Niederwirr

[Reynegh]

Er hörte Aria, aber er hörte ihr nur bedingt zu. Angst, ja, das sollten sie auch! Menschen hatte zu Recht Angst vor seinem Volk. Reden. Er gab ein kehliges Fauchen zur Antwort und riss Venden herum, um mit ihm noch ein wenig herum zu stolzieren. Angst sollten sie haben! Wenn er erst seine Clanbrüder zurück hatte oder ein ordentliches Rudel Krieger, würden diese Schandmäuler seine Welpen nähren. Doch so lange er allein war und nur Feiglinge um sich hatte, musste er wohl mit diesen weiter kriechen. Es zerrte an seinem Stolz und Venden spürte den Unmut seines Herrn, tänzelte von einer Seite zur anderen.
Dann fegte ein Ast den Welpen fast aus der Kutsche und Reynegh rieb sich resignierend die Augen mit Daumen und Zeigefinger. Große Schlange, wieso hab ich dies hier verdient?, dachte er bei sich. Er musste unbedingt herausfinden, ob es in dieser Welt irgendjemanden gab, der klar bei Verstand war und das Kriegshandwerk in einem Maße beherrschte, dass Reynegh sich nicht von Dilettanten umgeben fühlte. Zwar wusste er, dass das hitzige Blut aus seinen Gedanken sprach, aber dennoch hatte die Episode ihn unbefriedigt gelassen. Er ließ sich einfach nicht gern beleidigen und zog stumm seiner Wege.
Kurz überlegte er, ob er zum Elf zurück auf den Kutschbock klettern sollte, doch da sprang Jake aus der Kutsche und kletterte zu ihr nach vorn. Also gut, kein Platz für ihn und seinen Unmut - vermutlich auch besser so.
Zeit ein wenig Luft zu schnappen. Er gab Venden die Zügel und dieser passierte mit weiten Sprüngen ihre kleine Kolonne.

Im Vorbeireiten zupfte er flink Thorben die Flasche aus den Fingern (99/100), wendete dann und umkreiste den Karren des Zwergs ein paar Mal im Galopp. Vendens Klauen warfen Erde und Gras aus dem Zirkel, den er beschrieb, während der Naramianer sich einige Schluck gönnte. Reynegh verschloss die Flasche wieder, warf sie dem Zwerg auf der letzten Runde wieder zu und bleckte die Fänge. Nein, seine Laune stand nicht zum Besten, aber das würde sich schon wieder geben. Er überholte den Karren wieder, Venden warf den Kopf als würde er bocken wollen, fiel aber dann in schnellen Lauf und eilte mit seinem Reiter den Weg voraus. Er würde am nächsten Wegkreuz auf sie warten.

Zum Rücker-Anwesen

[Vyacheslav Sokolov]

"Nein, der..." hatte der Zwerg die Katze 'Teppich' genannt? Slava war sich nciht ganz sicher. Aber sicher war der aufrecht gehende Vierbeiner gemeint. Sicherheitshalber verwendete er dass gleiche Wort. "...der Bettvorleger ist auch so schon gefährlich genug. Und sein..." er müsste immer an ein zu groß geratenes Seepferdchen denken. Das Duo hätte einfach in irgend so einer Marvel Comicverfilmung anheuern können. "was auch immer. Die bekommen keines. Den Bauern würde ich eher etwas anderes geben... größeres Kaliber ...Durchmesser?" er zeigte es an der Hülse. "...und hilft auch gegen Bären und Wildscheine."
Weniger gefährlich für... Zivilisten... Bürger? Das hier ist für Soldaten."
Und dann holte er die Tokarev heraus. "Das hier für die Milizionäre... Polizei...? Auch gegen Banditen..."
Wovon es also genug gab.
Vorerst zweifelte Slava nicht einmal daran, dass Thorben seine Armbrust beherrschte. Er mochte ein Großmaul sein, aber er schien durchaus auch zu wissen, was er tat.
Sein Blick wanderte zu der Katze, die mit ihrem Reittier auf und an tänzelte, offenbar wirklich auf Stress aus.
"Sagst du es ihm, oder soll ich?"
Die Vodkaflasche hatte er gefangen, denn Thorben war von einem Niesanfall abgelenkt, er stellte sie ohne groß nachzudenken bei seinen Füßen ab.

