuhl gehängten offensichtlich getragenen Hemd in Menschengröße hängen. Lysira ging darauf zu, nahm es und versenkte die Nase darin, sog den Geruch tief ein. Kräuter. Krankheit, eine Spur von Fäulnis. Beides von außen, die Trägerin hatte einen anderen Geruch. Schweiß… Haut… längst vergangene Körperwärme… Ihre innere Bestie gab ein wohliges Schnurren von sich. Blut, nur ein einziger Hauch, das Blut der Trägerin. Der Ursprung dessen verdiente es wohl nicht einmal, als Kratzer bezeichnet zu werden. Aber es war genug um festzustellen, dass sie ziemlich lecker roch.
Im Normalfall hätte sie sich dafür gescholten, dass sie Ljerka für lecker befand, doch in diesem Moment war es von Vorteil, sie würde nur rechtzeitig die Kurve kriegen müssen.
Die Bruxa schaute auf, ihre Augen waren Pechschwarz. Sie schloss sie wieder. Wo war die Fährte? Zu alt… der Geruch haftete am Hemd und erstarb in der Umgebung. Verdammt…
Dann plötzlich ein spitzer Schrei von draußen, er kam eindeutig von Sarray. Mit einem Ruck war die Schnürung des Kleides geöffnet und ehe es auf dem Boden der Stube auftraf, stand Lysira draußen vor dem Vran, der ihre Freundin im festen Griff hielt, die Krallen zu ganzer Länge ausgefahren, die rasiermesserscharfen haifischartigen Zähne gebleckt und fauchte wie eine Raubkatze.
„Lass sie los!“, zischte sie in einer bedrohlichen, unnatürlich verzerrten Stimmlage, Augen und Lippen pechschwarz, der Körper nicht länger der einer Frau sondern nun der eines Monsters, das bereit war zu töten.
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