[Thorben Denger]

"Oy!" platzte es erstaunt aus Thorben heraus, als Reynegh mit seinem seltsamen Reittier an ihm vorbei donnerte und ihm die Flasche aus der Hand stibitzte. Die plötzliche Nähe zum Katzenwesen führte zudem dazu, dass er sich in einem Niesanfall auslassen musste, bis er nur noch verschwommen, durch wässrige Augen sehen konnte, wie der Kater den Weg voraus donnerte. Grummelnd kramte der Zwerg blind hinter sich im Karren herum und bekam für einen Moment einen gehörigen Schreck, als er keine weitere Flasche Vodka mehr finden konnte. Sooo viel hatten sie am Vorabend doch gar nicht getrunken. Oder doch?
Grummelnd knirschte er auf seiner Pfeife herum und starrte missmutig den Weg voraus an. Bei der nächsten Rast musste er die Vorräte überprüfen. Sollten sie die restliche Reise ohne Vodka überstehen müssen, war das beinahe ein schlimmeres Schicksal, als der Tod.
"Toll. Echt toll. Wenn einem die Ursache für eine Krankheit gleichzeitig die Medizin klaut."
Nochmal nieste er herzhaft und wischte sich den Schnodder an seinem Mantelärmel ab.
"Der Bettvorleger scheint von allein auf die Idee gekommen zu sein. Naja, wenigstens können wir froh sein, dass er kein Masakker angerichtet hat. Ich mein', ich kann gut mit Leuten. Auch mit Menschen, obwohl ich keiner von ihnen bin. Aber einen wütenden Mob kann auch ich nicht davon abhalten, seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen."

Neugierig hatte Thorben die beiden gezeigten Schusswaffen beobachtet. Den Erklärungen konnte er ganz gut folgen. Er wusste zwar nicht, was Polizei und Kaliber waren, aber Banditen töten hörte sich lukrativ an. Mit dem kleinen Ding konnte man das? Er selbst war ja schon immer der Meinung gewesen, dass es abseits von Körpergröße, immer auf die Größe ankam. Vor allem bei Waffen. Dementsprechend verstand er auch, was Slava mit dem Hülsendurchmesser meinte. Schon oft hatte der Zwerg davon geträumt, seine Kartätschen zu einer ganz großen zusammenzufügen. Aber so einfach, wie man sich das vorstellte, war das leider nicht. Das würde wohl eine teure Sonderbestellung bei einem Alchemisten werden.
Aber das mit dem großen,... Kaliber, so wie Slava das genannt hatte, war bei Armbrüsten ja ganz genau so. 'Lilly' war für den normalen Alltagsgebrauch gedacht. 'Bertha' hingegen,...

Grinsend drückte er Slava die Zügel in die Hände und stand vom Bock des Karrens auf. Kurz deutete er noch auf die Tokarev im Beinholster.
"Bei der nächsten Rast musst du mir mal genau erklären, wie die Dinger funktionieren. Und mich auch mal damit schießen lassen."
Dann hüpfte er auf die Ladefläche des Karrens und wühlte in den Vorräten herum. Priorität Nummer eins! Eine Flasche Vodka kam zum Vorschein, die wohl jemand falsch einsortiert hatte. Er stopfte sie näher an die vordere Sitzbank, so dass er sie leicht erreichen konnte, dann wühlte er weiter.
'Bertha' lag mittlerweile ganz unten. Er hatte sie schon lange nicht mehr gebraucht und die schlampige Art, wie der Karren am Morgen beladen worden war, hatte die riesige Armbrust ganz tief begraben. Mit einiger Mühe und allerlei Herumgestöhne befreite er das Ungetüm und zog es mit sich auf die Sitzbank des Karrens. Der zwar breite, aber dennoch kleine Zwerg wirkte beinahe verloren unter der gewaltigen Konstruktion aus Holz, Seil und Stahl. Für Slava musste es so aussehen, als wenn ein Kind ein KSWK oder eine alte Panzerbüchse in den Händen hielt, nur dass diese nochmals einen Bogen in der Größe einer Dragunov anmontiert hatte. Die Waffe verfügte über eine große Winde mit Griff, denn es gab wohl kein menschenähnliches Wesen, dass die Kraft aufbringen konnte, dieses Monster ohne Hilfsmittel zu spannen. Einen Bolzen hatte Thorben mitgebracht und fummelte ihn in die fingerdicke Sehne hinein. Das Geschoss allein hatte schon Länge und Durchmesser eines durchschnittlichen Brecheisens.

Thorben streichelte liebevoll den Schaft der kleinen Balliste und grinste bis über beide Ohren.
"Darf ich vorstellen? Bertha! Ein wenig unhandlich, aber die fetten Frauen bleiben stets am treusten. Damit sind Bären,... oder Trolle auch kein Problem. Wahrscheinlich nicht ganz unsinnig, sie für den kommenden Weg vorzubereiten."
Es war nicht einfach, die riesige Armbrust auf dem eh schon engen, provisorischen Kutschbock fertig zu laden, aber mit viel Schweiß und passenden Flüchen hatte Thorben dann doch endlich Erfolg.
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Weiter geht's auf dem Rücker Anwesen.